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EurActiv - 10.04.2012

Klimastadt - Stadtklima

Standpunkt von Nicola Krettek (NABU)

Wenn wir künftigen Generationen eine lebenswerte und nutzbare Umwelt übergeben 
wollen, muss die Entwicklung unserer Städte gleichermaßen ökologische, 
ökonomische und soziale Aspekte berücksichtigen. Auf der Agenda stehen die 
Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen und die Anpassung an die Folgen des 
Klimawandels. Ein Standpunkt von Nicola Krettek, NABU-Expertin für Nachhaltige 
Siedlungsentwicklung

Auf dem Weg zur "klimaschützenden Stadt" steht bislang die energetische 
Sanierung des Gebäudebestandes im Mittelpunkt. Dazu soll der 
Primärenergiebedarf im Gebäudesektor in Deutschland bis 2050 um 80 Prozent 
gesenkt werden; die Reduzierung des Wärmebedarfs leistet dabei den größten 
Beitrag. Maßnahmen und Instrumente beziehen hier sich vor allem auf die 
Modernisierung der einzelnen Gebäude - mit dem Bild der kuscheligen Pudelmütze 
über dem Einfamilienhaus wird schon geworben.

Sozial-ökonomische Folgen mitdenken

Doch einseitige Strategien, etwa dem Klimawandel in erster Linie durch 
Fassadendämmung zu begegnen oder im Energie-Plus-Solarmobil-Einfamilienhaus die 
Lösung zu sehen, greifen zu kurz. Man darf das Energieproblem nicht auf 
Einzelgebäude reduzieren, sondern es braucht energetische Konzepte, die ganze 
Wohn- und Stadtquartiere umfassen. So ermöglicht erst die gemeinsame 
Betrachtung von Alt- und Neubauten, sowie regenerativer Energieträger im 
Verbund mit lokalen Erzeugern eine effiziente und zugleich stadtbilderhaltende 
Modernisierung des Gebäudebestands. In "Energie-Nachbarschaften" können 
Plusenergie-Neubauten mit historischen Altbauten "verrechnet" und die Energie- 
und Wärmeversorgung mit Blockheizkraftwerken oder Solarstromgenossenschaften 
gebündelt werden. Zugleich ist es unverzichtbar, die sozial-ökonomischen Folgen 
einer grundlegenden Modernisierung des Gebäudebestandes von Anfang an 
mitzudenken. Da der Erhalt unserer Lebensgrundlagen eine 
gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, dürfen die damit verbundenen 
(finanziellen) Lasten nicht komplett individualisiert werden. Zugegeben: Die 
Optimierung auf Quartiersebene erfordert einen höheren Steuerungsaufwand auf 
Seiten der Kommunen. Gleichzeitig bietet sich aber die Chance einer 
integrierten Entwicklungsplanung unter Beteiligung der BewohnerInnen.

Frischluftschneisen und Begrünung

Dieses Plädoyer für eine integrierte Betrachtung gilt auch für eine 
"klimagerechte" Stadtentwicklung, also die Anpassung der 
Siedlungs(infra)strukturen an die Folgen des Klimawandels. Schon heute ist es 
in der Stadt deutlich wärmer und trockener, die Stadtluft ist stärker mit 
Schadstoffen belastet. Ein hoher Versiegelungsgrad und geringer 
Vegetationsanteil beeinträchtigen die Versickerung und Verdunstung von 
Regenwasser und damit einen wichtigen Regulierungsmechanismus des lokalen 
Klimas. Der globale Klimawandel verschärft die Situation nicht nur durch 
Hitzeperioden, sondern auch durch extremes Wetter wie sintflutartige 
Niederschläge und ausdauernde Trockenzeiten. Damit liegt auf der Hand, dass 
stadtklimatische Bedingungen bei Entwicklungsplanungen zu berücksichtigen sind 
und beispielsweise wichtige Frischluftschneisen von einer Bebauung ausgenommen 
werden müssen, oder der Begrünungsanteil erhöht werden muss.

Folgen der De-Urbanisierung

Wer nun aus der Maxime "mehr Grün in der Stadt" die Forderung nach einer 
extensiveren Siedlungsstruktur ableitet, übersieht die Konsequenzen einer 
solchen De-Urbanisierung. Wenn sich die Siedlungen immer weiter ausdehnen, 
werden Wege länger, steigen motorisiertes Verkehrsaufkommen und -emissionen. 
Die Ausgaben für Unterhaltung von Verkehrs- und Leitungsnetzen wachsen, 
gleichzeitig sinkt die Effizienz der Versorgungssysteme. Und nicht zuletzt: 
Lebensräume für Tiere und Pflanzen werden zerschnitten oder vernichtet, Böden 
versiegelt, Natur und Landschaft zerstört.

Mensch und Natur im Mittelpunkt

Auf dem Weg zur "Klimastadt" gilt es also die richtige Balance zu finden. Die 
energetische Sanierung muss sozialverträglich umgesetzt werden und gleichzeitig 
(bau-)kulturelle Eigenarten bewahren. Der Landschaftsverbrauch muss durch 
Innenentwicklung reduziert und gleichzeitig die innerörtliche Lebensqualität 
verbessert werden. Das gelingt mit einer Stadtplanung, die das Wohlergehen von 
Mensch und Natur in den Mittelpunkt stellt, einer Architektur, die sich an das 
örtliche Klima und Bauerbe anpasst, sowie Energie- und Verkehrskonzepten, die 
auf umweltfreundliche und emissionsarme Versorgung setzen. So verstanden wird 
die Klima- und Energiefrage zu einer Aufgabe der Stadtentwicklung, die 
ökologische Aspekte mit städtebaulicher Aufwertung, mit besserer Wohnqualität 
und Partizipation verbindet.

Zur Autorin

Dipl.Ing. Nicola Krettek ist Referentin für Nachhaltige Siedlungsentwicklung 
des NABU (Naturschutzbund Deutschland e. V.). Weitere Informationen: 
www.nabu.de   

Hinweis: Der Text erschien zunächst im Öffnet externen Link in neuem 
FensterEurActiv.de-YellowPaper "Stadt der Zukunft" (Dezember 2011), das 
Analysen, Standpunkte und Interviews zur europäischen Stadtentwicklung 
versammelt.
http://www.euractiv.de/stadt-der-zukunft/artikel/yellow-paper-stadt-der-zukunft-005740

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