---------------------------------------------------------------------------
NABU-Pressestelle, Telefon: 0 30.28 49 84-1510, -1500, 
Telefax: 0 30.28 49 84-2500, E-Mail: pre...@nabu.de 
Redaktion: Kathrin Klinkusch, Britta Hennigs, Annika Natus
---------------------------------------------------------------------------
P R E S S E D I E N S T ---- 29.4.2010 
---------------------------------------------------------------------------

Gemeinsame Pressemitteilung

Mit dem Elektromobil durch Potemkinsche Dörfer: Umweltschutzverbände
fordern Realitätscheck für Elektromobilität 
 
Elektromobilität bringt Klimaschutz nicht voran - deutsche
Umweltschutzverbände fordern technikneutrale Förderung von effizienten
Fahrzeugen - Regierung vernachlässigt Klimaschutzziele und folgt
einseitig den Interessen der Industrie - Umweltverbände:
Milliardensubventionen sollen besser in klima- und umweltverträgliche
Mobilität für alle fließen   

Berlin, 29. April 2009: Vor undifferenzierter Euphorie zur
Elektromobilität warnen die führenden Umweltschutzverbände und fordern
die Bundesregierung zu einer realistischen Betrachtung von
Elektrofahrzeugen auf. Die von Regierung und Industrie angepriesenen
Elektrofahrzeuge bringen weder den Klimaschutz in den nächsten 10 Jahren
voran, noch lösen Elektroautos die Verkehrsprobleme von heute.
Greenpeace Deutschland, Naturschutzbund Deutschland (NABU), Bund für
Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), Deutsche Umwelthilfe e.V.
(DUH) und Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordern Bundeskanzlerin Angela
Merkel auf, die Klimaschutzziele ins Zentrum der Verkehrspolitik zu
stellen und in der Nationalen Plattform Elektromobilität nicht weiter
einseitig den Interessen von Auto-, Chemie- und Stromkonzernen zu
folgen. Die Umweltschutzverbände appellieren an Kanzlerin Merkel, die
geplanten Milliardensubventionen für die Industrie stattdessen
zielgerichtet in klima- und umweltverträgliche Mobilitätslösungen für
die gesamte Gesellschaft zu lenken. Die Regierung dürfe die angebliche
Entscheidung der Industrie auf Elektromotoren nicht auch noch mit
Steuergeld bemänteln, sondern müsse technikneutral die
klimafreundlichsten Antriebstechniken befördern. 

 „Die Autoindustrie lenkt alle fünf Jahre mit neuen Heilsversprechen
davon ab, dass sie mit ihrem aktuellen Fahrzeugangebot die
EU-Klimaschutzauflagen nicht erfüllt. Jetzt sollen wieder mehrere
Milliarden Euro direkte und indirekte Subventionen an die deutschen
Autohersteller für ein potemkinsches Dorf der Elektromobilität im Jahre
2020 fließen, während gleichzeitig der Verkauf spritfressender
PS-Boliden mit erhöhter staatlicher Förderung weitergeht“, sagte
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Resch warnte vor einer erneuten
„Plünderung der Steuerkassen durch die Autokonzerne“ und forderte
die Bundesregierung auf, keine Steuergelder an die Autoindustrie für die
Elektromobilität auszuzahlen. Stattdessen solle die Regierung mit einem
aufkommensneutral finanzierten Marktanreizprogramm die besonders
sparsamen Fahrzeuge unabhängig von der Technologie fördern und
Spritschlucker zur Gegenfinanzierung mit einer Strafsteuer belegen. In
Frankreich hat sich dieses Bonus-Malus-System ausgesprochen bewährt. 
Resch erinnerte daran, dass die Autoindustrie vor zehn Jahren insgesamt
Miliardenbeträge an Steuermitteln für die Entwicklung der
Brennstoffzellenantriebe zur Serienreife abgegriffen habe, ohne danach
je ihre Zusagen einzuhalten. Die Brennstoffzellen-Technologie wurde
damals mit demselben medialen Aufwand als Lösung aller Umweltprobleme
beworben wie heute die Elektroautos. Schon seit Jahren müssten die für
Mitte dieses Jahrzehnts von der Autoindustrie fest zugesagten
Brennstoffzellen-Serienfahrzeuge unterwegs sein. Auch die vor fünf
Jahren von der Großen Koalition versprochenen klimafreundlichen
„Biokraftstoffe der zweiten Generation“ haben sich als
„Luftnummer“ erwiesen. 

NABU-Verkehrsexperte Dietmar Oeliger lehnte einseitige Verkaufsprämien
für Elektroautos zum jetzigen Zeitpunkt ab. „Elektroautos werden sich
sehr schnell als Wolf im Schafspelz herausstellen, wenn nur der Benzin-
gegen einen Elektromotor ausgetauscht wird und ansonsten alles beim
Alten bleibt“, sagte Oeliger. Die Bundesregierung solle stattdessen
„technikneutral Anreize für Fahrzeuge mit den niedrigsten
CO2-Emissionen“ schaffen. „Völlig unabhängig davon, ob die Autos mit
Benzin, Diesel, Gas oder Strom fahren, dürfen nur die
klimafreundlichsten Autos bevorteilt werden“, sagte Oeliger. Ob dies
Elektroautos seien, müsse sich erst noch zeigen. Nach dem Vorbild
Frankreichs müsse Deutschland deshalb eine Bonus-Malus-Regelung
einführen: CO2-arme Fahrzeuge unterhalb eines Kohlendioxidausstoßes
von 90 Gramm je Kilometer bekommen einen Zuschuss, Spritfresser mit
höherem CO2-Ausstoß zahlen eine Verschmutzungsabgabe und finanzieren
so die Kaufanreize für die effizienten Fahrzeuge. 

