Deutsche Welle
http://www.dw.de/streit-um-nachhaltiges-palmöl/a-17071303

10.09.2013 | Oliver Ristau

Streit um nachhaltiges Palmöl

NGOs demonstrieren gegen eine neue Organisation für nachhaltiges Palmöl in
Deutschland. Ihr Vorwurf: Nachhaltigkeit passe nicht zu einer Industrie,
wegen der Regenwälder abgeholzt werden

Sie sind mit Trillerpfeifen, Putzeimern und Schwämmen gekommen. Ein
Aktivist im Orang-Utan-Kostüm hält ein Schild in die Höhe. Darauf steht:
"Mir qualmt der Pelz. Stopp Brandrodung". Er legt den Kopf auf eine
Baumstumpf-Attrappe und ein Demonstrant im Waldarbeiter-Outfit wirft eine
Motorsäge an. 

Rund 50 Mitglieder deutscher und indonesischer
Nichtregierungsorganisationen haben sich vor der Zentrale der Deutschen
Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Berlin versammelt,
um gegen die Gründung des Forums Nachhaltiges Palmöl [1] zu protestieren
- ein Zusammenschluss von Unternehmen, die im deutschsprachigen Raum
Palmöl verarbeiten oder verkaufen. 

Nachhaltigkeit, so ihre Botschaft, passe nicht zu einer Industrie, die
Urwälder in den Tropengürteln der Erde abholzen lässt. "Wo Regenwald
zerstört wird, da kann man keine Siegel für Nachhaltigkeit vergeben",
beschwert sich Hedwig Zobel von der NGO 'Rettet den Regenwald'. 

Industrieforum will 100 Prozent nachhaltiges Öl 

"Die Kritik der NGOs ist in vielen Bereichen gerechtfertigt", sagt Clemens
Neumann vom Bundeslandwirtschaftsministerium. "Es wird aber schwierig,
angesichts des Bevölkerungswachstums alleine auf Schutz zu setzen." Denn
Palmöl [2] ist nach Branchenauskunft in 50 Prozent aller Supermarktprodukte
zu finden: in Tütensuppen, Schokoriegeln, Margarine, aber auch Kosmetika
und Reinigungsmitteln. Mit 50 Millionen Tonnen im Jahr 2012 ist es das
meist verbrauchte Pflanzenfett der Welt, vor Soja und Raps. Zwei Drittel
dieser Menge stammen aus Indonesien und Malaysia. Deutschland importierte
im vergangenen Jahr 1,2 Millionen Tonnen Palmöl. Nach Ansicht der GIZ sei
es "unmöglich", das Öl vollständig durch andere Produkte zu ersetzen. 

Deshalb sucht die Industrie nach einem pragmatischen Ansatz. "Dieses Forum
soll Unternehmen dabei unterstützen, 100 Prozent nachhaltig zertifiziertes
Palmöl einzusetzen", sagt GIZ-Mitarbeiter Daniel May, Generalsekretär des
Forums Nachhaltiges Palmöl. "Es gibt eine klare Zeitlinie für alle, die
Mitglied werden wollen: bis Ende 2014. Das ist ein herausforderndes Ziel."
Von den rund 7,5 Millionen Tonnen an zertifiziertem Palmöl, die jährlich
zur Verfügung stehen, werde nur die Häfte gekauft. 

Missbrauch von Siegeln 

Ein Grund für die schwache Nachfrage ist, dass Ölpalmen weltweit fast
ausschließlich auf Böden wachsen, auf denen einst Regenwald stand. Die
verschiedenen Nachhaltigkeitssiegel unterscheiden sich unter anderem in der
Frage, wie lange die Abholzung zurückliegt. Das am meisten verbreitete
Zertifikat ist das der Nachhaltigkeitsorganisation der Palmölindustrie
RSPO (Roundtable on Sustainable Palmoil) [3]. Sie verleiht ihr Gütesiegel
an Plantagen, für die der Regenwald noch vor 2007 gerodet wurde. Doch
obwohl das Siegel auf vielen Produkten zu sehen ist, räumt RSPO-Präsident
und Unilever-Manager Jan Kees Vis ein: "Bisher kann man vor Ort keine
Effekte sehen." 

