Betreuungsrecht: Neuregelung hilft psychisch Kranken

Zu dem heute vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf einer Formulierungshilfe 
zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche 
Zwangsmaßnahme erklärt Bundesjustizministerin Sabine 
Leutheusser-Schnarrenberger:

Mit dem heute vorgelegten Entwurf wird Betroffenen konkret geholfen. Wenn 
jemand wegen einer Krankheit seinen freien Willen verliert, muss der Staat zum 
Wohle des Patienten helfend eingreifen können. Die Neuregelungen knüpfen an die 
bisherige Rechtsprechung an. Künftig können psychisch Kranke unter engen 
Voraussetzungen auch dann ärztlich behandelt werden, wenn ihnen die Fähigkeit 
zur freien Willensbildung fehlt. 

Die derzeitige schwierige Situation für Betroffene und Ärzte ist entstanden, 
weil der Bundesgerichtshof in zwei Entscheidungen im Juni 2012 Ärzten auch 
solche Behandlungen untersagt hat, die notwendig für den Patienten sind. Mit 
den Neuregelungen sorgen wir dafür, dass Ärzte künftig nicht mehr sehenden 
Auges eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Patienten hinnehmen 
müssen. 

Gleichzeitig werden die Belange des Betreuten gestärkt. Die Einwilligung des 
rechtlichen Betreuers in eine ärztliche Zwangsmaßnahme - wie auch die 
Unterbringung - muss ein Richter genehmigen. Eine ärztliche Zwangsmaßnahme ist 
nur im Rahmen der stationären Unterbringung zulässig und nicht ambulant. Der 
richterliche Beschluss zur Genehmigung einer Einwilligung in die ärztliche 
Zwangsmaßnahme muss konkrete Angaben zur Durchführung der Maßnahme und zu ihrer 
Dokumentation enthalten. Die Dauer für die richterliche Genehmigung einer 
Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme ist jeweils auf sechs Wochen 
begrenzt.


Zum Hintergrund:

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung 
am 20. Juni 2012 entschieden, dass es an einer hinreichend bestimmten 
Rechtsgrundlage für eine Einwilligung des rechtlichen Betreuers in eine 
zwangsweise medizinische Behandlung des Betreuten fehlt. Der BGH hat darauf 
hingewiesen, dass ein unter Betreuung stehender Mensch gegen seinen natürlichen 
Willen nur auf der Grundlage eines - derzeit fehlenden - Gesetzes und unter 
eingeschränkten Voraussetzungen medizinisch behandelt werden darf. Dazu gehört 
insbesondere die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und bestimmter 
verfahrensrechtlicher Sicherungen. Wegen der derzeit fehlenden rechtlichen 
Grundlage können Menschen, denen krankheitsbedingt die Einsicht in die 
Behandlungsnotwendigkeit fehlt, häufig medizinisch nicht ausreichend versorgt 
werden. Dies kann unter Umständen zu erheblichen gesundheitlichen Schäden 
führen. So kann beispielweise bei einem psychisch Kranken eine akute 
Krankheitsepisode bei einer Nichtbehandlung einen schwereren und längeren 
Verlauf nehmen. Dies kann für den Betroffenen mit einem extremen Leiden 
verbunden sein. Zugleich führt eine fehlende Behandlung unter Umständen auch zu 
einer deutlichen Verlängerung der Unterbringungszeit einschließlich 
zusätzlicher unterbringungsähnlicher Maßnahmen wie z.B. Fixierungen. 

Mit dem heute beschlossenen Entwurf soll durch Änderungen in § 1906 
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), den der BGH bis dahin als hinreichende 
Rechtsgrundlage angesehen hatte, eine hinreichend bestimmte Regelung zur 
Einwilligung des Betreuers in die Behandlung des Betreuten getroffen werden. 
Die Änderungen werden durch verfahrensrechtliche Regelungen flankiert. Die 
ärztliche Zwangsmaßnahme soll näher bezeichnet werden. 

Die Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsmaßnahme ist nur unter 
folgenden engen Voraussetzungen möglich:

*       Die Einwilligung des Betreuers kommt nur bei einem krankheitsbedingt 
einwilligungsunfähigen Betreuten in Betracht;
*       die Einwilligung des Betreuers muss zur Abwendung eines dem Betreuten 
drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens erforderlich sein;
*       der erhebliche gesundheitlichen Schaden darf nicht durch eine andere 
zumutbare Maßnahme abgewendet werden können:
*       der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme muss die zu 
erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegen.

Der Entwurf einer Formulierungshilfe bildet die bis zu den jüngsten Beschlüssen 
des Bundesgerichtshofs bestehende Rechtslage möglichst nah ab. Eine 
Zwangsbehandlung darf nur im Rahmen einer stationären Unterbringung nach § 1906 
Absatz 1 BGB erfolgen, eine ambulante Zwangsbehandlung bleibt weiterhin 
unzulässig. Wie die Unterbringung selbst, bedarf auch die Einwilligung in die 
ärztliche Zwangsmaßnahme der gerichtlichen Genehmigung und unterliegt denselben 
strengen verfahrensrechtlichen Anforderungen. Dazu zählen Regelungen zur 
Einholung eines Sachverständigengutachtens und zur Bestellung eines 
Verfahrenspflegers. Zusätzlich sehen die verfahrensrechtlichen Änderungen 
Mindestanforderungen an den Beschluss über die Genehmigung der Einwilligung 
einer ärztlichen Zwangsmaßnahme vor. 
 
Den Gesetzentwurf finden Sie hier.

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Anders Mertzlufft
Leiter des Referats Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Bundesministerium der Justiz
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