ZDF https://www.zdf.de/nachrichten/heute/umweltschuetzer-drohen-shell-mit-sammelklage-100.html
04.04.2018 14:07 Uhr NIEDERLANDE Umweltschützer drohen Shell mit Klage Mit einer Handvoll Paragrafen gegen den Klimawandel: Die niederländische Umweltorganisation „Milieudefensie“ droht dem Öl-Multi Shell mit einer Sammelklage VON SHAKUNTALA BANERJEE „Shell weiß seit 60 Jahren, dass Öl und Gas große Klimaschäden verursachen. Trotzdem sagen sie: Wir müssen um jeden Preis neue Märkte erschließen“, erklärt Donald Pols, Direktor der Umweltschutzorganisation Milieudefensie. „Wir haben dabei lange genug zugesehen. Shell und andere Umweltverschmutzer müssen endlich handeln.“ Ultimatum gestellt Damit sie dies tun, setzt Milieudefensie auf eine neue Form des Drucks. Eine Sammelklage wollen sie anstrengen, wenn Shell ihre Forderungen nicht innerhalb von acht Wochen erfüllt. Ein Ultimatum der juristischen Art: Jeder Niederländer und jede Niederländerin können mitmachen, auf einer eigens eingerichteten Homepage. „Shell hat erst kürzlich angekündigt, auch künftig pro Jahr mehrere Milliarden in den Ausbau von Öl- und Gas-Anlagen und in die Erhaltung der dafür nötigen Infrastruktur zu investieren. Das bedeutet, dass Shell bis weit über das Jahr 2050 hinaus große Mengen Treibhausgase verursachen wird“, erläutert Roger Cox. Cox ist Anwalt, hat 2015 mit Milieudefensie in einem Prozess die niederländische Regierung bezwungen. Die ist seitdem gerichtlich dazu verpflichtet, den CO₂-Ausstoß der Niederlande zu reduzieren. Heute bereitet er den nächsten juristischen Paukenschlag vor. Die Grundlage: das Pariser Klimaabkommen und die darin festgehaltene Verpflichtung der Unterzeichnerstaaten, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Umweltschützer erhoffen sich Druck durch Aktionäre „Das niederländische Recht verpflichtet jeden dazu, Schäden - soweit sie vermeidbar sind - von anderen abzuwenden, wenn es in seiner Macht liegt“, erklärt Anwalt Roger Cox. „Natürlich liegt es nicht an Shell alleine, aber Shell kann einen beträchtlichen Anteil leisten.“ Zwei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen gingen auf das Konto von Shell, sagt er. Genug, um den Konzern vor Gericht haftbar zu machen. „Umweltschäden beim Verursacher spürbar machen ist ein absolut legitimes Motiv“, meint dazu Professor Reimund Schwarze vom Helmholtz-Institut für Umweltforschung in Leipzig. Zweifelhaft sei jedoch, ob es tatsächlich für eine Verurteilung von Shell reicht. Wer in welchem Umfang für den Klimawandel und seine Folgen verantwortlich sei, sei äußerst schwierig festzustellen und bisher noch nicht in wissenschaftlich fundierter Weise gelungen. Die Chancen, ein Unternehmen erfolgreich auf Schadenersatz zu verklagen, seien daher gering. Wirkung könnten solche Haftungsklagen dennoch zeigen: „Wenn es nur einen kleinen Erfolg im Gerichtssaal gibt, hätte es große wirtschaftliche Auswirkungen für die Unternehmen, denn ihre Aktienwerte und Kreditwürdigkeit würden dramatisch nach unten gehen.“ Shell soll seine Politik ans Klimaabkommen anpassen Ganz neu sind Haftungsklagen im Umweltschutz nicht. In Deutschland beschäftigt sich das Oberlandesgericht Hamm mit der Klage eines peruanischen Bauern gegen RWE, in den USA gleich mehrere Gerichte mit Klagen von Städten gegen Großkonzerne. Allen Klägern ist eines gemein: die Überzeugung, dass die, die auf Kosten des Weltklimas Geschäfte machen, finanziell an den Folgekosten beteiligt werden sollten. Die Niederländer gehen noch einen Schritt weiter: „Was unseren Fall einzigartig macht, ist, dass wir als erste Organisation weltweit von einem Unternehmen fordern, dass es seine künftige Politik ans internationale Klimaabkommen anpasst“, erklärt Donald Pols. Dafür geben die Umweltschützer dem Shell-Konzern acht Wochen. Gibt es in dieser Zeit keine handfesten Zugeständnisse, zieht Milieudefensie vor Gericht - und mit ihm alle Niederländer, die sich bis dahin der Sache angeschlossen haben. -------------------------------------------------------------------------- junge Welt https://www.jungewelt.de/artikel/330217.shell-droht-klima-klage.html 05.04.2018 Shell droht Klima-Klage Umweltschutzorganisation Friends of the Earth setzt Rohstoffkonzern Ultimatum zur Senkung von CO₂-Ausstoß VON CHRISTIAN SELZ, KAPSTADT Cabo Delgado ist Mosambiks nördlichste Provinz. Südlich der Grenze zu Tansania reiht sich hier ein von Palmen gesäumter Sandstrand an den nächsten. Vor der Küste liegen kleine Inseln, unter Wasser tummeln sich unzählige Fischarten über bunten Korallenriffen. Noch tiefer liegen allerdings Schätze, die der paradiesischen Schönheit bald ein Ende machen könnten: gigantische Gasvorkommen. Als maßgeblicher Ausbeuter der Ressourcen hat sich der niederländisch-britische Konzern Royal Dutch Shell bereits in Stellung gebracht. Doch dem