http://amerika21.de/analyse/53141/paraguay-konzerninteressen

amerika21.de - 28.06.2012 

Paraguay: Kalter Putsch für Konzerninteressen

Zu den wichtigen Akteuren des Umsturzes in Paraguay gehören die internationalen 
Agrarunternehmen

Von Sue Hermenau

Am frühen Abend des 22. Juni 2012 hat der paraguayische Senat den gewählten 
Präsidenten Fernando Lugo im Rahmen eines "politischen Gerichtsverfahrens" als 
unfähig zur Amtsausübung beurteilt und ihm das Amt des Staatspräsidenten 
entzogen. Nur wenig später wurde der ehemalige Vizepräsident Federico Franco 
als neuer Präsident Paraguays vereidigt. Franco ist Mitglied der "Radikalen 
Authentischen Liberalen Partei" (PRLA), mit der Lugos Regierung koalierte, bis 
diese dem Bündnis "Frente Guasú", dem Lugo angehört, vor wenigen Tagen die 
Unterstützung entzog. "Frente Guasú" erklärte unmittelbar darauf, die neue 
Regierung nicht anzuerkennen, und bat um internationale Unterstützung. [...]

Zu den Akteuren des "kalten Putsches" zählen neben der Landoligarchie, dem 
Agrobusiness und der rechten Opposition auch US-amerikanische 
Saatgutunternehmen wie Monsanto und Cargill. Bereits am 21. Oktober 2011 gab 
Landwirtschaftsminister Cardozo, wie Franco Mitglied der liberalen PLRA, die 
genmanipulierten Baumwollsamen Bollgard BT des US-Saatgutkonzerns Monsanto 
Chemical Works zur kommerziellen Nutzung in Paraguay frei. Bollgard BT trägt 
unter anderem das Gen einer giftigen Bakterie in sich, die für die 
Baumwollpflanze schädliche Larven töten soll und in Asien bereits zu 
schwerwiegenden Dürren geführt hat. Bauern- und Umweltorganisationen 
protestierten gegen die Entscheidung. Die für die Saatgutkontrolle zuständige 
Behörde SENAVE verweigerte dem US-Unternehmen die Lizenz, da die 
vorgeschriebenen Bewilligungen des Gesundheits- und Umweltamtes nicht vorlagen.

Monsanto, vertreten durch den mächtigen Interessenverband der Großgrundbesitzer 
und landwirtschaftlichen Unternehmen Unión de Gremios de Producción (UGP), 
protestierte in den folgenden Monaten gegen die Nichtzulassung des 
Baumwollsamens. Über die nationale Tageszeitung ABC Color, die durch den UGP 
kontrolliert wird, beschuldigte die Gewerkschafterin Silvia Martínez den 
Vorsitzenden von SENAVE, Lovera, der Korruption. Martínez ist Ehefrau eines der 
Repräsentanten mehrerer landwirtschaftlicher Großbetriebe, die im UGP vereinigt 
sind. In den folgenden Wochen wurden im Rahmen einer ABC-Color-Medienkampagne 
gegen Lovera ebenfalls Korruptionsvorwürfe gegen die Gesundheitsministerin und 
den Umweltminister erhoben, die sich der Zulassung des Monsanto-Samens 
verweigert hatten. Fast die gesamte Sojaernte Paraguays geht auf 
genmanipulierte Samen zurück, der Anbau von Gen-Baumwolle soll zukünftig 
ausgebaut werden. US-Agrochemieunternehmen wie Monsanto und Cargill erhalten in 
Paraguay erhebliche Steuervorteile.

In Curuguaty, einer 200 km von Asunción gelegenen Kleinstadt, liegt das 
70.000-Hektar-Anwesen des Großgrundbesitzers und Ex-Parteichefs der 
Colorado-Partei, Blas Riquelme. Riquelme hatte sich durch legale Tricks ein 
Territorium von 2.000 Hektar angeeignet, das dem paraguayischen Staat gehörte 
und seit wenigen Wochen von Landlosen besetzt wurde, um für die Unterteilung in 
Parzellen für Kleinbauern zu demonstrieren.

