Luzerner Zeitung
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10.03.2021

Stadtentwicklung: Smart, aber kaum nachhaltig

Dieter Geissbühler

«Keine Strassen, dafür ausgeklügelte Röhrensysteme: So sieht die Stadt der 
Zukunft aus», dies war der Titel eines Artikels über zwei neue sogenannte 
Smart-Citys im St.Galler Tagblatt vom 27. Februar 2021. Der Artikel beschäftigt 
sich fundiert mit bestehenden Grossprojekten für stark technisierte, CO₂-freie 
Städten der Zukunft - Planstädte, die von Grund auf neu gebaut werden.

Die durchgeplante Stadt ist kein neues Phänomen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts 
zum Beispiel wurde 50 Kilometer nördlich von London die erste Gartenstadt, 
Letchworth Garden City, gebaut. Doch selbst hier, wo eigentlich der Mensch ins 
Zentrum gestellt werden sollte, zeigte sich: Letztlich geht es bei Planstädten 
immer um eine Effizienzsteigerung städtischer Strukturen, die fast 
ausschliesslich auf technologischen Fortschritt ausgerichtet ist.

CO₂-Neutralität, die viel CO₂ braucht

Heute wird für die aktuellen Modelle die CO₂-Neutralität mit immensem Aufwand 
im Bereich der städtischen Infrastrukturen gesucht - keine Autos mehr, dafür 
unterirdische Hochgeschwindigkeitszüge in Röhren, wird da zum Beispiel als 
Lösung angeboten. Der Haken: Selbst wenn der Betrieb möglicherweise CO₂-neutral 
sein wird, so bedeutet die Erstellung der Röhrensysteme für Transport und 
Versorgung einen riesigen, energieintensiven baulichen Aufwand. Auch bleiben 
die daraus resultierenden hochspezifischen technischen Lösungen schwer 
adaptierbar.

Weiter besteht ein Problem radikaler Ansätze in der Tendenz, das Kind mit dem 
Bade auszuschütten: Man kann das Auto mit gutem Grund als ein gewichtiges Übel 
der heutigen Zivilisation sehen. Die Strasse aber hat sich als öffentlicher 
Raum vor allem im Siedlungsgebiet durchaus bewährt. Sie weist, entgegen der 
Röhre, die Flexibilität der Nutzung auf, die die Qualität einer Stadt, eines 
Dorfes ausmachen - solange es nicht die einzige Aufgabe der Strasse ist, den 
Automobilverkehr möglichst effizient durch den Ort zu schleusen.

Effizienz versus Suffizienz

Dieses Dilemma zwischen auto- und menschengerechten Strassen lösen die neuen 
Stadtmodelle nicht. Sie lenken deshalb grundlegende Fragen bezüglich heutiger 
Siedlungsentwicklung in eine falsche Richtung. In bester postindustrieller 
Mentalität definieren sie weiterhin die Effizienz als oberste Prämisse. Dem 
stünde ein Suffizienz-Verständnis gegenüber - vor ein paar Jahren noch ein 
vieldiskutiertes Wort, das zwar schnell wieder verdrängt wurde, über das 
nachzudenken sich trotzdem lohnt. Wolfgang Sachs, einer der Väter des 
Suffizienzsbegriffs, nennt dazu die vier Begriffe Entschleunigung, 
Entflechtung, Entkommerzialisierung und Entrümpelung. Auch wenn man ihnen nicht 
in allen Belangen kritiklos gegenüberstehen sollte, so sind sie in Bezug auf 
den Umgang mit unseren Städten doch zentral, denn Städte und Dörfer sind eben 
nicht leblose Objekte, deren Effizienz ungestraft immer weiter gesteigert 
werden kann, sondern Prozesse, deren physische Form einer permanenten 
Veränderung unterworfen ist.

Bewohnerinnen und Bewohner eignen sie sich immer neu an, die Anforderungen an 
unseren Lebensraum verändern sich ständig. Als kurzweilige und kurze Lektüre 
zum Bauen der Stadt der Zukunft empfiehlt sich die von den Basler 
Architektinnen und Architekten der Gruppe «countdown 2030» zusammengestellte 
kompakte Dokumentation «Hebel». Darin sind einfach und verständlich die 
Grundsätze für ein zukunftsfähiges Bauen und auch für zukunftsfähige Städte 
zusammengestellt, die diesem Suffizienzgedanken folgen. Und es wäre schön, wenn 
dieses Thema, trotz seiner hohen Komplexität, einen festen Platz in der 
Tagespresse finden könnte, denn der Wunsch nach einem lebenswerten Lebensraum 
ist ein Anliegen von uns allen, und darum eigentlich Pflichtteil des 
öffentlichen Diskurses.

Dieter Geissbühler ist Dozent an der Hochschule Luzern - Technik & Architektur.


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