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11.08.2016 

Landwirtschaft bedroht Artenvielfalt mehr als der Klimawandel

Brisbane (dpa) - Die weltweite Artenvielfalt ist derzeit weniger von
Klimaveränderungen als von altbekannten Gefahren wie der Übernutzung von
Ressourcen und der Landwirtschaft bedroht. Das betonen Wissenschaftler in
einem Beitrag [1] im Fachjournal "Nature". Die Fokussierung auf den
Klimawandel könne dazu führen, dass Prioritäten beim Artenschutz falsch
gesetzt werden, befürchten sie. Die Wissenschaftler um Sean Maxwell von der
University of Queensland in Brisbane (Australien) hatten fast 8.700 Spezies
in ihre Analyse einbezogen, die auf der Roten Liste bedrohter Arten der
Weltnaturschutzunion (IUCN) stehen. Sie stellten fest, dass 72 Prozent von
ihnen durch die Übernutzung von Ressourcen bedroht sind.

Diese betreffe entweder die jeweilige Art selbst oder Teile ihres
Lebensraums. So seien allein mehr als 4.000 Spezies durch Waldrodungen
bedroht, schreiben die Forscher. Beispielhaft werden der Tropenvogel
Borneowolltimalie (Ptilocichla leucogrammica), die indische
Nikobaren-Spitzmaus (Crocidura nicobarica) und die Stumpfnasenaffen
(Rhinopithecus) aus Myanmar genannt.

Der zweitwichtigste Faktor sei die Landwirtschaft, die 62 Prozent der
einbezogenen Arten treffe, so die Wissenschaftler. Allein der Getreideanbau
gefährde 4.600 Arten wie die Fresno-Kängururatte (Dipodomys nitratoides) und
den Afrikanischen Wildhund (Lycaon pictus), weil die dafür genutzten Flächen
als Lebensraum verlorengingen. An dritter Stelle stehe die Urbanisierung.

Mehr als 2.700 Arten sind der Auswertung zufolge zudem direkt bedroht, weil
sie gejagt, gefischt oder für die Tierhaltung gefangen werden - so zum
Beispiel das Sumatra-Nashorn (Dicerorhinus sumatrensis), der Westliche
Gorilla (Gorilla gorilla) und das Chinesische Schuppentier (Manis
pentadactyla). Grundsätzlich spielten bei den meisten untersuchten Spezies
mehrere Faktoren eine Rolle.

Mit Blick auf den Weltnaturschutzkongress der IUCN auf Hawaii im September
appelliert das Forscherteam an die Verantwortlichen, sich beim Thema
Naturschutz nicht nur auf Klimafragen zu konzentrieren. Der Klimawandel
könne zwar künftig eine große Gefahr für die Artenvielfalt darstellen,
dringlicher sei es aber momentan, die "alten Feinde" zu bekämpfen.

James Watson von der University of Queensland, Koautor des
"Nature"-Beitrags, erklärt in einer Mitteilung der Wildlife Conservation
Society (WCS): "Schutzzonen, die Durchsetzung von Jagdregulationen und der
Aufbau einer Landwirtschaft, die bedrohten Arten ein gleichzeitiges
Überleben ermöglichen - all das spielt eine große Rolle, wenn es darum geht,
die Artenvielfalt zu erhalten."

Die Aufrechterhaltung einer intakten Fauna und Flora könne dann helfen,
künftige Gefahren durch den Klimawandel zu entschärfen. Momentan ständen
Gefährdungen hierdurch allerdings erst an siebter Stelle der Ursachenliste -
19 Prozent der untersuchten Arten sind betroffen.

Übernutzung spielt nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz
Deutschland (BUND) als Gefährdungsursache nicht die größte Rolle in
Deutschland. Größte Probleme seien die industrialisierte Land- und
Forstwirtschaft, die Flächenbebauung und fehlende Verbindungen zwischen den
verbliebenen Lebensräumen. "Besonders gefährlich für die Arten sind die
großflächigen Monokulturen und der Einsatz von Pestiziden - Strukturen, die
durch EU-Agrarsubventionen noch gefördert werden", so Dennis Klein vom BUND.
Gefährdet seien dadurch etwa Vögel wie Kiebitz und Feldlerche, Säuger wie
Wildkatze und Feldhamster und viele Insekten wie Schmetterlinge und
Wildbienen.

"Landnutzung ist mit Abstand der wichtigste Faktor für den weltweiten
Rückgang der Artenvielfalt", meint auch Wolfgang Lucht vom Potsdam-Institut
für Klimafolgenforschung (PIK). "Die Auswirkungen des Klimawandels werden
jedoch rasch zu jenen der Landnutzung aufholen", prognostiziert der
Ko-Leiter des PIK-Bereichs Erdsystemanalyse. "Gemeinsam werden sie zu einem
tödlichen Cocktail, dem vorausblickende Politik begegnen muss." Es müsse
stets auf die gesamte Erde geachtet werden. So dürfe Klimaschutz die
Biosphäre nicht schädigen, etwa durch zu große Biomasse-Plantagen. In
Deutschland liege der Flächenneuverbrauch mit etwa 70 Hektar pro Tag mehr
als doppelt so hoch wie das von der Bundesregierung für 2020 anvisierte
Ziel.

Für Klimaforscher Hans von Storch vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht ist es
eine politische Entscheidung, worauf Prioritäten gesetzt werden. "Als
Wissenschaftler kann ich keine Antwort geben. Es ist eine Frage der
Themengewichtung und das ist keine wissenschaftliche Frage sondern eine
politische", sagte er - und auch eine Frage für jeden Bürger.

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[1] http://www.nature.com/news/1.20381 




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