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https://www.klimareporter.de/gesellschaft/null-co-ist-das-ziel 

 

07. August 2019 

 

Null CO2 ist das Ziel 

 

Marcel Hänggi ist Initiator der Schweizer "Gletscher-Initiative". Sie will per 
Volksabstimmung die eidgenössische Verfassung ergänzen und so das Ende der 
fossilen Energien bis 2050 festschreiben. Das könnte klappen – und wäre ein 
starkes Signal für konsequenten Klimaschutz in Europa.

 

von Bernward Janzing

 

Es war nach der Pariser Klimakonferenz 
<https://www.klimareporter.de/tag/cop-21-paris> , als er die Seiten wechselte. 
Marcel Hänggi war 2015 als Journalist in die französische Hauptstadt gereist 
und kam, wie so viele, nach der Konferenz "beschwingt zurück", wie er heute 
erzählt. Dennoch – oder gerade deswegen – verspürte er in der Zeit danach 
zunehmend den Drang, sich persönlich zu 
<https://www.klimafakten.de/meldung/ich-hatte-die-nase-voll-davon-immer-nur-zu-schreiben-was-man-tun-muesste>
  verändern: "Ich hatte die Nase voll, nur noch zu schreiben, was man tun soll, 
ich wollte selbst etwas tun." Und so wandelte er sich schließlich vom 
Journalisten zum Aktivisten.

 

Als Schweizer hatte er, was sein neues Engagement betraf, einen unschätzbaren 
Vorteil: Im Musterland der Basisdemokratie können sich alle Bürger jederzeit in 
die Gesetzgebung einbringen. Man muss nur eine Volksinitiative 
<https://de.wikipedia.org/wiki/Volksinitiative_(Schweiz)>  starten, die bei 
einer ausreichenden Anzahl von Unterschriften in einer Volksabstimmung mündet.

 

Noch geprägt von den frischen Eindrücken aus Paris startete Hänggi daher die  
<https://gletscher-initiative.ch/> "Gletscher-Initiative". Der Name lag für ihn 
auf der Hand, schließlich sei der Gletscherschwund das "Mahnmal für die 
Klimakrise".

 

Im August vergangenen Jahres gründete der Zürcher zusammen mit rund 100 anderen 
Bürgern den Verein Klimaschutz Schweiz. Seit Mai sammelt dieser nun 
Unterschriften. 100.000 müssen binnen 18 Monaten zusammenkommen, was in diesem 
Fall wohl keine große Hürde ist: Knapp drei Monate nach dem Start liegen 
bereits 90.000 Signaturen vor.

 

Zwar braucht anschließend alles seine Zeit, weil Regierung und Parlament noch 
über die Volksinitiative beraten, um dann Gegenvorschläge oder Empfehlungen zu 
unterbreiten. So kommt es zumeist erst drei bis vier Jahre später zur 
Abstimmung. Doch nimmt das Volk die Initiative dann mehrheitlich an, schafft 
das Ergebnis andererseits eine unschlagbare Verbindlichkeit – weil ein 
Volksvotum eben nicht so leicht revidiert werden kann wie eine 
Parlamentsentscheidung nach einer Veränderung der Mehrheitsverhältnisse.

 

Die Gletscher-Initiative hat das Ziel, den Klimaschutz in der schweizerischen 
Verfassung zu verankern und die CO2-Emissionen im Land bis 2050 auf null zu 
senken. Passend dazu präsentierte Hänggi zum Start der Kampagne sein neues 
Buch: "Null Öl. Null Gas. Null Kohle."

 

Reichlich Unterstützer aus allen politischen Lagern

 

Ortstermin Anfang Mai in einer Buchhandlung in Basel, Greenpeace ist als 
Mitveranstalter im Boot: Hänggi schildert die Dramatik des Klimawandels, mahnt 
an, umzusteuern, wirbt für die Gletscher-Initiative. Er ist ein bodenständiger 
Mensch. "Ich halte Vorträge, Hühner und Schafe", sagt er augenzwinkernd.