Im Gegenteil: Studien von Greenpeace [4] zufolge war von 2009 bis 2011
keine Branche stärker an der Abholzung von Regenwäldern in Indonesien
beteiligt als die Palmölindustrie - darunter vielfach Firmen mit
RSPO-Siegel. Vis weiß, dass es schwarze Schafe gibt, will die Firmen aber
nicht aus der Organisation ausschließen. "Das ist eine Gratwanderung, aber
wenn wir die Firmen sofort herauswerfen, wer hätte gewonnen? Wer könnte
dann helfen, Kompensationen für die betroffenen Gemeinden durchzusetzen?"
Die Firmen würden von der Bildfläche verschwinden und die Organisation
hätte keinen Einfluss mehr auf die Situation, gibt er zu bedenken. 

Ungeklärte Konflikte, anhaltender Druck auf die Wälder 

Nach Aussage der NGO Watch Indonesia [5] schwelen rund 7.000 ungeklärte
Landkonflikte [6] mit hohem Gewaltpotenzial zwischen Indigenen und Bauern
auf der einen und der Palmölbranche auf der anderen Seite. Hier sei der
Nachhaltigkeitsbegriff nicht angebracht, sagt Watch-Indonesia-Vertreterin
Adriana Sri Adhiati: "Menschen in Europa würden sich natürlich besser
fühlen, wenn sie ein zertifiziertes Produkt kaufen könnten. Wenn es aber
auf Kosten der Lebensumstände von Menschen auf der anderen Seite der Welt
gewonnen wird, ist das nicht nachhaltig. Nachhaltigkeit heißt Fairness und
muss die Frage nach Gerechtigkeit beantworten." 

Klimafreundliche Palmölplantagen in Kolumbien 

Das neue Forum drängt darauf, die Hürden für eine Zertifizierung zu
erhöhen: "Ziel ist, innerhalb der nächsten Monate Kriterien aufzustellen,
die ein glaubwürdiges Siegel erfüllen muss", sagt Generalsekretär May.

Es ist aber nicht nur die Sorge um die Regenwälder, die die Industrie in
Europa umtreibt. Ab Ende 2014 gilt eine neue EU-Richtlinie zur
Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln. Die Firmen müssen dann genau
angeben, welche Pflanzenöle in ihren Produkten stecken. Der Aufdruck
"Pflanzenfett" allein reicht dann nicht mehr aus. Dadurch sind die
Unternehmen zu mehr Transparenz verpflichtet.

Links:

[1] http://www.giz.de/de/mediathek/16873.html
[2] http://www.dw.de/gutes-palmöl-schlechtes-palmöl/a-5041287
[3] http://www.rspo.org/
[4] http://tinyurl.com/pslrbfp
[5] http://home.snafu.de/watchin/
[6] http://www.dw.de/die-unbekannten-richtlinien-gegen-landraub/a-16876057

DW.DE | Redaktion Alexandra Scherle

Palmöl: Überall drin, nirgends drauf
Ob in Lebensmitteln oder Kosmetika: Was als "pflanzliches Öl" oder
"pflanzliches Fett" deklariert wird, ist oft Palmöl. Um für Palmölplantagen
Platz zu schaffen, werden Urwälder gerodet. (10.09.2013)
http://dw.de/p/19eFP

Smog-Alarm: Indonesien ermittelt gegen Palmöl-Firmen
Seit Tagen dramatisch schlechte Luft in Singapur: Ursache sind Großfeuer auf
Plantagen im indonesischen Sumatra. Nun wird wegen Brandstiftung gegen 14
Konzerne ermittelt. Greenpeace appelliert an die Palmöl-Hersteller.
(22.06.2013) 
http://dw.de/p/18uNM

Palmöl: Der umstrittene Öko-Rohstoff
Seine Vielseitigkeit wird dem Palmöl zum Verhängnis. Riesige
Ölpalm-Plantagen haben kostbaren Regenwald verdrängt - und auch Menschen.
Die Firma Daabon wirbt mit nachhaltigem Anbau. Kritiker sehen das anders.
(24.04.2012) 
http://dw.de/p/14jz7




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