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„Jetzt Job fürs Volk wagen! Mach, was wirklich zählt“

 

31. Mai 2019 - Florian Rötzer

 

Die Bundeswehr warb mit Wortspielereien nach Entlassungsankündigungen bei
Ford und Volkswagen. Die Bundesregierung findet die umstrittene Kampagne
„effizient“

 

Im März kündigte Volkswagen an, weitere 7000 Stellen abzubauen, im
Wesentlichen in Wolfsburg. Ford zog nach und kündigte den Abbau von 5000
Stellen in Deutschland in Köln, Saarlouis und Aachen an. Offenbar sahen die
PR-Strategen der Bundeswehr die Chance, den Menschen, die von Entlassung
bedroht sind, die Alternative eines Jobs bei der Bundeswehr vorzugaukeln
oder einfach ein bisschen Aufmerksamkeit durch Wortspiele zu erzeugen. In
Köln hieß der Slogan „Job Fort? Mach, was wirklich zählt.“ In Wolfsburg:
„Jetzt Job fürs Volk wagen! Mach, was wirklich zählt.“ Oder auch auf
Facebook: „Bereit für einen Spurwechsel? Vom Autobauer zur Bundeswehr!“

 

Da denkt man vielleicht auch an den Slogan der alten Friedensbewegung, aus
Kanonen Pflugscharen zu machen, stolpert aber gleich schon mal über die
Behauptung, dass das, was zählt, in der Bundeswehr, jedenfalls nicht in der
Industrie gemacht wird, in der mitunter auch das hergestellt wird, was die
Bundeswehr benötigt, um auszuführen, was angeblich wirklich zählt.

 

Die Linke verweist darauf, dass die Kampagne bei den Betroffenen oder beim
Betriebsrat Proteste ausgelöst habe, sie sei als „zynisch und geschmacklos“
bezeichnet worden. Auch beim Bundeswehrverband war man nicht angetan [1].
Vor der Werbeaktion habe zwischen der Leitung von Ford und der Leitungsebene
des Bundesverteidigungsministeriums Kontakt gegeben: „Dringende Bitten, die
Kampagne zu unterlassen, um die Beschäftigten nicht zusätzlich zu
verunsichern, wurden seitens des Ministeriums ignoriert.“

 

Tobias Pflüger und andere Abgeordnete der Linksfraktion sahen sich
veranlasst, deswegen eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen
(BT-Drucksache 19/9694). Die werden gerne als lästige Interventionen mit
vorgefertigten Hülsen pariert. Das offenbart aber, wie in der Antwort der
Bundesregierung vom 28. Mai dieses Mal, doch auch einen gewissen Einblick in
die Denke.

 

Nachdem die Wehrpflicht, so heißt es in der Vorbemerkung, seit sieben Jahren
beendet sei, müsse die Bundeswehr wie jeder Arbeitgeber „Maßnahmen der
Personalwerbung“ ergreifen. Dabei werde ein „Bild von der Vielfalt der
attraktiven beruflichen Möglichkeiten und Perspektiven“ aufgezeigt. Und es
gebe da die „Arbeitgebermarke“, also „Mach, was wirklich zählt“, womit junge
Interessenten „unter den Aspekten Sinnstiftung und Qualifizierung“
angesprochen werden sollen. Und schließlich würde die Bundeswehr auch
ausgebildetem, also älterem Personal der Autohersteller „krisenfeste Jobs
und sichere Perspektiven“, das die Bundeswehr bislang nicht als Arbeitgeber
wahrgenommen hätte.

 

Für Arbeitslose eine „attraktive und krisensichere Perspektive“

 

In den sozialen Netzwerken seien „neben Kritik auch sehr viele positive
Rückmeldungen ... eingegangen“. Gekostet habe die Kampagne ca. 18.000 Euro.
Zum Thema Geschmacklosigkeit will sich die Bundesregierung nicht äußern. Man
werte „keine derartigen Meinungsäußerungen“, die Bundeswehr wollte niemanden
beleidigen, sondern Betroffenen eben eine „attraktive und krisensichere
Perspektive“ bieten. Dass eine Tätigkeit bei der Bundeswehr, die zunehmend
auf Auslandseinsätze ausgerichtet ist, für den Einzelnen keineswegs nur
attraktiv und krisensicher ist, wird natürlich ebenso wenig erwähnt wie
irgendein Hinweis darauf, was denn eigentlich wirklich zählt. Man will auf
der einen Seite ein ganz normaler Arbeitgeber sein, aber dann doch auch
wieder ein ganz besonderer.