 

Hänggi ist Historiker und Germanist <http://www.mhaenggi.ch/uumlber-mich.html>  
und sattelt aktuell auf sein Studium noch die Ausbildung zum Gymnasiallehrer 
auf. So wird er im Geschichtsunterricht wohl bald auch auf die Chancen der 
direkten Demokratie in der Schweiz eingehen können.

 

In der Buchhandlung an diesem frühsommerlichen Abend fällt vor allem eines auf: 
Das Publikum hat sich gewandelt. Wohl auch beflügelt durch die 
Klimastreik-Bewegung <https://de.wikipedia.org/wiki/Fridays_for_Future#Schweiz> 
 sitzen inzwischen wieder viele junge Menschen im Zuhörerraum. Lange Zeit haben 
sie gefehlt, wenn es auf den Podien um Umweltthemen ging. Und so ist die 
Buchhandlung gut besucht bei dieser Lesung.

 

Zumal die Gletscher-Initiative positive Resonanz aus den unterschiedlichen 
politischen Lagern erhält: "Nicht nur von Linken, auch aus der Mitte und sogar 
aus dem rechten Spektrum kommt Unterstützung", sagt Hänggi, "das hatten wir so 
nicht erwartet".

 

Mancher Schweizer dürfte auch aufgrund ökonomischer Überlegungen den Ausstieg 
aus Kohle, Öl und Gas propagieren. Schließlich geben die Eidgenossen im Jahr 16 
Milliarden Franken für die fossilen Energien aus – Geld, das somit aus dem Land 
abfließt.

 

Natürlich steht auch die Branche der Erneuerbaren hinter Hänggis Initiative. 
"Das Abschmelzen der Gletscher 
<https://www.klimareporter.de/erdsystem/ohne-klimaschutz-haben-alpengletscher-keine-chance>
  ist ein Alarmsignal: Wenn wir nicht sofort Maßnahmen ergreifen, um die 
Klimaerwärmung zu stoppen, werden unsere Existenzgrundlagen irreversibel 
geschädigt" schreibt der Windverband Suisse Eole. "Konkrete Maßnahmen sind 
notwendig, um die CO2-Emissionen in der Schweiz zu senken", sagt Isabelle 
Chevalley <https://twitter.com/i_chevalley?lang=fr> , Präsidentin des Verbands 
und Unterstützerin der Gletscher-Initiative.

 

Verkehr vermeiden statt Antrieb auswechseln

 

Die Forderungen der Initiative sind unmissverständlich. Der entscheidende 
Artikel, der bei mehrheitlicher Zustimmung des Volkes Teil der Schweizer 
Verfassung würde, lautet: "Ab 2050 werden in der Schweiz keine fossilen Brenn- 
und Treibstoffe mehr in Verkehr gebracht. Ausnahmen sind zulässig für technisch 
nicht substituierbare Anwendungen, soweit sichere Treibhausgassenken im Inland 
die dadurch verursachte Wirkung auf das Klima dauerhaft ausgleichen."

 

Als Artikel 74a soll dieser Absatz künftig geführt werden. Es wäre, sagt 
Hänggi, "ein unmissverständliches Signal an alle Investoren".

 

Definiert wären damit allerdings nur die Ziele – über die Instrumente müssten 
Politik und Gesellschaft anschließend erst noch beraten. Hänggi selbst hat sich 
schon viele Gedanken darüber gemacht, auf welchem Weg ein Land am besten zur 
CO2-Neutralität kommt.

 

Zur Frage etwa, ob man für den Klimaschutz eher das Ordnungsrecht wählt, also 
im Extremfall Verbote erlässt, oder ob man ökonomisch vorgeht und durch 
Umweltabgaben klimafreundliches Verhalten attraktiv macht. "Ohne die 
Ordnungspolitik geht es nicht", ist sich der 50-Jährige sicher.

