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23.07.2019

Brasilien: Bolsonaro will 8 neue Atomkraftwerke bauen

Brasiliens rechter Präsident Bolsonaro will das ambitionierte Atomprogramm
seiner linken Vorgängerregierungen Dilma Rousseff und Lula da Silva
fortsetzen und acht neue Atomkraftwerke bauen, zwei davon im Nordosten. Doch
Pernambucos Landesregierung und die brasilianische Bischofskonferenz sind
dagegen.

Aus Rio de Janeiro Norbert Suchanek

Pernambucos seit 2015 regierender und im Vorjahr wiedergewählter Gouverneur
Paulo Câmera (PSB) lehnt rigoros jegliche Pläne zum Bau von Atomkraftwerken
in seinem Bundesland ab. Während seiner Amtszeit werde es unter keinen
Umständen Atomkraftwerke in Pernambuco geben, so die endgültige Position der
Landesregierung. Câmera ist damit in einer Linie mit der katholischen Kirche
des Landes und den katholischen Bischöfen Brasiliens.

Bereits vergangenen Mai überreichte der Erzbischof von Olinda und Recife,
Don Fernando Saburido, dem Gouverneur einen "Brief zur Verteidigung des
Lebens und zur Ablehnung der Errichtung neuer Kernkraftwerke in Brasilien,
insbesondere in der Gemeinde Itacuruba.“ Hier in Itacuruba am Rio São
Francisco, mitten im Sertão Pernambucos will die Regierung Bolsonaro den
ersten von insgesamt acht geplanten Atommeilern errichten.

Das von über einem Dutzend von Organisationen, Verbänden und der Nationalen
Bischofskonferenz von Brasilien unterzeichnete Dokument lehnt indes jegliche
Atomenergiepläne, von der Uranausbeutung bis zum Kernkraftwerksbau, ab. Die
Entscheidung, in Brasilien Atomkraftwerke zu bauen, sei undemokratisch
gefällt worden. Die Bevölkerung und insbesondere die Menschen in den
Regionen der geplanten Reaktoren hätten keine Gelegenheit gehabt, sich zu
äußern, heißt es im Text. Das Land brauche keine Atomenergie, die schmutzig,
gefährlich und teuer und aus jeder Sicht gesehen nicht vertretbar sei.

Die Erzdiözese von Olinda und Recife sowie die Diözese von Floresta in
Pernambuco haben sich insbesondere gegen den Bau eines Kernkraftwerks am
Ufer des São Francisco bei Itacuruba und zum Schutz der knappen
Wasserressourcen im Nordosten mobilisiert. Vergangenen Juni luden deshalb
auch Erzbischof Dom Fernando Saburido und Bischof Dom Gabriel Marchesi den
Indianermissionsrat (CIMI), die Landpastorale (CPT), Vertreter der sozialen
Bewegungen sowie Landes- und Bundesabgeordnete zur Erörterung des Themas
nach Recife. Weihbischof Dom Limacêdo Antonio da Silva nahm ebenfalls an dem
Treffen teil.

"Als Kirche können wir einer so ernsten Angelegenheit, die der Natur
schadet, nicht gleichgültig gegenüberstehen. Und wir stehen solidarisch mit
den Menschen zusammen, die die Macht haben, ein solches Projekt zu stoppen“,
sagte Dom Saburido. Erzbischof Don Fernando bekräftigte, die Gefahren eines
Atomkraftwerks seien wirklich. „Die Kirche kämpft Seite an Seite mit der
Bevölkerung, damit jeder das Recht auf ein Leben in Würde und Sicherheit
hat.“

Die Kernkraftgegner der sozialen Bewegungen befürchten schwere Auswirkungen
für die lokale Bevölkerung insbesondere für die indigenen Gruppen der
Region, die von ihrem angestammten Land vertrieben werden könnten. Auch die
Vereinigung der Landarbeiter und Kleinbauern von Pernambuco (Fetape)
erwartet Vertreibungen und eine Verschlechterung der Lebensbedingungen fuer
ihre Familien. "Wie sollen wir mit einem Atomkraftwerk in der Nachbarschaft
leben? Wer wird unsere landwirtschaftlichen Produkte, unser Fleisch, unser
Fische kaufen, wenn alles kontaminiert ist?“, beklagt Fetape-Direktor
Adimilson Nunis, der sich insbesondere um den Rio São Francisco sorgt. Der
„Velho Chico“ ist Nordostbrasiliens wichtigster Fluß, seine Lebensader,
Wasser- und Nahrungsspender für Millionen von Menschen: Die Folgen eines
Atomunfalls wie in Tschernobyl oder Fukushima am São Francisco wären nicht
auszudenken.

