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15.03.2020 

Coronavirus

"Agrarindustrie würde Millionen Tote riskieren"

Ein Gespräch mit dem Evolutionsbiologen Rob Wallace über die Gefahren von
Covid-19, die Verantwortung der Agrarindustrie und nachhaltige Lösungen zur
Bekämpfung von Infektionskrankheiten

INTERVIEW: YAAK PABST

Wie gefährlich ist das neue Coronavirus?

Es hängt davon ab, wo du dich zum Zeitpunkt des lokalen Ausbruchs von
Covid-19 befindest: Steht diese Epidemie erst am Anfang, ist sie auf ihrem
Höhepunkt oder befindet sie sich schon in ihrer Spätphase? Wie gut reagiert
das Gesundheitssystem in der Region? Wie alt bist du? Bist du immunologisch
gefährdet? Wie ist dein allgemeiner Gesundheitszustand? Um eine nicht
diagnostizierbare Möglichkeit zu erfragen: Stimmt deine Immungenetik, die
Genetik, die deiner Immunabwehr zugrunde liegt, mit dem Virus überein oder
nicht?

Dann ist all das Getue um das Virus nur Panikmache?

Nein, sicher nicht. Die Todesrate (Englisch: case fatality rate, CFR) von
Covid-19 lag zu Beginn des Ausbruchs in Wuhan zwischen 2 und 4 Prozent der
bekannten Infizierten. Außerhalb von Wuhan scheint die CFR etwa 1 Prozent
und sogar noch weniger zu betragen. Aber anderswo liegt sich auch höher, wie
beispielsweise zurzeit in Italien und den Vereinigten Staaten. Diese
Todesraten scheinen nicht hoch zu sein im Vergleich zu, sagen wir, SARS mit
10 Prozent, der "Spanischen Grippe" von 1918 mit 5 bis 20 Prozent, der
"Vogelgrippe" (H5N1) mit 60 Prozent oder an einigen Orten Ebola mit 90
Prozent Todesfällen unter den Infizierten. Aber sie liegt sicherlich höher
als der 0,1 Prozent CFR-Wert der saisonalen Grippe. Die Gefahr besteht
jedoch nicht nur in der Höhe der Sterberate. Wir müssen uns mit der
sogenannten Durchdringung oder der Rate des Angriffs auf die Gesellschaft
auseinandersetzen. Mit anderen Worten: Ein wie großer Teil der
Weltbevölkerung trägt den Virus bereits in sich.

Kannst du das genauer erklären?

Das globale Reisenetzwerk ist auf Rekordniveau [1]. Da es weder Impfstoffe
oder spezifische Antivirenmittel gegen Coronaviren gibt, noch eine
Herdenimmunität gegen das Virus, kann selbst ein Stamm mit einer
Sterblichkeitsrate von nur 1 Prozent der Infizierten eine beträchtliche
Gefahr darstellen. Angesichts einer Inkubationszeit von bis zu zwei Wochen
und den zunehmenden Anzeichen, dass Ansteckungen stattgefunden haben vor dem
eigentlichen Ausbruch der Krankheit - also bevor wir wissen, ob Menschen
sich überhaupt infiziert haben - sind wahrscheinlich nur wenige Orte auf der
Welt noch frei von Infektionen. Wenn zum Beispiel Covid-19 bei einer
Ansteckung von 4 Milliarden Menschen 1 Prozent Todesopfer fordert, sind das
40 Millionen Tote. Ein kleiner Anteil einer großen Zahl kann immer noch eine
große Zahl sein.

Dies sind erschreckende Zahlen für einen scheinbar wenig ansteckenden
Erreger ...

