die tageszeitung
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* 28.08.2013

Atombomben-Alarm in Ahaus

In einem Zwischenlager im Münsterland liegt hochangereichertes Uran für bis
zu zwölf Sprengkörper der Hiroshima-Stärke. Was damit geschehen soll, weiß
derzeit niemand

VON ANDREAS WYPUTTA 

Bochum (taz) - Die Transporte, die bis 1995 vom stillgelegten
Thorium-Hochtemperaturreaktor Hamm-Uentrop (THTR) ins Zwischenlager Ahaus
rollten, waren hochgefährlich: In die Lagerstätte im Münsterland wurden
nicht die üblichen Brennelemente aus Leichtwasserreaktoren gebracht, sondern
hochangereichertes, waffenfähiges Uran. "Mit simpelster Technologie können
daraus 10 bis 12 Atombomben hergestellt werden", warnt der Chemiker Rainer
Moormann, der am Kernforschungszentrum Jülich jahrzehntelang zur Sicherheit
der Hochtemperaturtechnologie geforscht hat. "Im Gegensatz zur
hochkomplizierten Plutoniumbombe kann ein solcher Uransprengsatz von jedem
Terroristen gebaut werden."

Trotzdem haben offenbar weder Bundesregierung noch Atomlobby eine Idee, was
mit dem Material geschehen soll. Das Bundesforschungsministerium geht von
einer Zwischenlagerung "bis 2055" aus, schreiben die Berliner Minsterialen
in einer Antwort auf eine Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Oliver
Krischer und Sylvia Kotting-Uhl, in der es auch um die Kosten des
THTR-Rückbaus geht. Dabei ist das Ahauser Zwischenlager nicht bis 2055,
sondern nur bis 2036 genehmigt - und somit der weitere Verbleib des
gefährlichen Stoffs unklar.

Denn selbst wenn bis dahin ein deutsches Atommüllendlager gefunden ist:
Einfach abgeladen werden können die Hinterlassenschaften des THTR dort
nicht. Das Kraftwerk war ein sogenannter Kugelhaufenreaktor, dessen
Uranbrennstoff bis zu 93 Prozent angereichert war - übliche AKWs arbeiten
mit einer Konzentration von 3,5 Prozent.

Trotzdem lieferten die USA das atomwaffenfähige Material auf Betreiben des
Jülicher Kernforschungszentrums zunächst nach Deutschland. In Jülich
arbeiten bis heute Anhänger der Kugelhaufentechnologie, die nur mit dem
hochangereicherten Stoff funktioniert. Rund 1.300 Kilogramm davon gingen
nach Hamm, über 200 Kilo wurden im Versuchs-Kernkraftwerk AVR im
Forschungszentrum selbst benutzt. Doch schon 1977 erkannte Präsident Jimmy
Carter, dass die USA die Deutschen und andere mit dem Stoff für die Bombe
ausrüsteten - und ließ aus Proliferationsgründen - also wegen des Verbotes
der Weitergabe von Atomwaffentechnologie - die Lieferungen stoppen.

"Den Atommüll aus Hamm kann man nicht einfach irgendwo vergraben", warnt der
Forscher Moormann. Zwar sei es für mögliche Terroristen wegen der hohen
Gammastrahlung heute noch zu gefährlich, mit dem Stoff zu hantieren. "In 200
Jahren aber ist die Gammastrahlung abgeklungen. Ein Endlager wäre dann eine
Mine für atomwaffenfähiges Material." Außerdem ist das hochangereicherte
Uran für den Einsatz im Reaktor zu graphithaltigen Brennelementkugeln
verarbeitet worden - diese sind brennbar. Zusätzlich laugt die
Radioaktivität bei Kontakt mit Wasser aus. "Ohne aufwendige Sicherung ist
das nicht endlagerfähig", warnt Moormann. Doch wie eine solche Sicherung
aussehen könnte, ist bis heute unklar. Zwar gibt es Ideen, die
Brennelementkugeln in Industriekeramik einzuschließen oder gar zu
verbrennen, um die Graphitproblematik in den Griff zu bekommen -
wissenschaftlich erforscht ist das aber noch nicht. "Derzeit gibt es keine
Lösung für den Ahauser Atommüll", sagt der grüne Atomexperte Krischer.
Unsinnig sei schon der Bau des Zwischenlagers gewesen: "Der Müll hätte
besser in Hamm bleiben sollen."

Im Münsterland sehen Atomkraftgegner deshalb die Jülicher in der Pflicht.
"Die Forscher dort müssen endlich eine wissenschaftlich saubere Lösung
erarbeiten", mahnt Felix Ruwe von der Bürgerinitiative Kein Atommüll: "Sonst
wird Ahaus zum Endloslager." 




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