Auf Basis von Beschlüssen eines Richters und einer Staatsanwältin wurde das 
besetzte Gelände am 15. Juni 2012 durch ein Elite-Sondereinsatzkommando der 
Polizei gewaltsam geräumt. Nach Angaben von Bauernorganisationen eröffneten 
private Sicherheitskräfte des Anwesens das Feuer, die rechte Opposition macht 
die Besetzer selbst verantwortlich. Bei den Auseinandersetzungen starben sechs 
Polizisten und zwölf Bauern, 50 Personen wurden schwer verletzt.

Die Vorkommnisse lösten landesweite Proteste aus. Lugo entließ daraufhin 
Innenminister Carlos Filizzola und den Obersten Polizeichef Paulino Rojas. Am 
21. Juni verkündete die Koalitionspartei PLRA ihren Austritt aus dem 
Regierungsbündnis und schloss sich der Forderung der rechten Opposition nach 
einem politischen Gericht über die Amtsführung des Präsidenten Lugos an, die 
von der Colorado-Partei angeführt wird. Der Ausgang dieser Abstimmung ist 
bekannt.

Seit Ende der Diktatur wurden nach Angaben der Nationalen 
Menschenrechtskoordination CODEHUPY 124 Bauern im Rahmen von Landkonflikten 
getötet. 85 Prozent des Landes befinden sich im Besitz von nur zwei Prozent der 
Bevölkerung, deren Ländereien hauptsächlich für den großflächigen Anbau von 
genmanipuliertem Soja genutzt werden, das für den Export bestimmt ist. Immer 
mehr Kleinbauern werden zugunsten ausländischer Unternehmen von ihrem Land 
vertrieben. Lugo hatte angekündigt, die ungerechte Landverteilung demnächst zu 
reformieren. Fast 20 Prozent des paraguayischen Territoriums gelten als 
"unrechtmäßig bewohnt" und könnten verstaatlicht werden. Die Reform wird von 
der Landoligarchie, dem Agrobusiness und der rechten Opposition scharf 
abgelehnt.

Dieser Artikel ist Teil eines Dossiers: Präsidentensturz in Paraguay 
http://amerika21.de/dossier/sturz-lugo


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http://blogs.taz.de/latinorama/2012/06/28/paraguay-der-sojaboom-und-der-putsch/

taz.de - 28.06.2012

Paraguay: Der Sojaboom und der Putsch

Weil in den Industrieländern immer mehr Fleisch konsumiert wird, müssen 
Kleinbauern in Paraguay noch härter um ihr Land kämpfen. Die Pflanzen des 
Futtermittels Soja bedecken bereits drei Viertel der landwirtschaftlichen 
Fläche, Tendenz steigend

von Gerhard Dilger

Auf den ersten Blick wirkt alles friedlich. Beiderseits einer gut geteerten 
Schnellstraße erstrecken sich Dutzende Bretterbuden, einige sind mit einer 
rot-weiß-blauen Nationalfahne geschmückt. Dahinter ein Schulgebäude mit drei 
engen Klassenzimmern und ein Fußballfeld. Doch wie vielerorts in Paraguays 
östlicher Provinz Itapúa hausen in den rudimentären Hütten Landlose. Etliche 
der 130 Familien an diesem Straßenabschnitt leben seit 13 Jahren hier. Direkt 
an die Hütten grenzt das 2.500 Hektar große Anwesen eines "Brasiguayos", eines 
schon lange in Paraguay ansässigen brasilianischen Sojafarmers.

Wegen der boomenden Weltmarktpreise für Soja tobt der Landkonflikt zwischen den 
Großgrundbesitzern und den Kleinbauern erbitterter denn je. In der vergangene 
Woche wurde das größte Problem des südamerikanischen Landes zum Fallstrick für 
den linken Präsidenten Fernando Lugo. Weil bei der gewaltsamen Räumung einer 
von Landlosen besetzten Farm Mitte Juni elf Bauern und sechs Polizisten getötet 
wurden, enthob das Parlament Lugo in einem Schnellverfahren von seinem Posten 
[1].

Zwar liegen die genauen Umstände für die Räumung, bei der auch 80 Menschen 
verletzt wurden, noch im Dunkeln. Doch für die Abgeordneten der traditionellen 
Mitte-Rechts-Parteien Colorados und Liberale bot sich die Gelegenheit, den 
ungeliebten Ex-Bischof loszuwerden.

