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29. August 2013

Nicaragua

Interozeanischer Schifffahrtskanal gefährdet wichtigste Trinkwasserquelle

von José Adán Silva

Managua, 27. August (IPS) - In Nicaragua hat ein neues Gesetz, das einem 
chinesischen Unternehmen die Konzession für den Bau und Betrieb eines 
Schifffahrtskanals vom Pazifik bis zum Atlantik überträgt, die 
Schutzbestimmungen für den Cocibolca-See und seine Zuflüsse ausgehebelt. Das 
auch als Nicaragua-See bekannte Gewässer ist das größte Frischwasserreservoir 
Zentralamerikas und nach dem venezolanischen Maracaibo-See das längste 
Binnengewässer Lateinamerikas.

Auf diese Zusammenhänge haben zwei lokale Nichtregierungsorganisationen 
hingewiesen: die Nicaraguanische Allianz zum Klimawandel (ANACC) und die 
Nationale Einheit für Risikomanagement (MNGR), die 20 Umweltgruppen des Landes 
vertreten.

Das Gesetz 840, von den Medien als 'großes interozeanisches Kanalgesetz' 
bezeichnet, war im Juni mit den Stimmen der Abgeordneten der linken 
Sandinistenpartei FSLN von Staatspräsident Daniel Ortega verabschiedet worden. 
Der Kanal, der auch durch den See verlaufen soll, wäre nach seiner 
Fertigstellung um das Vierfache länger als der Panama-Kanal.

Die Konzession für den Bau und den Betrieb des Kanals für die Dauer von 50 
Jahren mit der Option auf eine ebenso lange Vertragsverlängerung hat das in 
Hongkong angesiedelte chinesische Unternehmen 'HK Nicaragua Canal Development 
Investment Co. Ltd.' (HKND Group) im Besitz des chinesischen Tycoons Wang Jing 
erhalten. Die Baukosten des Projekts werden auf 40 Milliarden US-Dollar 
geschätzt.

Wie die MNGR berichtet, wurden mit den neuen rechtlichen Bestimmungen die 
Gesetze zum Schutz der landeseigenen Wasserquellen und -institutionen außer 
Kraft gesetzt, die im Rechtskompendium für die Trinkwasser- und 
Sanitärversorgung zusammengefasst sind. Das 2011 von der Nationalen Kommission 
für Trinkwasser, Sanitäres und Abwässer zusammengestellte Kompendium enthält 85 
Gesetze, Dekrete, Gemeindeverordnungen, Verfassungsbestimmungen, internationale 
Abkommen und Verwaltungsvorschriften zum Schutz der einheimischen Gewässer.

Freibrief für den Investor

Doch das neue Kanalgesetz verpflichtet Nicaragua dazu, den Konzessionsinhabern 
"Zugang und Navigationsrechte über Flüsse, Seen, Meere und andere 
nicaraguanische Gewässer" zu ermöglichen, Darüber hinaus räumt es dem 
chinesischen Unternehmen das Recht ein, die Gewässer zu vergrößern, 
auszubaggern, umzuleiten und/oder zu verkleinern. Ferner hat sich der 
nicaraguanische Staat dazu verpflichtet, auf eine Klage gegen den Investor im 
Fall ökologischer Schäden während der Planung, der Bauarbeiten und des Betriebs 
des Kanals vor nationalen oder internationalen Gerichten zu verzichten.

Das Gesetz 840 hat zudem das im allgemeinen Gesetz über die nationalen Gewässer 
festgeschriebene Prinzip ausgehebelt, wonach der Schutz des Cocibolca-Sees als 
Trinkwasserreservoir im nationalen Interesse liegt.

Nicaragua habe HKND die Kontrolle über den See und dessen umliegende Gewässer 
übertragen. Dazu gehörten 16 Wassereinzugs- und 15 Schutzareale sowie 25 
Prozent der Gebiete, in denen sich der Regenwald des Landes konzentriere, warnt 
David Quintana von der Nicaraguanischen Stiftung für nachhaltige Entwicklung 
[1].

