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Süddeutsche Zeitung - 03.07.2012

Machbarkeitsstudie zur Energiewende 

Bahntrassen als Stromtrassen

Knapp 28.000 Kilometer Stromleitungen: Niemand betreibt ein so flächendeckendes 
Leitungsnetz wie die Bahn, doch als Reserve für die Energiewende taugt es nur 
bedingt. Denn die Netze von Energie- und Zugwirtschaft sind inkompatibel. 
Womöglich gibt es jedoch eine andere Lösung

Von Michael Bauchmüller, Berlin

20 000 Kilometer Stromnetz, Mast für Mast - für die Stellwerker der deutschen 
Energiewende ist das deutsche Bahnnetz ein einziger Traum. Auf 20 000 
Kilometern sind die hiesigen Gleise per Oberleitung "elektrifiziert", hinzu 
kommen noch einmal die eigenen Stromleitungen der Bahn, die wiederum die 
Oberleitungen speisen: Insgesamt 7800 Kilometer, quer durchs Land. Wie gut 
ließen sich doch allein diese Leitungen nutzen, um Windstrom aus dem Norden gen 
Süden zu bringen.

Eine Machbarkeitsstudie im Auftrag der Bundesnetzagentur räumt damit nun auf. 
"Grundsätzlich" sei die Nutzung der Bahnstromtrassen zwar möglich. Das aber nur 
unter enormen Einschränkungen. So ließen sich die bestehenden Masten zwar 
austauschen gegen solche, die auch per Freileitung Strom in Höchstspannung 
transportieren. Nur verstärken sich durch das Nebeneinander von Bahnstrom und 
Normalstrom die elektromagnetischen Felder, und das je stärker, je weiter die 
Leitungen parallel verlaufen. Ergebnis: Mehr als 50 Kilometer 
Doppelstromleitung am Stück sind nicht drin, ein Tropfen auf den heißen Stein.

Schade eigentlich.

Die Unvereinbarkeit von Energie- und Zugwirtschaft hängt auch mit einer 
Besonderheit des deutschen Bahnstroms zusammen: Während das Stromnetz, wie im 
Rest Europas auch, mit einer Frequenz von 50 Hertz arbeitet, hat die Bahn eine 
von 16,7 Hertz. Damit sind beide Netze nicht miteinander kompatibel. Allerdings 
ließen sich diese Probleme technisch umgehen - mit Gleichstrom (englische 
Abkürzung: DC). Anders als der in Deutschland gebräuchliche Wechselstrom (AC) 
lässt sich Gleichstrom auch über weite Strecken parallel zum Bahnstrom 
transportieren. "Insgesamt betrachtet", so heißt es im Gutachten, scheine diese 
Technologie für Freileitungen "die technisch sinnvollste Lösung zu sein". 
Leider ist sie drei Milliarden Euro teurer als eine herkömmliche Leitung.

In jedem Fall brauchen die neuen Leitungen neue Masten. Die sind nicht nur 
wesentlich höher als die bisherigen Masten, sie sind meist auch breiter. Damit 
aber muss auch der so genannte Schutzstreifen unterhalb der Masten breiter 
sein. Das birgt Probleme überall dort, wo der Bahn dieser Schutzstreifen nicht 
gehört. Und es macht ein Planfeststellungsverfahren notwendig, wie es für jeden 
anderen Freileitungsbau auch erforderlich ist. Sind den Anwohnern etwa die 
neuen Masten zu hoch oder magnetischen Felder zu heikel, drohen langwierige 
Verfahren - mit offenem Ausgang. Blieben noch Kabel, die sich entlang der 
Bahntrassen im Erdreich verlegen ließen. Auch hier kommt allein die Übertragung 
per Gleichstrom infrage, und insgesamt würden sich die Kosten verdreifachen.

Letztlich sei unter Abwägung aller Fürs und Wider, so urteilen die Gutachter, 
die Variante neuer Gleichstromleitung an höhergelegten Bahnmasten die beste 
Lösung, trotz ihrer "erhöhten Sichtbarkeit".

Die Bundesnetzagentur selbst äußert sich nur verhalten zu dem Bericht. Das 
Gutachten, sagt Behördenchef Jochen Homann, helfe immerhin, das Potenzial der 
Trassen "angemessen bewerten zu können". Wo immer es möglich sei, sollten 
Stromtrassen der Bahn in die Untersuchungen zum Netzausbau einbezogen werden. 
Schon heute versuchen Netzplaner, Leitungen vor allem entlang bestehender 
Infrastrukturen zu errichten. Den Netzbetreibern zufolge müssen neue Trassen 
mit einer Länge von rund 3800 Kilometern gebaut werden und bestehende mit einer 
Länge von rund 4000 km modernisiert werden. "Eine Mammutaufgabe", sagt auch 
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Zumindest gebe das Gutachten nun 
Hinweise, wie sich die Bahnstromtrassen einbeziehen lassen. "Es ist allerdings 
noch eine große Wegstrecke zu gehen", sagt Ramsauer.

Derweil zeichnen sich beim Ausbau der Windenergie zur See, deren Strom die 
neuen Leitungen irgendwann transportieren soll, Fortschritte ab. 
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Umweltminister Peter 
Altmaier (CDU) verständigten sich am Montag auf neue Haftungsregeln für 
Windparks, die nicht rechtzeitig ans Festland-Netz angebunden werden. Danach 
kann der zuständige Netzbetreiber einen Teil der Haftung auf die Stromkunden 
abwälzen, sofern er die Verzögerung nicht verschuldet hat. Derzeit sind viele 
dieser Projekte in Verzug, Investoren sind entsprechend zögerlich. Auch solle 
es künftig einen eigenen Plan für die Entwicklung des Stromnetzes zur See 
geben, vereinbarten die Minister. Fehlen dann nur noch die nötigen Leitungen an 
Land. 

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