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Redaktion: Kathrin Klinkusch, Britta Hennigs, Annika Natus
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P R E S S E D I E N S T NR. 55/10 2.6.2010
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Umwelt/Verkehr
NABU: Mit Streichung von überflüssigen Straßenbauprojekten 14
Milliarden sparen
Tschimpke: Deutschland lebt beim Straßenbau seit Jahrzehnten über seine
Verhältnisse
Berlin - Angesichts der dringend nötigen Konsolidierung der
öffentlichen Haushalte hat der NABU jetzt eine Liste der
überzogensten Straßenbauprojekte Deutschlands präsentiert und den
Verzicht von zahlreichen Bauten gefordert. Allein die Streichung von 20
aus ökologischer und ökonomischer Sicht überflüssiger Projekte aus dem
Bundesverkehrswegeplan würde 14 Milliarden Euro einsparen. Die
Einsparungen helfen den knappen Kassen und gleichzeitig werden wichtige
Lebens- und Erholungsräume für Mensch und Tier gesichert sowie der immer
noch viel zu hohe Flächenverbrauch reduziert.
NABU-Präsident Olaf Tschimpke: „Die Bundesrepublik verfügt über eines
der am besten erschlossenen und dichtesten Straßennetze der Welt.
Dennoch listet der aktuelle Bundesverkehrswegeplan neue Vorhaben mit
einer Gesamtlänge von 1.900 Kilometer auf, die in der Bevölkerung höchst
umstritten sind, ein erhebliches Umweltrisiko in sich tragen und bei der
aktuellen Haushaltslage absolut nicht finanzierbar sind. Um es klar zu
sagen: Beim Straßenbau lebt Deutschland schon seit Jahrzehnten über
seine Verhältnisse.“
Dies werde auch beim Anblick des teilweise maroden Bestandsnetzes
deutlich. Über Jahre zurückgestellte Investitionen für die Unterhaltung
der Straßen haben ihre Spuren hinterlassen. Der harte Winter habe sein
Übriges getan. Nach Schätzungen des NABU beträgt der über die Jahre
allein bei kommunalen Straßen entstandene Investitionsrückstau für
Sanierungen inzwischen über 150 Milliarden Euro. Mit neuen Großprojekten
müsse deshalb nun endlich Schluss sein.
NABU-Verkehrsexperte Dietmar Oeliger: „Es wäre skandalös, wenn bei der
Bildung gespart wird, aber die Republik weiter asphaltiert werden soll.
Wir fordern Intelligenz statt Beton. In kaum einem Ressort kann der
Bundesfinanzminister so sinnvoll sparen, wie im Verkehrsministerium. Als
Sofortmaßnahme sollten 20 Straßenbauprojekte gestrichen werden, von
denen die meisten selbst vom Verkehrsministerium mit einem ‚sehr hohen
Umweltrisiko‘ eingestuft werden. Hier sind an oberster Stelle die
Autobahn A 14 in Mecklenburg-Vorpommern und die A20/A 22 in
Schleswig-Holstein und Niedersachsen zu nennen.“ Die Projekte würden
jeweils deutlich über eine Milliarde Euro kosten. Allein schon das
künftig zu erwartende niedrige Verkehrsaufkommen rechtfertige eine
Streichung.
Aber auch Bundesstraßen wie die als Hochmoselübergang bekannt gewordene
B50n (165 Mio.) oder die Rhönquerung durch die B87n (225 Mio.), würden
mit zusammen über 390 Millionen Euro nicht nur ein größeres Loch in den
ohnehin belasteten Bundesetat reißen, sondern führen auch den enormen
Eingriff neuer Straßen in die Landschaft und den Naturhaushalt vor
Augen.
Erfreulich sei hingegen die kürzlich verkündete Botschaft des
hessischen Wirtschaftsministers Dieter Posch zum Stopp der weiteren
Planung der Autobahn A 4. Der NABU, der von Anfang an gegen die Pläne
gekämpft hatte, begrüßte die Entscheidung. Von Hessen müsse nun ein
Signal an die Bundespolitik gehen: ein „weiter so“ in der deutschen
Verkehrspolitik darf es nicht geben.
Dass die Praxis an der A 4 und vielen anderen Straßenbauprojekten meist
noch viel schlimmer aussieht, als die Entwürfe im Bundesverkehrswegeplan
vermuten lassen, weiß Wulf Hahn, Verkehrsplaner und Verkehrsexperte des
NABU-Hessen: „Für die nun vom Land Hessen aufgegebene Planung der A 4
durch das hessische und nordrheinwestfälische Rothaargebirge wären nach
jüngsten Schätzungen der Bundestraßenbauverwaltung 1,8 Milliarden Euro
Baukosten angefallen, während im Bundesverkehrswegeplan noch von 1,5
Milliarden Euro ausgegangen wurde. Innerhalb weniger Jahre hätte sich so
eine Kostensteigerung von 20 Prozent ergeben.“
Die Erfahrungen zeigten, dass die tatsächlichen Baukosten dann nochmals
höher für den Steuerzahler ausfallen. Ein weiteres Autobahnprojekt, die
A 49 von Kassel nach Gießen, die zwischen Neuental bei Borken und der A
5 noch nicht gebaut ist, sollte nach Angaben im Bundesverkehrswegeplan
lediglich 335 Millionen Euro kosten, während aktuell von über 520
Millionen Euro ausgegangen wird - eine Steigerung von umgerechnet etwa
55 Prozent.
„Es ist an der Zeit, sich von der auf den Straßenbau fokussierten
Verkehrsplanung der letzten Jahrzehnte endgültig zu verabschieden.
Autobahnprojekte sind sehr teuer, werden wegen Planungsfehlern meist
über Jahrzehnte beklagt und zerstören wertvollen