 

Natürlich sei auch die Lenkungsabgabe 
<https://www.ezv.admin.ch/ezv/de/home/information-firmen/steuern-und-abgaben/einfuhr-in-die-schweiz/lenkungsabgabe-auf-co.html>
  nicht schlecht, mit der die Schweiz fossile Energieträger verteuert, sie habe 
aber Grenzen: Zum Beispiel könnten Mieter die Heizung nicht austauschen, 
bezahlten aber die höheren Energiekosten. "Das heißt: Hier muss ein Verbot 
neuer Ölheizungen her."

 

Im Verkehr nimmt der Umweltaktivist unterdessen vor allem die Raumplanung in 
die Pflicht. "Eine Antriebsenergie durch eine andere zu ersetzen, das alleine 
reicht nicht." Denn Verkehr habe viel mit den Strukturen zu tun: "Die Menschen 
pendeln ja nicht 50 oder 100 Kilometer, weil sie das gerne tun, sondern weil 
der Arbeitsplatz und die Wohnung so weit auseinander liegen."

 

Beides müsse daher wieder stärker zusammenrücken, eine  
<https://de.wikipedia.org/wiki/Stadt_der_kurzen_Wege> "Stadt der kurzen Wege" 
sei nötig. Die Auswirkung der Raumplanung auf den Energieverbrauch werde 
bislang viel zu wenig diskutiert.

 

Es sei an der Zeit, das Auto aus den Städten zurückzudrängen, sagt Hänggi. Die 
Menschen merkten dann schnell, dass solche Verbote zu mehr Lebensqualität 
führen – "obwohl Verbote ja immer verpönt sind". Bestes Beispiel sei 
Kopenhagen, wo stattdessen das Fahrrad massiv an Bedeutung gewonnen 
<https://www.klimareporter.de/verkehr/das-fahrrad-im-mittelpunkt>  habe: "Die 
Stadt ist deutlich schöner geworden." Das gelte es den Menschen zu vermitteln, 
um den Wandel als etwas Positives begreifbar zu machen.

 

Ein Verfassungsartikel ist noch kein Gesetz

 

Am einfachsten wäre dem Klimaschutz gedient, würden CO2-Emissionen nicht auch 
noch mit Staatsgeld befördert. "Jegliche Subventionierung fossiler 
Energiequellen, direkt oder indirekt, durch Staaten und internationale 
Organisationen ist einzustellen", schrieb Hänggi bereits im Jahr 2008 in seinem 
Buch 
<http://www.klimaretter.info/meinungen/rezension/3550-klimakritik-von-rechts-und-von-links>
  "Wir Schwätzer im Treibhaus – warum die Klimapolitik versagt".

 

Theoretisch sehen das zwar auch die weltweiten Organisationen längst ein; die 
G20-Länder verpflichteten sich bereits 2009 in Pittsburgh 
<http://www.klimaretter.info/politik/hintergrund/3931-g20-gipfel-2009-stillstand-in-pittsburgh>
  dazu, "ineffiziente Subventionen, die den verschwenderischen Umgang mit 
fossilen Brennstoffen fördern, zu rationalisieren und stufenweise ganz 
abzubauen".

 

Die Praxis ist aber nach wie vor eine andere, wie alljährlich im Herbst der 
World Energy Outlook der Internationalen Energieagentur belegt. Die Horrorzahl 
des jüngsten Berichts 
<https://www.klimareporter.de/international/iea-prognose-energiebedarf-waechst-weltweit>
 : Weltweit wurden im vergangenen Jahr 400 Milliarden Dollar an Subventionen 
für fossile Energien bezahlt.

 

In der Schweiz immerhin, sagt Hänggi, sei die direkte Förderung der Fossilen 
nicht das große Thema. Weit verbreitet aber sei die indirekte Subventionierung 
– vor allem, indem Umweltschäden nicht von den Verursachern, also den 
Verbrauchern fossiler Energien bezahlt werden müssen, sondern von der 
Allgemeinheit. Mit einem Ende der Fossilen im Jahr 2050 hätte sich auch diese 
Subventionierung erledigt.