Auf jeden Fall, und wir stehen erst am Anfang des Ausbruchs. Es ist wichtig
zu verstehen, dass sich viele Neuinfektionen im Laufe von Epidemien
verändern. Ansteckungsfähigkeit, die Ausbreitung der Ansteckung oder beides
können sich abschwächen. Andererseits nehmen andere Ausbrüche an Virulenz
zu. Die erste Welle der Grippepandemie im Frühjahr 1918 war eine relativ
milde Infektion. Die zweite und dritte Welle in jenem Winter und bis ins
Jahr 1919 hinein tötete dann Millionen Menschen.

Pandemie-Skeptiker argumentieren jedoch, dass weit weniger Patientinnen und
Patienten durch das Coronavirus infiziert und getötet wurden als durch die
typische saisonale Grippe. Wie bewertest du das?

Ich wäre der Erste, der sich freuen würde, wenn sich dieser Ausbruch als
Blindgänger erweisen sollte. Aber der Versuch, Covid-19 unter Verweis auf
andere tödliche Krankheiten, insbesondere die Grippe, als geringe Gefahr
abzutun, ist ein rhetorischer Trick, um die Besorgnis über das Coronavirus
als unangebracht darzustellen.

Der Vergleich mit der saisonalen Grippe hinkt also ...

Es ergibt wenig Sinn, zwei Krankheitserreger in den verschiedenen
Abschnitten ihrer Epikurve, also des Ausbruchsverlaufs, zu vergleichen. Ja,
die saisonale Grippe infiziert weltweit viele Millionen Menschen, wobei nach
Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation bis zu 650.000 Menschen pro Jahr
daran sterben. Covid-19 steht jedoch erst am Anfang seiner epidemiologischen
Entwicklung. Und anders als bei der Grippe haben wir weder einen Impfstoff
noch eine Herdenimmunität, um die Infektion zu verlangsamen und die am
stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen zu schützen.

Auch wenn der Vergleich irreführend ist, so sind das doch beides
Virenkrankheiten. Es handelt sich sogar um die gleiche Gruppe, die
RNA-Viren. Beide Krankheiten betreffen den Mund- und Rachenraum und manchmal
auch die Lunge. Beide sind doch ziemlich ansteckend, oder?

Ja, aber diese zwei Krankheitserreger zu vergleichen, ist fragwürdig. Wir
wissen eine Menge über die Dynamik der Grippe. Wir wissen sehr wenig über
Covid-19. In dieser Gleichung gibt es viele Unbekannte. Tatsächlich werden
etliche Faktoren bei Covid-19 unbekannt bleiben, bis es zu einem
vollständigen Ausbruch der Krankheit kommt. Gleichzeitig ist es wichtig zu
verstehen, dass es nicht um Covid-19 im Gegensatz zur Grippe geht. Es geht
um Covid-19 und Grippe. Die Entstehung von Mehrfachinfektionen, die eine
Pandemie auslösen können und ganze Bevölkerungsgruppen angreifen, sollte die
Hauptsorge sein.

Du erforschst Epidemien und ihre Ursachen seit mehreren Jahren. In deinem
Buch "Big Farms Make Big Flu" versuchst du, die Zusammenhänge zwischen
industriellen landwirtschaftlichen Methoden, Ökolandbau und virusbedingter
Ansteckungskrankheiten aufzuzeigen. Was sind deine Erkenntnisse?

Die eigentliche Gefahr jedes neuen Ausbruchs ist das Versagen, oder, besser
gesagt, die zweckdienliche Weigerung zu begreifen, dass jeder neue
Covid-19-Fall kein Einzelfall ist. Das vermehrte Auftreten von Viren steht
in engem Zusammenhang mit der Nahrungsmittelproduktion und der
Profitabilität der multinationalen Unternehmen. Wer verstehen will, warum
Viren immer gefährlicher werden, muss das industrielle Modell der
Landwirtschaft und insbesondere der Viehzucht untersuchen. Gegenwärtig sind
nur wenige Regierungen und wenige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
dazu bereit. Ganz im Gegenteil: Wenn die neuen Virusinfektionen ausbrechen,
sind die Regierungen, die Medien und sogar die meisten medizinischen
Einrichtungen so auf jeden einzelnen Notfall konzentriert, dass sie die
strukturellen Ursachen, die dazu führen, dass mehrere eher marginale
Krankheitserreger nacheinander zu plötzlicher weltweiter Berühmtheit
gelangen, außer Acht lassen.