Bolsonaro in den atomaren Fußstapfen Lulas

Die von Jair Bolsonaros Regierung zu Anfang des Jahres angekündigten acht
Kernkraftwerke sind Teil des Atomprogramms, das bereits von der Regierung
Lula da Silva vor mehr als zehn Jahren beschlossen wurde. Präsident Lulas
Minister für Bergbau und Energie, Edison Lobão, kündigte damals den Bau von
bis zu 50 Atomkraftwerken bis 2050 an. Bis 2030 sollten wenigsten acht neue
Kernkraftwerke, zwei davon im Nordosten, am Netz sein.

Als erstes allerdings wurde 2010 die Fertigstellung des seit 1986 „auf Eis
gelegten“ dritten Atomkraftwerks, Angra 3, im Süden Rio de Janeiros in
Angriff genommen. Der Reaktor ist wie Brasiliens zweites Atomkraftwerk Angra
2 baugleich mit dem nordbayerischen Kernkraftwerk Grafenrheinfeld, das
Deutschland 2015 aus Altersgründen abschaltete und seit 2018 kontrolliert
abreisst.

Laut Lulas Atomprogramm von 2007 hätte Angra 3 mit Hilfe des französischen
Atomtechnikkonzerns AREVA (heute Framatome) bereits 2014 am Netz sein und
Strom liefern sollen. Doch Zahlungsschwierigkeiten und Korruption in
Millionenhöhe verhinderten dies bislang. Angra 3 ist noch immer eine
Baustelle und mehrere am Bau beteiligte Politiker, Ingenieure, Firmen und
Militärs sind von Brasiliens Staatsanwälten der Korruption angeklagt, allen
voran Vizeadmiral Othon Luiz Pinheiro da Silva, der 2005 von Lula da Silva
zum Vorstand des brasilianischen Atomenergiebetreibers Eletronuclear ernannt
wurde.

Othon gilt als Vater des brasilianischen Atomenergieprogramms.
Nichtsdestoweniger wurde er 2016 rechtskräftig wegen Korruption, Geldwäsche,
Devisenhinterziehung und organisierter Kriminalität im Zusammenhang mit dem
Bau von Angra 3 zu 43 Jahren Haft verurteilt. Seit Anfang diesen Jahres ist
auch Brasiliens Ex-Präsident Michel Temer der zuvor Vize-Präsident unter der
Regierung Dilma Rousseff war, wegen „atomarer“ Korruption angeklagt. Die
Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, als Chef einer kriminellen Organisation
wenigstens rund 400 Millionen Euro im Zusammenhang mit dem Bau des
Atomkraftwerks zweckentfremdet zu haben.

Neben dem Ausbau der „zivilen“ Atomkraft beschloß die Regierung Lula da
Silva 2008 auch den Bau von Brasiliens erstem Atom-U-Boot und erfüllte damit
einen Jahrzehnte lang gehegten Traum der brasilianischen Marine. Auch hier
ist der Partner Frankreich. Doch in diesem Fall sind die Franzosen für den
nicht-nuklearen Teil zuständig, während der Atomreaktor des geplanten, 6000
Tonnen schweren und 100 Meter langen U-Boots von Brasilien entwickelt und
gebaut wird.

Die katholische Kirche Brasiliens hatte sich schon damals scharf gegen Lulas
Atom-U-Boot-Programm ausgesprochen: Auch angesichts des fortdauernden Elends
im Land seien solche Absichten der Regierung völlig falsch und abwegig,
argumenierte sie. Die brasilianische Bischofskonferenz warnte zudem davor,
dass Brasiliens Regierung mit ihren Atom-U-Boot-Plaenen zur weltweiten
Aufrüstung beitrage.

Trotzdem ging das Programm weiter, und 2013 weihte Präsident Lula da Silvas
Nachfolgerin Dilma Rousseff die nukleare U-Boot-Werft vor den Toren Rio de
Janeiros ein. Die Werft werde Brasilien in den Club der fünf
Atom-U-Bootmächte, USA, China, Frankreich, England und Russland erheben,
verkündete damals stolz Präsidentin Rousseff.

Die Inbetriebnahme von Brasiliens erstem nuklearen Unterseeboot war
ursprünglich für 2023 vorgesehen. Doch 2018, als die brasilianische
Regierung bereits rund fünf Milliarden Euro für das Prestigeobjekt
verschleudert hatte, wurde der Einweihungstermin auf 2029 verschoben. Der
Grund: Geldmangel und Korruption. Nichtsdestoweniger hat auch das „linke“
Atom-U-Boot-Programm weiterhin den Segen des „rechten“ Bolsonaro.


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