 

Ob der neue Verfassungsartikel nun kommt, werden allein die Bürger entscheiden. 
Doch so attraktiv die politischen Gestaltungsmöglichkeiten für die Schweizer 
Bevölkerung durch die Volksabstimmungen auch sind, in einem anderen Punkt, so 
Hänggi, sei wiederum das politische System in Deutschland von Vorteil: In der 
Schweiz gibt es kein Bundesverfassungsgericht 
<https://de.wikipedia.org/wiki/Verfassungsgerichtsbarkeit#Schweiz> .

 

Die Folgen malt der Aktivist aus: "Es könnte passieren, dass das 
Null-Emissions-Ziel zwar von den Bürgern angenommen wird und damit in die 
Verfassung kommt, dass dann die Regierung und das Parlament aber die nötigen 
Gesetze verschleppen."

 

Das bedeute dann, "am Ende doch wieder politische Lobbyarbeit zu machen, um 
Parlamentarier zu überzeugen". Die Arbeit wird den Klimaschützern also wohl 
auch dann nicht ausgehen, wenn die Schweizer die Gletscher-Initiative annehmen. 
Aber ein starkes Signal wäre ein solches Votum zweifellos.

 

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Klimaschutz in der Schweiz

 

Die Schweiz will ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 um 50 
Prozent senken. Das entschied sie 
<http://klimadiplomatie.de/news/113-die-schweiz-meldet-klimaziel-fuer-2030>  im 
Vorfeld der Pariser Klimakonferenz. Allerdings will das Land zulassen, dass bis 
zu 20 Prozentpunkte aus Projekten im 
<http://www.klimaretter.info/politik/hintergrund/24014-schweiz-macht-klimaschutz-im-ausland>
  Ausland angerechnet werden können. Die heimische Reduktion könnte daher mit 
nur 30 Prozent eher spärlich ausfallen.

 

Aber selbst wenn man nur diese 30 Prozent im Blick hat, ist der Weg noch weit. 
Zwischen 1990 und 2017 hat die Schweiz ihren Ausstoß von Treibhausgasen 
lediglich um zwölf Prozent gesenkt. Die Entwicklung lief in den Sektoren sehr 
unterschiedlich. Im Verkehr lagen die Emissionen 2017 sogar um ein Prozent über 
dem Niveau von 1990, in den Sektoren Gebäude und Industrie konnten sie hingegen 
um 26 beziehungsweise 18 Prozent gesenkt werden.

 

Die in der Schweiz im Jahr 2017 in die Atmosphäre ausgestoßene Menge an 
Treibhausgasen betrug 47,2 Millionen Tonnen CO 
<http://www.klimaretter.info/tipps-klima-lexikon/10978-kohlendioxidaequivalent-co2-aequivalent>
 2-Äquivalent (ohne den internationalen Flug- und Schiffsverkehr). Das 
entspricht 5,6 Tonnen pro Kopf.

 

Die Schweiz weist zusätzlich auch die durch Importgüter 
<https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_CO2-Emission#Verzerrung_durch_Export_und_Import>
  im Ausland verursachten Emissionen aus und kommt dann in der Summe auf einen 
Pro-Kopf-Wert von 14 
<http://www.klimaretter.info/forschung/nachricht/16712-europas-klimabilanz-schlechter-als-gedacht>
  Tonnen.

 

Im Mai 2017 wurde die Energiestrategie 2050 in einer nationalen Volksabstimmung 
angenommen <https://www.klimaretter.info/politik/hintergrund/23163-doris-sieg> 
. Die Strategie ist weniger eine Zielvorgabe als vielmehr ein Maßnahmenpaket 
für mehr Energieeffizienz, die Senkung von CO2-Emissionen und die Förderung 
erneuerbarer Energien. (bj)

 

 

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