Wer ist daran schuld?

Ich habe industrielle Landwirtschaft [2] gesagt, aber es gibt einen größeren
Rahmen dafür. Das Kapital erobert weltweit die letzten Urwälder und die
letzten von Kleinbauern bewirtschafteten Flächen. Diese Investitionen
treiben die Entwaldung und damit eine Entwicklung voran, die zur Entstehung
neuer Krankheiten führt. Die funktionelle Vielfalt und Komplexität dieser
riesigen Landflächen wird so vereinheitlicht, dass zuvor eingeschlossene
Krankheitserreger auf die lokale Viehzucht und die menschlichen
Gemeinschaften überspringen. Kurz gesagt, die Metropolen des globalen
Kapitals, Orte wie London, New York und Hongkong, müssen als Krisenherd für
die wichtigsten Krankheiten betrachtet werden.

Bei welchen Krankheiten ist das der Fall?

Es gibt derzeit keine "kapitalfreien" Krankheitserreger. Selbst die
Weltabgeschiedensten sind betroffen, wenn auch in entfernter Weise. Ebola,
Zika, die Coronaviren, das Gelbfieber, verschiedenste Vogelgrippen und die
afrikanische Schweinepest bei Schweinen sind nur einige der vielen Erreger,
die aus dem entlegensten Hinterland in Stadtrandgebiete, in die regionalen
Hauptstädte und schließlich in das globale Reisenetz gelangen. Es braucht
nur wenige Wochen von den Flughunden in Kongo, die vermutlich das Ebolavirus
übertragen, bis zu den Sonnenanbetern in Miami, die an dem Virus sterben.

Welche Rolle spielen multinationale Unternehmen in diesem Prozess?

Der Planet Erde ist heute weitgehend eine einzige große industrielle
Agrarfabrik, sowohl in Bezug auf die Biomasse, als auch die Landnutzung. Die
Agrarindustrie versucht, den Lebensmittelmarkt zu beherrschen. Das
neoliberale Projekt ist darauf ausgerichtet, Unternehmen aus den
entwickelteren Industrieländern dabei zu unterstützen, Land und Ressourcen
schwächerer Länder zu stehlen. Als Folge dessen werden viele dieser neuen
Krankheitserreger, die zuvor in den über lange Zeiträume entstandenen
Waldökosystemen gebunden waren, freigesetzt und bedrohen die ganze Welt.

Welche Auswirkungen haben die Produktionsmethoden der Agrarindustrie darauf?

Die nach kapitalistischen Bedürfnissen organisierte Landwirtschaft, die an
die Stelle der natürlichen Ökologie tritt, bietet genau die Mittel, durch
die ein Krankheitserreger die gefährlichste und ansteckendste
Erscheinungsform entwickeln kann. Ein besseres System zur Züchtung tödlicher
Krankheiten lässt sich kaum entwickeln.

Wie das?

Durch Züchtung genetischer Monokulturen von Nutztieren werden alle eventuell
vorhandenen Immunschranken beseitigt, die die Übertragung verlangsamen
könnten. Eine große Tierpopulation und -dichte fördert hohe
Übertragungsraten. Solche beengten Verhältnisse beeinträchtigen die
Abwehrkräfte des Immunsystems der Tiere. Ein hoher Durchlauf von Tieren, der
Teil jeder industriellen Produktion ist, versorgt die Viren mit ständig
neuen Wirtstieren, was die Ansteckungsfähigkeit der Viren fördert. Mit
anderen Worten: Die Agrarindustrie ist so auf Gewinn ausgerichtet, dass die
Entscheidung für ein Virus, das eine Milliarde Menschen töten könnte, das
Risiko wert zu sein scheint.