Rohstoffriesen bläst der Wind ins Gesicht. Die Umweltschutzorganisation „Friends of the Earth“ (FOE) hat am gestrigen Mittwoch ein Schreiben in die Haager Unternehmenszentrale geschickt, in dem Shell zu einer Abkehr von der Förderung fossiler Brennstoffe aufgefordert wird. Innerhalb von acht Wochen soll der Konzern nun entsprechende Schritte einleiten, andernfalls will FOE in den Niederlanden offiziell Klage einreichen. „Gasförderung und Infrastruktur in der Provinz Cabo Delgado werden Leben und Lebensgrundlagen zerstören und zum Klimawandel beitragen, der den Planeten zerstört“, erklärte Anabela Lemos, Direktorin der mosambikanischen FOE-Mitgliedsorganisation Justiça Ambiental, am Mittwoch in einer Pressemitteilung. Neben den vorhersehbaren Umweltzerstörungen durch die geplante Gasförderung warnt ihre Organisation auch vor der Vertreibung Tausender Dorfbewohner im Zusammenhang mit den Großprojekten. „Wir brauchen stattdessen erneuerbare Energien im Besitz der Gemeinden“, sagt Lemos. Der Kampf, den Justiça Ambiental nun gemeinsam mit Friends of the Earth und Dutzenden weiteren Mitgliedsorganisationen in aller Welt aufgenommen hat, geht weit über den lokalen Widerstand gegen Naturzerstörung und die Entrechtung von Einheimischen hinaus. Stattdessen werfen die Umweltschützer Shell eine bewusste Beschleunigung des Klimawandels vor. „Shell weiß spätestens seit 1986, dass die Förderung von Öl, Gas und Kohle Klimawandel verursacht“, heißt es in einer ebenfalls gestern veröffentlichten Erklärung zu dem 20-seitigen Schreiben, dass dem Konzern zugestellt wurde. FOE beruft sich dabei auf einen internen Shell-Report aus demselben Jahr, in dem es demnach bereits hieß: „Es ist möglich, dass die Umwelt in einem derartigen Ausmaß geschädigt wird, dass einige Teile der Erde unbewohnbar werden könnten.“ Und der Fundus der Shell-Dokumente liefert noch weiteres Belastungsmaterial. So ist das Unternehmen für 1,8 Prozent des weltweit seit Beginn des Industriezeitalters zusätzlich ausgestoßenen Kohlendioxids verantwortlich, zudem hat es 2002 selbst errechnet, in jenem Jahr 3,6 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verursacht zu haben. Und während sich der Konzern öffentlich zwar gern zum Klimaschutz und den entsprechenden Zielen des Paris-Abkommens bekennt, läuft die Unternehmensstrategie auf das Gegenteil hinaus. 2007 selbst auferlegte Pläne zum Umbau des Konzerns mit Fokus auf erneuerbare Energien wurden zwei Jahre später schon wieder weitgehend ad acta gelegt, weil sich mit konventionellen Brennstoffen einfach höhere Profite erwirtschaften ließen. „Shells derzeitige Linie ist auf Kollisionskurs mit dem Paris-Abkommen“, sagt deshalb auch der Anwalt Roger Cox, der den Fall für die niederländische FOE-Mitgliedsorganisation Milieudefensie vorantreibt. Er sieht den Multi in einer rechtlichen Verantwortung, sein Handeln an den Klimazielen auszurichten. „Es scheint, als würde Shell die Klimaschäden, die das Unternehmen anrichtet, als furchtbares, aber notwendiges Übel ansehen. Das Gesetz steht dieser Sicht aber entgegen“, argumentiert Cox. Er wirft dem Konzern „gefährliche Fahrlässigkeit“ vor, nach niederländischem Recht ein Gesetzesverstoß, weil Shell zwar um die Klimafolgen seines Handelns wisse, aber keine Präventivmaßnahmen ergreift, um unnötige Schäden abzuwenden. Anwalt Cox und Milieudefensie/FOE sind dabei im Hause der „königlich-niederländischen“ Shell keinesfalls Unbekannte. Bereits 2008 brachten sie in Den Haag eine Entschädigungsklage im Namen von vier nigerianischen Bauern auf den Weg, deren Ackerland durch von Shell zu verantwortende Ölverschmutzungen im Niger-Delta zerstört worden war. In dem langwierigen Verfahren verzeichneten sie auch bereits einige Teilerfolge, 2015 stellte ein niederländisches Gericht zudem grundsätzlich fest, dass gegen Shell in den Niederlanden prozessiert werden kann. Der jetzige Versuch, den Konzern zu einer Strategieänderung zu zwingen, geht jedoch noch mehrere Schritte weiter. Etwas Besonderes ist die Klage vor allem, weil FOE von Shell nun keinerlei Kompensation verlangt, sondern eine Verpflichtung zur Einhaltung von Klimazielen fordert. Will der Konzern die Klageerhebung abwenden, müsste er sich verpflichten, die Förderung fossiler Brennstoffe sukzessive zurückzufahren und seine CO₂-Emissionen bis zum Jahr 2050 auf null zu senken. Die Chancen, dass das Unternehmen dies einfach so tut, sind freilich gering. Doch FOE und Milieudefensie haben bereits am Beispiel des Niger-Deltas gezeigt, dass der Kampf David gegen Goliath durchaus seine Berechtigung hat. ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° Ende der weitergeleiteten Nachricht. Alle Rechte bei den Autor*innen. Unverlangte und doppelte Zusendungen bitten wir zu entschuldigen! 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