"Der Brasilianer hat sich seine Landtitel betrügerisch erschlichen", sagt 
Aurelio Bustamante, der Sprecher der Siedlung in Itapúa.

Über den Landtitel wird seit Jahren in der Justiz gestritten, der Sojafarmer 
soll ihn noch während der Diktatur von General Alfredo Stroessner (1954-89) von 
korrupten Beamten erhalten haben. Beim Grundstück des hohen Politikers von 
Stroessners Colorado-Partei, auf dem vor zwei Wochen das Massaker [2] 
stattfand, war dies ebenso.

Die Agrarlobby hat eine Besteuerung der Exporte wie im benachbarten Argentinien 
bisher verhindert, ebenso eine Landreform. Der fortschrittliche, aber schwache 
Präsident Lugo wurde nicht gestürzt, weil er den Agrariern gefährlich geworden 
wäre. Vielmehr wollen sich Colorados und Liberale eine gute Ausgangsposition 
für die Wahlen im April 2013 verschaffen [3].

Unaufhaltsam rückt die Sojafront weiter vor. Das Heer der Landlosen schwillt 
an, Zehntausende hausen in Zeltlagern oder ziehen in die Elendsviertel der 
Städte. Das Sechs-Millionen-Land Paraguay ist der viertgrößte Sojaexporteur der 
Welt. Die riesigen Felder mit den proteinhaltigen Bohnen machen bereits drei 
Viertel der gesamten Nutzfläche aus.

Nicht nur brasilianische Farmer profitieren davon, sondern auch die Agrarmultis 
Monsanto, Syngenta, Cargill, ADM oder Bunge sowie Spekulanten und Investoren 
aus Übersee. So ist DWS, ein Agrarfonds der Deutschen Bank, am argentinischen 
Konzern Cresud beteiligt. Cresud wiederum besitzt Zehntausende Hektar Land in 
Paraguay, ebenso in Brasilien und Bolivien.

Exportiert wird das Futtermittel Soja zu zwei Dritteln nach Europa, auch 
Agrodiesel auf Sojabasis wird immer populärer. Doch nicht nur auf die 
Artenvielfalt, sondern auch auf die Gesundheit der Landbevölkerung wirken sich 
die riesigen Gensoja-Monokulturen fatal aus.

Wegen der wachsenden Resistenz von Unkraut gegen das Herbizid Roundup des 
US-Gen-Saatgutherstellers Monsanto oder seine chinesischen Imitate wird immer 
mehr versprüht, Tausende Kleinbauern werden durch die Schwaden oder Rückstände 
in Bächen vergiftet. Juana Cuba aus der Landlosensiedlung in Itapúa hat eine 
Totgeburt hinter sich. "Das kann an den Besprühungen liegen", vermutet die 
31-Jährige.

Was können die Verbraucher in Europa tun? Bernd Bornhorst vom katholischen 
Hilfswerk Misereor, das in Paraguay Kleinbauern und Indígenas beim Biolandbau 
unterstützt, fordert eine generelle Verringerung des Fleischkonsums sowie eine 
grundlegende Änderung der EU-Agrar- und Handelspolitik. "Die Gensoja-Importe 
müssten vollständig gestoppt werden", ist der Entwicklungsexperte überzeugt.

[1] http://www.taz.de/Machtwechsel-in-Paraguay/!95974/ 
[2] http://zas-correos.blogspot.ch/2012/06/tragische-woche-in-paraguay.html 
[3] 
http://www.proparaguay.de/html/amtsenthebung_des_paraguayischen_prasidenten_fernando_lugo.php
 

Unbedingt empfehlenswert zum Thema ist der neue Dokumentarfilm Raising 
Resistance.
http://www.raising-resistance.com/ 


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LINKS [Red.]

Die Zeit, 24.06.2012: Amtsenthebung Ex-Präsident Lugo duldet Machtwechsel in 
Paraguay
Fernando Lugo spricht von Staatsstreich, will aber "im Namen des Friedens" 
keinen Widerstand leisten. Paraguays neuer Präsident Franco ist derweil 
international isoliert
http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-06/paraguay-lugo-franco

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