Bitte was!?

Diese Unternehmen können die Kosten ihrer bezüglich des Ausbruchs von
Epidemien gefährlichen Operationen einfach allen anderen aufbürden: den
Tieren selbst, den Verbraucherinnen und Verbrauchern, den Bauern, den
lokalen Gemeinschaften und den Regierungen quer über alle
Zuständigkeitsbereiche. Die Schäden sind so umfangreich, dass das
Agrobusiness, wie wir es kennen, für immer erledigt wäre, wenn wir diese
Kosten in die Unternehmensbilanzen einrechnen würden. Kein Unternehmen
könnte die Kosten für die von ihm verursachten Schäden tragen.

In vielen Medien wird behauptet, der Ursprung des Coronavirus sei ein
"exotischer Lebensmittelmarkt" in Wuhan gewesen. Stimmt diese Beschreibung?

Ja und nein. Es gibt räumliche Anhaltspunkte, die dafür sprechen. Die
Rückverfolgung von Kontakten, die mit Infektionen in Verbindung stehen,
führt zum Hunan-Großmarkt für Meeresfrüchte in Wuhan, wo auch Wildtiere
verkauft werden. Stichproben haben offenbar das westliche Ende des Marktes,
in dem die Wildtiere gehalten wurden, identifiziert. Aber wie weit zurück
und wie weit sollten wir nachforschen? Wann genau hat der Ernstfall wirklich
begonnen? Die Fokussierung auf den Markt übersieht die Ursprünge bei der
Wildlandwirtschaft im Hinterland und ihre zunehmende Kommerzialisierung.
Weltweit, und auch in China, wird Wildnahrung zunehmend zu einem formellen
Wirtschaftssektor. Aber die Beziehung zur industriellen Landwirtschaft geht
über das bloße Teilen desselben Geldbeutels hinaus. Da sich die industrielle
Produktion - von Schwein, Geflügel und Ähnlichem - auf den Urwald ausdehnt,
übt sie Druck auf die Erzeuger von Wildnahrungsmitteln aus, die weiter in
die Wälder vordringen, um dort nach den Ursprungspopulationen zu suchen,
wodurch sich die Schnittstelle zu neuen Krankheitserregern, einschließlich
Covid-19, vergrößert und deren Ausbreitung verstärkt wird.

Covid-19 ist nicht das erste Virus, das sich in China entwickelt hat und das
die Regierung zu vertuschen versuchte.

Ja, aber das ist kein chinesischer Sonderfall. Die USA und Europa haben auch
als "Nullpunkte" für neue Vireninfektionen gedient, zuletzt H5N2 und H5Nx,
und ihre multinationalen und neokolonialen Vertreter haben die Entstehung
von Ebola in Westafrika und Zika in Brasilien angefacht. Und während der
Ausbruch der Schweinegrippe (H1N1) im Jahr 2009 und der Geflügelpest (H5N2)
schützten US-Gesundheitsbeamte die gesamte Agrarindustrie.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat jetzt einen "gesundheitlichen
Notstand von internationaler Bedeutung" ausgerufen. Ist dieser Schritt
richtig?

Ja. Die Gefahr eines solchen Erregers besteht darin, dass die
Gesundheitsbehörden die statistische Risikoverteilung nicht in den Griff
bekommen. Wir haben keine Ahnung, wie der Erreger reagieren könnte. Wir sind
von einem Ausbruch auf einem Markt zu Infektionen gekommen, die sich
innerhalb weniger Wochen über die ganze Welt verteilten. Der Erreger könnte
einfach absterben. Das wäre großartig. Aber wir wissen es nicht. Eine
bessere Vorbereitung würde die Chancen verbessern, die
Ausbreitungsgeschwindigkeit des Erregers zu unterbieten. Die Erklärung der
WHO ist gleichzeitig ein Teil dessen, was ich als Pandemie-Theater
bezeichne. Internationale Organisationen sind angesichts ihrer Untätigkeit
zu Grunde gegangen. Da fällt mir der Völkerbund ein. Die Gruppe der
UNO-Organisationen ist immer besorgt über ihre Bedeutung, ihre Macht und
ihre Finanzierung. Aber ein solcher Aktionismus kann sich auch der
tatsächlichen Vorbereitungen und der Prävention annähern, die die Welt
braucht, um die Übertragungsketten von Covid-19 zu unterbrechen.