„Die Bundesregierung versucht im Schulterschluss mit der Industrie, die
Öffentlichkeit zu täuschen“, sagte Wolfgang Lohbeck,
verkehrspolitischer Sprecher von Greenpeace Deutschland. „Elektroautos
sind eben keine Null-Emissionsfahrzeuge, sondern beim jetzigen Strommix
in Deutschland auch längerfristig sogar eher schlechter als ein
vergleichbares herkömmliches Auto. Und der Strom kommt auch für E-Autos
aus der Steckdose, nicht wahlweise aus einer Windanlage.“ Lohbeck wies
die Behauptung der großen Stromversorger zurück, Elektroautos würden mit
„grünem“ Strom betankt. „Die Stromkonzerne versuchen darüber
hinwegzutäuschen, dass die Anrechnung von „grünem“ Strom ein reiner
Verschiebebahnhof ist - es  kommt keine einzige zusätzliche „grüne“
Kilowattstunde ins Netz,“ sagte Lohbeck. „Das Potential für die
CO2-Einsparung liegt auf absehbare Zeit bei den Verbrennungsmotoren, der
Ball liegt daher weiterhin in der Hälfte der Autohersteller.“

Elektroautos könnten nur dann zu Nullemissionsfahrzeugen werden, wenn
sie mit zusätzlich erzeugter erneuerbarer Energie betrieben würden,
betonte der BUND-Energieexperte Thorben Becker. Dafür dürften nur solche
Strommengen verwendet werden, die außerhalb der Förderung des
Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) zusätzlich erzeugt worden seien.
Sonst würde der umweltfreundliche Strom anderen Nutzern entzogen, sagte
Becker. Für die Klimabilanz entscheidend sei auf jeden Fall der
Kohlendioxidausstoß des im Stromnetz vorhandenen Strommixes.
„Klimapolitisch machen Elektroautos nur dann Sinn, wenn sie nicht dem
Erfordernis im Wege stehen, den Stromverbrauch zu senken. Deshalb müssen
auch Elektroautos deutlich effizienter sein als heutige Pkw und können
nur dann eine Option sein, wenn es der Bundesregierung endlich gelingt,
den Stromverbrauch in Deutschland insgesamt deutlich zu reduzieren",
sagte Becker.

Vor einer „Irreführung der Verbraucher“ warnte Gerd Lottsiepen,
verkehrspolitischer Sprecher des VCD. „Die Werbung suggeriert,
Elektroautos seien schnell verfügbar, CO2-frei und im Betrieb
kostengünstig. Fakt ist, dass es zurzeit nur Kleinstserien gibt.
Elektroautos sind auch noch in einigen Jahren 10.000 bis 20.000 Euro
teurer als vergleichbare Benziner - bei einer Reichweite von 100 bis 200
Kilometern. Zum Energieverbrauch gibt es nur Mondzahlen. Die Politik
muss sofort realistische Verbrauchstests und - analog zum Kühlschrank -
ein anschauliches Label einführen, das auf einen Blick den
Energieverbrauch und CO2-Ausstoß gemäß Kraftwerksmix anzeigt“, sagte
Lottsiepen. Der Autoindustrie gehe es nicht um Klimaschutz, sie wolle
Elektroautos als Zweit- und Drittauto zu vermarkten. Lottsiepen: „Das
führt in den Verkehrskollaps, die Bundesregierung muss klima- und
ressourcenschonende Mobilität in einem Gesamtkonzept fördern und nicht
alles auf die Karte einer einzigen Technik setzen.“

Für Rückfragen
Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe e.V. Bundesgeschäftsführer,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Mobil: 0171 3649170, re...@duh.de 

Dietmar Oeliger, Naturschutzbund Deutschland, Charitéstr. 3, 10117
Berlin, 
Tel. 030 28 49 84-1613, Mobil: 0172 9201823, dietmar.oeli...@nabu.de 

Thorben Becker, Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e.V., 
Mobil 0173-6071603, thorben.bec...@bund.net  

Wolfgang Lohbeck, Greenpeace Deutschland, Mobil: 0171 87 80 823,
wolfgang.lohb...@greenpeace.de 

Gerd Lottsiepen, Verkehrsclub Deutschland, Rudi-Dutschke-Str. 9, 10969
Berlin, 
Tel. 030 28035111, 0171 8824449, gerd.lottsie...@vcd.org 

Ulrike Fokken, Sprecherin Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel. 030 2400867-22, 0151 55017009,
fok...@duh.de 

Im Internet zu finden unter www.NABU.de 



_______________________________________________
Pressemeldungen mailing list
Pressemeldungen@lists.wikimedia.org
https://lists.wikimedia.org/mailman/listinfo/pressemeldungen

Antwort per Email an