Der Tagesspiegel

http://www.tagesspiegel.de/20482870.html

 

21.10.2017

 

Höchste Zeit, die Carsharing-Raser auszubremsen

 

Wer Gas gibt, spart Geld: Das Geschäftsmodell vieler Carsharing-Unternehmen
animiert zum rücksichtslosen Fahren. Daran muss sich schleunigst etwas
ändern - ein Kommentar 

 

VON LARS SPANNAGEL

 

Von Null auf 100 in 7,8 Sekunden, 210 Kilometer pro Stunde
Spitzengeschwindigkeit, 136 PS. „Wer kann dem wendigen Kleinen bitte
widerstehen?“, lautet die Frage im Werbetext auf der Homepage. „Niemand!“,
folgt die Antwort. „Darum schnapp ihn dir gleich und freu dich auf jede
Kurve!“ 

 

Was da besungen wird, ist kein neues Sportwagenmodell, sondern die
vermeintliche Zukunft unserer urbanen, umweltfreundlichen Mobilität. Die
großen Carsharing-Unternehmen bewerben die Fahrzeuge ihrer in Deutschland
stetig wachsenden Flotten auch gerne mit Adjektiven wie „dynamisch,
spritzig, agil, sportlich“. Den meisten Berliner Verkehrsteilnehmern fallen
in diesem Zusammenhang allerdings eher Begriffe wie „rücksichtslos,
unverantwortlich und gefährlich“ ein. Viele Fahrer fühlen sich anscheinend
automatisch zum Rasen verpflichtet, sobald sie in einem der schicken,
schnellen, modernen Leihwagen sitzen. Es wird Zeit, diese Entwicklung
auszubremsen. 

 

Bei Unfällen mit Carsharing-Autos gab es schon Schwerverletzte und Tote

 

Immer wieder gibt es schwere Unfälle mit Carsharing-Wagen, erst am
vergangenen Wochenende verlor ein junger Mann - 21 Jahre alt, laut Polizei
mit 1,3 Promille unterwegs - in Wilmersdorf die Kontrolle über seinen Mini.
Das Auto ist Schrott, die Insassen kamen zum Glück ohne ernsthafte Blessuren
davon. Bei Unfällen mit Carsharing-Autos gab es aber auch schon
Schwerverletzte und Tote
<http://www.tagesspiegel.de/berlin/nach-unfall-in-berlin-mitte-polizei-ermit
telt-18-jaehrigen-als-mutmasslichen-todesfahrer/20213158.html> . Was als
grüne Alternative zum eigenen Pkw gedacht war, scheint sich besonders für
Fahranfänger zu einer Art Einstiegsdroge ins Verkehrsrowdytum zu entwickeln.
Da freut man sich gerade noch so schön auf die nächste Kurve - und landet
schon in der Leitplanke. 

 

Das zeitbasierte Geschäftsmodell der Anbieter wirkt dabei zumindest als
Katalysator. Egal, ob der Preis für eine Minute Mietzeit nun 24 oder 31 Cent
beträgt, das Prinzip bleibt dasselbe: Wer schneller am Ziel ist, zahlt
weniger. Oder, drastischer formuliert: Wer rast, spart. Insofern ist der
Impuls, in einem Carsharing-Wagen schneller zu fahren als im Privatauto,
nachzuvollziehen. Im Taxi schaut man schließlich auch ständig auf das
Taxameter und wünscht sich, endlich da zu sein. Im Carsharing-Auto drückt
man in diesem Fall eben das Gaspedal durch.

 

Enthemmtes und gehetztes Autofahren ist gefährliches Autofahren

 

Zum permanenten Zeit- und Spardruck kommt noch hinzu, dass ein Mieter ein
weniger enges Verhältnis zu seinem Wagen hat als ein Besitzer, die
Hemmschwelle sinkt. Das scheint für Geschwindigkeitsüberschreitungen genauso
zu gelten wie für das Fahren unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen.

 

Die Gleichung ist einfach: Enthemmtes und gehetztes Autofahren ist
gefährliches Autofahren. Eine gesonderte Statistik führt die Berliner
Polizei zwar nicht über Unfälle mit Beteiligung von Carsharing-Autos, auch
bundesweit fehlen bislang belastbare Zahlen
<http://www.tagesspiegel.de/berlin/car2go-und-drive-now-motivieren-zeitbasie
rte-tarife-zum-rasen/20224314.html> . Viele Verkehrsteilnehmer - egal ob im
Auto, zu Fuß oder mit dem Fahrrad - berichten aber von höchst unerfreulichen
persönlichen Begegnungen. Im Internet hat sich sogar ein „Watchblog“
gegründet, der Berichte und Beschwerden über Carsharing-Vorfälle sammelt.
Die Frage ist nur: Wie stoppt man die Raserei? 

 

Die simpelste Lösung ist bereits auf Berlins Straßen zu besichtigen

 

Von alleine wird sich der Trend kaum umkehren. Der Elektroauto-Anbieter
Multicity stellt seinen Carsharing-Service kommende Woche ein
<http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/elektroauto-vermieter-hoert-auf-rueck
schlag-fuer-carsharing-inberlin/20408360.html> , die erfolgreichen
Konkurrenten Car2Go und DriveNow haben hingegen vermehrt größere und stärker
motorisierte Automodelle mit in die Flotte aufgenommen.

 

Eine Möglichkeit wäre, von der zeitbasierten Bezahlung wegzukommen, die
Autos nur stundenweise zu vermieten oder die gefahrene Strecke abzurechnen.
Dieses Modell gibt es bereits. Die Unternehmen könnten auffällig gewordene
Nutzer auch schlichtweg sperren, dafür müssten sie ihre Kundenprofile aber
mit der Verkehrssünder-Datei des Kraftfahrtbundesamt abgleichen, wovor auch
die Behörden noch zurückschrecken.

 

Die simpelste Lösung ist bereits auf Berlins Straßen zu besichtigen: Die
seit diesem Sommer nach dem Carsharing-Modell mietbaren Elektroroller sind
nicht nur umweltfreundlich, sondern auch bei einer Geschwindigkeit von 45
Kilometern pro Stunde abgeregelt. Wenn die Fahrer keine Hemmschwelle haben,
muss man sie eben in die Autos einbauen.

 

Autor: Lars Spannagel

 

 

 

 

° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° 

 

Ende der weitergeleiteten Nachricht. Alle Rechte bei den Autor*innen. 

Unverlangte und doppelte Zusendungen bitten wir zu entschuldigen! 

Abbestellen: mailto:greenho...@jpberlin.de?subject=unsubscribe 

 

° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° 

 

Greenhouse Infopool Berlin 

greenho...@jpberlin.de

 

via Twitter, Facebook, Mailingliste: 

http://twitter.com/greenhouse_info 

http://www.facebook.com/mika.latuschek 

http://listen.jpberlin.de/mailman/listinfo/greenhouse-info

 

via RSS-Feed: http://tinyurl.com/greenhouse-feed

... und filtern ("atom", "meer", "wald", ...) mit www.feedrinse.com/tour

 

Hosted by the political provider JPBerlin of Heinlein-Support

www.jpberlin.de

www.heinlein-support.de

 

 

_______________________________________________
Pressemeldungen mailing list
Pressemeldungen@lists.wikimedia.org
https://lists.wikimedia.org/mailman/listinfo/pressemeldungen

Antwort per Email an