Die neoliberale Umstrukturierung des Gesundheitssystems hat sowohl die
Forschung als auch die allgemeine Versorgung der Patientinnen und Patienten,
zum Beispiel in Krankenhäusern, verschlechtert. Welchen Unterschied könnte
ein besser finanziertes Gesundheitssystem zur Bekämpfung des Virus machen?

Da ist die schreckliche, aber aufschlussreiche Geschichte des Mitarbeiters
der Miami Medical Device Company, der nach seiner Rückkehr aus China mit
grippeähnlichen Symptomen das Richtige für seine Familie und seine Gemeinde
tat und von einem örtlichen Krankenhaus verlangte, ihn auf Covid-19 zu
testen. Er fürchtete, dass seine magere Krankenversicherung von Obama Care
die Kosten für die Tests nicht abdecken würde. Er hatte Recht. Er hatte
plötzlich eine Rechnung über 3.270 US-Dollar am Hals. Für die USA könnte
eine Forderung lauten, eine Notverordnung zu verabschieden, wonach während
des Ausbruchs einer Pandemie alle ärztlichen Rechnungen im Zusammenhang mit
den Tests auf Infektion und für die Behandlung nach einem positiven Test von
der Bundesregierung bezahlt werden müssen. Wir wollen die Menschen
ermutigen, Hilfe zu suchen, anstatt sich zu verstecken - und andere
anzustecken -, weil sie sich keine Behandlung leisten können. Die
offensichtliche Lösung ist ein staatlicher Gesundheitsdienst, der für solche
Notfälle personell und materiell ausreichend ausgestattet ist.

Sobald das Virus in einem Land entdeckt wird, reagieren die Regierungen
überall mit autoritären Strafmaßnahmen, wie einer Quarantäne für ganze
Landstriche und Städte. Sind solche drastischen Maßnahmen gerechtfertigt?

Die Nutzung der Coronakrise, um die neuesten autokratischen
Kontrollmöglichkeiten zu testen, ist ein Kennzeichen des aus den Fugen
geratenen Katastrophenkapitalismus. Im Hinblick auf die öffentliche
Gesundheit halte ich mich lieber an Vertrauen und Mitgefühl, die wichtige
Variablen bei einer Epidemie sind. Ohne beides verlieren die Regierungen die
Unterstützung der Bevölkerung. Wir brauchen ein Gefühl der Solidarität und
des gegenseitigen Respekts, um solche Bedrohungen gemeinsam zu überstehen.
Selbstquarantäne mit geeigneter Unterstützung, ausgebildete
Nachbarschaftshilfe, Lebensmittelwagen, die von Tür zu Tür fahren,
Arbeitsbefreiung und Arbeitslosenversicherung - damit kann diese Art von
Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugt werden, das wir benötigen.

Wie Du vielleicht weißt, haben wir in Deutschland mit der AfD faktisch eine
Nazipartei mit 94 Sitzen im Parlament. Die harten Nazis und andere Gruppen
im Verbund mit AfD-Politikerinnen und Politikern, nutzen die Coronakrise für
ihre Agitation. Sie verbreiten falsche Berichte über das Virus und fordern
von der Regierung mehr autoritäre Maßnahmen: Beschränkung von Flügen und
Einreisestopp für Migranten, Grenzschließung und Zwangsquarantäne ...