Der Kanal soll durch Naturschutzgebiete verlaufen, in denen hunderte Pflanzen-, 
Vogel-, Säugetier-, Reptilien-, Amphibien-, Fisch- und Moluskenarten beheimatet 
sind. Laut dem Vizedirektor des Humboldtzentrums [2], Víctor Campos, wird der 
Kanal jede Chance unterbinden, den Cocibolca-See irgendwann einmal zur 
Trinkwasserquelle aller Zentralamerikaner zu machen. "Der Bau des Kanals und 
der Schutz des Wassers für den menschlichen Gebrauch schließen einander aus", 
erklärte er.

Der Kanal soll sich über eine Fläche von 270 Kilometer einschließlich der 
Strecke durch den Cocibolca-See ziehen und wird für Schiffe befahrbar sein, die 
für den Panama-Kanal zu groß sind.

Nach Aussagen des Biologen Salvador Montenegro, der das Forschungsinstitut für 
Wasserressourcen [3] der Nationalen Autonomen Universität von Nicaragua leitet, 
werden bei den Bauarbeiten am See riesige Sedimentmengen anfallen, die das 
Wasser verschlammen und die meisten Lebensformen des Gewässers ersticken.

Der Bau des Kanals, der 520 Meter breit und 27,6 Meter tief werden soll, sei 
ökologisch gesehen das schlimmste vorstellbare Szenario für den See und die 
umliegenden Wassereinzugsgebiete, warnte Montenegro. "Schon ein kleines Ölleck, 
ein Erdbeben oder starke Winde können ein ökologisches Desaster auslösen, das 
den See als Trinkwasserquelle für immer zerstören wird."

"Kein Kanal ist so viel wert wie dieser See"

Die gleiche Warnung kam von Jaime Incer Barquero, dem wissenschaftlichen 
Umweltberater von Präsident Ortega. "Es ist immer noch an der Zeit, einen 
solchen Fehler, der die größte Trinkwasserquelle des Landes und ganz 
Zentralamerikas zunichte machen würde, zu verhindern", sagte er. "Kein Kanal 
ist so viel wert wie dieser See."

Angesichts der Welle der Kritik, die den Regierungsplänen entgegenschlägt, hat 
Präsident Ortega erklärt, dass die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsstudie 
die Zukunft des Kanalprojekts und dessen Verlauf bestimmen werden. Doch die 
zuständigen Behörden haben auf die Bedenken nicht reagiert. Sie beschränken 
sich darauf, den wirtschaftlichen Nutzen eines solchen Kanals für Nicaragua 
herauszustreichen.

HKND-Sprecher Ronald MacLean erklärte in etlichen Mitteilungen, dass die 
britische Umweltberaterfirma 'Environmental Resources Management' eine 
professionelle Umweltverträglichkeitsstudie durchführen und dabei alle 
möglichen Routen für den Kanal in Betracht ziehen werde. "Es ist klar, dass wir 
uns mit der Umweltfrage befassen müssen. Wir werden die möglichen Auswirkungen 
des Projekts und die entsprechenden Gegenmaßnahmen in Betracht ziehen", schrieb 
er Anfang August in einer E-Mail, die von der PR-Firma des Unternehmens 
verbreitet wurde.

In der Zwischenzeit bereiten Umweltorganisationen, Unternehmer, Politiker der 
Opposition und indigene Gemeinschaften, die sich um ihr Land und den Zugang zu 
Wasser sorgen, eine Klage gegen das Kanalprojekt vor. (Ende/IPS [4][5]/kb/2013) 
[WASSER/151]

Links:

[1] http://www.fundenic.org.ni/
[2] http://humboldt.org.ni/
[3] http://www.cira-unan.edu.ni/
[4] http://tinyurl.com/otvxsea 
[5] http://tinyurl.com/qybbjgk




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