 

Die Bundesregierung, hier Peter Tauber bzw. dessen Büro, war jedenfalls sehr
zufrieden mit der crossmedialen Kampagne: „Angesichts eines durch
Fachkräftemangel gekennzeichneten Arbeitsmarktes“ müsse Werbung „auffallen“.
Und das sei - man muss sagen mit Geschmacklosigkeit - gelungen, schließlich
habe eine „erhebliche Resonanz auf die Werbeaktion erzeugt“ werden können.

 

Der Vorwurf der Geschmacklosigkeit, Beleidigung und Respektlosigkeit
(„billige Menschenfängerei“) kommt daher, dass die Bundeswehr - eine
staatliche Institution - die Not der Betroffenen ausnützen wollte, indem die
Kampagne nicht nur in sozialen Netzwerken, sondern provozierend vor den
Werkstoren mit Ausstellungsleinwänden stattfand. Auch auf die Kritik des
NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet, der die Kampagne als „geschmacklos
und nicht akzeptabel“ bezeichnete und erklärte, er habe auch von der
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen gefordert, diese zu
stoppen, ging die Bundesregierung nicht ein. Ebenso nicht auf die von
Geschäftsführung und Betriebsrat von Ford, bestätigt wurden aber Kontakte,
in denen über Probleme gesprochen wurde, Leitungsbüros des
Bundesverteidigungsministeriums waren informiert. Man habe dann „nach
sorgfältiger Abwägung aller Interessen und einer finalen Leistungsentscheid“
die Kampagne durchgeführt. Es habe eh keinen Protest seitens der
Hauptstadtpräsenz von Ford gegeben, sondern nur eine Bitte, die Kampagne um
eine Woche zu verschieben, was aber ohne „hohe Kostenverluste“ nicht möglich
gewesen sei. Bei Ford war man stinkesauer, offenbar hat Ford jeden Kontakt
seitdem abgebrochen.

 

Die Bundesregierung berichtet, dass eine „personalwerbliche Maßnahme“
bereits im Oktober 2017 durchgeführt worden sei, als Air Berlin Pleite ging.
Man will das weitermachen, könne aber noch nicht sagen, welches Unternehmen
Stellen abbaue. Informationen darüber beziehe aus den Medien: „Die
Bundeswehr nimmt die Berichterstattung der Medien in ihrer Vielfalt bewusst
wahr“, heißt es schön, „und wertet die hier übermittelten Informationen
regelmäßig aus.“

 

Tobias Pflüger [2], Verteidigungspolitischer Sprecher der Linksfraktion im
Bundestag, schreibt:

 

  --Die Bundesregierung duckt sich weg und weigert sich, auf die massive
Kritik von Belegschaft, Unternehmen, Medien und Politik an den misslungenen
und geschmacklosen Werbekampagnen bei Ford Köln und Volkswagen Wolfsburg
auch nur einzugehen. Wir bleiben bei unserer Kritik: Wenn Beschäftigte ihre
Arbeitsplätze verlieren, dann ist es nicht Aufgabe von staatlichen Stellen
wie der Bundeswehr, sich mit vermeintlich witzigen Sprüchen wie „Job Fort?
Mach, was wirklich zählt.“ darüber lustig zu machen. Die Bundeswehr verhöhnt
mit solchen Werbekampagnen die Menschen, die ihre Jobs verlieren. Es ist
einfach unfassbar, wie die Bundeswehr im Vorfeld alle Bedenken von Ford
ignoriert hat. Die Bundeswehr hat den Autobauer regelrecht gegen die Wand
fahren lassen. Es ist mehr als verständlich, dass das Personalmanagement
nach dieser rücksichtslosen Werbeaktion den Kontakt zur Bundeswehr
abgebrochen hat. Jetzt muss Ursula von der Leyen Stellung beziehen. Die
‚Trendwende Personal‘ ist eines ihrer zentralen Projekte. Die Öffentlichkeit
hat ein Recht darauf zu erfahren, ob es die neue Masche der Bundeswehr ist,
Unternehmen in der Krise abzugrasen und die Ängste der Beschäftigten für
Rekrutierungskampagnen auszunutzen. Ursula von der Leyen muss diese Praxis
sofort stoppen.--

  Tobias Pflüger 

 

Nicht beantworten wollte die Bundesregierung die Frage, ob der Spruch „Job
Fort?“ witzig sei. Diese Bewertung stamme nicht von der Bundesregierung „und
wird daher von der Bundesregierung nicht weiter kommentiert“. Man hält sich
lieber in der Blase auf.

 

Links in diesem Artikel:

 

[1]
https://www.dbwv.de/aktuelle-themen/aus-dem-verband/beitrag/news/angemerkt-m
ai-gedanken-zur-bundeswehr-werbung/ 

[2] https://www.tobias-pflueger.de/ 

 

 

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