Reiseverbot und Grenzschließung sind Forderungen, mit denen die radikale
Rechte eine "Rassifizierung" der inzwischen globalen Krankheiten erreichen
will. Das ist natürlich Unsinn. Da sich das Virus bereits überall
verbreitet, ist jetzt das einzig Sinnvolle dafür zu sorgen, dass das
öffentliche Gesundheitswesen so belastbar wird, dass es keine Rolle spielt,
wer mit einer Infektion auftaucht. Wir haben die Mittel, um Infektionen zu
behandeln und zu heilen. Und natürlich müssen wir aufhören, den Menschen in
anderen Ländern ihr Land zu stehlen und die Massenauswanderung damit
überhaupt erst weiter anzufachen. Wir können dafür sorgen, dass die
Krankheitserreger gar nicht erst entstehen.

Was wären nachhaltige Lösungen zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten?

Um das Ausbrechen neuer Virusinfektionen einzuschränken, muss die
Nahrungsmittelproduktion radikal verändert werden. Die Unabhängigkeit der
Landwirte und ein starker öffentlicher Sektor können den umweltbedingten
Sperrklinkeneffekt [3] und unkontrollierte Infektionen eindämmen. Dazu
gehört auch die Förderung der Artenvielfalt bei Tieren und Pflanzen und
einer strategischen Wiederaufforstung, sowohl auf der Ebene der
landwirtschaftlichen Betriebe, als auch regional. Tiere müssen sich vor Ort
fortpflanzen dürfen, um Immunitätsmechanismen weiterzugeben. Es geht darum,
eine gerechte Produktion mit einem gerechten Warenkreislauf zu verbinden.
Dazu gehört auch die Subventionierung der ökologischen Landwirtschaft und
der Verkaufspreise sowie Programme für Verbraucher. Diese Projekte müssen
vor den Zwängen, die die neoliberale Wirtschaft Einzelpersonen und
Gemeinschaften gleichermaßen auferlegt, geschützt und gegen die Bedrohung
durch die vom Kapital geleitete staatliche Unterdrückung verteidigt werden.

Was sollten Linke angesichts der zunehmenden Dynamik, die ein
Krankheitsausbruch annehmen kann, fordern?

Die Agrarindustrie als Form der sozialen Reproduktion muss für immer
abgeschafft werden, schon allein aus Gründen der allgemeinen Gesundheit. Die
hoch industrialisierte Produktion von Nahrungsmitteln hängt von Praktiken
ab, die die gesamte Menschheit gefährden und in diesem Fall dazu beitragen,
eine neue tödliche Pandemie auszulösen. Wir sollten fordern, dass die
Nahrungsmittelsysteme so verstaatlicht werden, dass solche gefährlichen
Krankheitserreger erst gar nicht entstehen können. Dazu muss die
Nahrungsmittelproduktion zunächst wieder in die Bedürfnisse der ländlichen
Gemeinden integriert werden. Das wird agroökologische Praktiken erfordern,
die die Umwelt und die Bäuerinnen und Bauern beim Anbau der Nahrungsmittel
schützen. Der große Rahmen ist: Wir müssen den metabolischen Riss heilen,
der unsere Ökologie von unserer Wirtschaft trennt. Kurz gesagt: Wir haben
eine Welt zu gewinnen.

Vielen Dank für das Gespräch

Rob Wallace ist Evolutionsbiologe und Phylogeograf für das öffentliche
Gesundheitswesen in den USA. Er arbeitet seit 25 Jahren an verschiedenen
Aspekten neuer Pandemien und ist Autor des Buches "Big Farms Make Big Flu"
[4].

[1] https://ourworldindata.org/tourism 
[2] https://fr.de/-11494635.html
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Ratchet-Effekt
[4] https://monthlyreview.org/product/big_farms_make_big_flu/


° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° 

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Mika Latuschek
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