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Sonntag, 03. Juni 2012
Kampf dem grünen Wischiwaschi
Von Christoph Pfluger
«Wir wollen keinen Wischiwaschi-Umweltschutz», sagt Thomas Vellacott, der neue
CEO des WWF Schweiz, mit 260'00 Mitgliedern die grösste Umweltorganisation des
Landes. Ob der neue Chef, früher Berater bei McKinsey und zuletzt für die
Beziehungen zwischen WWF und Wirtschaft zuständig, der richtige Mann ist, das
Steuer herumzureissen, wird sich weisen. Mit «Wischiwaschi» wird er auf jeden
Fall zu tun haben, genauer gesagt mit «Greenwashing». Das wirft nämlich der
mehrfach preisgekrönte deutsche Filmer und Autor Wilfried Huismann in seinem
viel beachteten Film «Der Pakt mit dem Panda» und seit kurzem im «Schwarzbuch
WWF» der weltweit grössten Umweltorganisation vor. Um die Zusammenarbeit mit
den Multis zu fördern, hat der WWF runde Tische ins Leben gerufen, in denen
Industrie und WWF privat Nachhaltigkeitsstandards definieren und die
entsprechenden Produkte mit einem Label versehen.
Das Ausmass dieses Greenwashing ist enorm: So rodet der weltgrösste
Palmölkonzern Wilmar auf Kalimantan 300'000 Hektar Urwald, zwei Prozent lässt
er als Schutzgebiet stehen (aus dem die Ureinwohner wie aus den anderen
Gebieten vertrieben werden) und kann nun sein Palmöl mit einem
Nachhaltigkeits-Zertifikat vertreiben. Auch Gentech-Soja wird dank eines
Labels des Round Table for Responsible Soy» als nachhaltig verkauft. Und Holz
mit dem FSC-Label, eine weitere Initiative des WWF, kann durchaus aus
Kahlschlag stammen.
Der WWF kann sich nicht mit dem Hinweis aus der Verantwortung ziehen, dass er
diese Roundtables nicht mehr führt und die Projekte von externen Firmen
kontrolliert werden. Nur dank dem WWF haben sie noch ein bisschen
Glaubwürdigkeit, und dafür wird er auch fürstlich honoriert, wenn auch nur auf
Umwegen. Unter anderem spendete die HSBC-Bank, das führende Geldhaus zur
Finanzierung von Palmöl-Projekten, für ein gemeinsames Projekt mit dem WWF 100
Mio. Dollar, das allerdings ausserhalb der Bilanz geführt wird.
Der WWF ist sich der Problematik seiner zweispältigen Politik durchaus
bewusst. Aber anstatt sich von Monsanto und Gentech-Soja zu distanzieren,
verlegt er lieber den Sitz des Round Table for Responsible Soy von der
Hohlstrasse 110, dem Sitz des WWF Schweiz, an einen weniger verräterischen
Ort.
Wenn der neue WWF-Chef tatsächlich keinen Wischiwaschi-Umweltschutz will, dann
muss sich der WWF Schweiz von diesen Aktivitäten, die von der weltweiten
WWF-Zentrale aus eingefädelt werden, distanzieren. Davon ist allerdings wenig
zu spüren. Im Gegenteil: Der WWF führt einen regelrechten Krieg gegen den Film
und das Buch, mit nunmehr 15 einstweiligen Verfügungen. Federführend ist der
Berliner Medien- und Promianwalt Christian Schertz, besonders erfolgreich in
der Sparte, missliebige politische Bücher aus dem Verkehr zu ziehen. Ob es bei
den gerichtlichen Attacken um wahrheitsgemässe Darstellung oder einfach um
Einschüchterung geht, ist unklar.
Am 15. Juni verhandelt das Kölner Landgericht eine einstweilige Verfügung, die
die WWF-Mitarbeiterin Dörte Bieler damit begründet, sie sei von Huismann im
Anschluss an eine Konferenz entgegen der Abmachung zu Themen befragt worden,
die mit ihrem Referat nichts zu tun gehabt hätten. Huisman, der das Referat
aufgezeichnet hat, sieht der Verhandlung gelassen entgegen. Aber der
Buchhandel ist bereits eingeknickt. Auf die Drohung der Kanzlei Schertz
Bergmann, im Falle einer Verurteilung von Huisman auf Schadenersatz zu klagen,
haben Amazon und die deutschen Buchhandelsgrossisten das «Schwarzbuch WWF»
kurzerhand aus dem Angebot gestrichen. Für Rainer Dresen, den Juristen der
Verlagsgruppe Random House, ist das «massive Auftreten [des WWF] bisher
singulär» - und der Verlag hat schon Schwarzbücher über Scientology oder die
Waldorfschulen veröffentlicht.
Der Vorgang zeigt, wie weit die Pressefreiheit schon ausgehöhlt ist - vom
Markt, nicht von den Gerichten. Beim Verlag, kleineren Internet-Versendern und
in der Schweiz ist das Buch nach wie vor erhältlich. Das Buch ist spannend wie
ein Krimi, was es ja auch ist. Es ist aber auch erschütternd, wie unkritisch
die Öffentlichkeit mit dem von Grosswildjägern gegründeten Club umgeht. 260'000
«Mitglieder» zählt der WWF Schweiz, die offenbar nicht einmal merken, dass sie
nichts zu sagen haben. Denn der WWF ist eine Stiftung und kein Verein, in dem
die Mitglieder die Geschäftsleitung zur Rechenschaft ziehen können. Da gibt es
eigentlich nur eine Antwort: Den WWF zu demokratischen Regeln zwingen und die
Spendengelder so lange an kleine Umweltorganisationen leiten, die nicht mit
umweltzerstörerischen Multis zwielichtige Geschäfte treiben.
Wilfried Huismann: Schwarzbuch WWF - dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda.
Güterloher Verlagshaus, 2012. 256 S. Fr. 28.50/Euro 19.99
http://www.randomhouse.de/Buch/Schwarzbuch-WWF/e398886.rhd