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Klimaretter.info - 11.08.2012

Nichts gelernt 10 Jahre nach der Flut

Zehn Jahre nach der Jahrhundertflut in Sachsen geht der BUND hart ins Gericht 
mit dem bundesdeutschen Hochwasserschutz: Die Bundesrepublik bleibt auf diesem 
Gebiet Entwicklungsland. Und wegen der Erderwärmung ist Wiederholung 
vorprogrammiert

Aus Dresden Markus König und Matthias Rietschel (Fotos)

Am 11. August 2002 begann es zu regnen. Sanft zunächst, schnell aber stärker. 
Bis zu 60 Millimeter Niederschlag meldete das Radio am Nachmittag. Was immer 
das bedeuten mochte: Es schien betonenswert.

Das Unwettertief "Ilse" erreichte vor zehn Jahren den Erzgebirgskamm. Und 
entfesselte ungewohnte Kraft. Mit dem Begriff "5-B-Wetterlage" [1] konnte 
damals in Sachsen noch niemand etwas anfangen. Aber das sollte sich ändern: 
Binnen 24 Stunden prasselten am 12. August in Zinnwald 312 Liter Wasser pro 
Quadratmeter nieder, in Dresden immerhin noch 158 Liter. Das bedeutet: Nach 24 
Stunden Regen stand das Wasser auf dem Erzgebirgskamm in Zinnwald theoretisch 
31 Zentimeter hoch. Auf drei Quadratmetern sammelte sich also eine Tonne Wasser.

Was das anschaulich bewirkt, zeigt ein - rechnerischer - Vergleich: Wenn 50 
Tonnen Wasser einen zehn Meter hohen Abhang hinunterstürzen, haben sie - 
energetisch gesehen - dieselbe Wirkung wie ein 20 Tonnen schwerer 
Lastkraftwagen, der mit 80 Kilometern pro Stunde in ein Haus donnert.

Genau das geschah nach dem 12. August 2002 in Sachsen dutzendweise: Die 
Jahrhundertflut zerstörte allein in Sachsen 30.000 Gebäude, 180 Brücken, 11.000 
Betriebe, 47 Straßen mit einer Länge von 740 Kilometern sowie 538 Kilometer 
Eisenbahngleise - 20 Prozent des sächsischen Schienennetzes. 10 Milliarden Euro 
Schaden waren allein in Sachsen zu beklagen - und 21 Tote.

Ein Anlass zum Umdenken

"Die Flutkatastrophe muss Anlass zum Umdenken geben", sagte damals Norbert 
Ziegler, Leiter des Staatlichen Umweltfachamtes in Plauen. Zu viel 
Flussbegradigung, zu viel Flächenversiegelung, zu wenig Überschwemmungsraum der 
Flüsse: "Die Flutkatastrophe muss generell Anlass zum Umdenken sein." Nicht 
überall nämlich, wo sich die Flüsse mit Brachialgewalt ein neues Bett suchten, 
dürften sie jetzt wieder in die alten Bahnen gelenkt werden. O-Ton Ziegler im 
September 2002.

Zehn Jahre später hat nun der BUND nach Dresden zur Bilanz geladen. Und die 
fällt vernichtend aus: "Sowohl die Bundesregierung als auch die 
Landesregierungen der Elbanrainer hatten nach der Jahrhundertflut 2002 vor der 
Presse versprochen, den Flüssen mehr Raum zu geben. Kaum waren sie dem 
Presseraum entschwunden, war das Versprechen schon vergessen", sagte der 
BUND-Vorsitzende Hubert Weiger in Dresden. [2]

Der BUND bilanziert: Hunderte Millionen Euro wurden seit 2002 für technische 
Hochwasserschutzmaßnahmen wie Deichverstärkungen, den Bau von Rückhaltebecken 
und Uferbefestigungen ausgegeben. Also für den sogenannten technischen 
Hochwasserschutz. Für den ökologischen Hochwasserschutz wurde aber viel zu 
wenig getan: Die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe [3] hatte nach 
dem Desaster 35.000 Hektar Flächen für Auenrenaturierungen und 
Deichrückverlegungen identifiziert. Realisiert seien davon aber lediglich 
weniger als fünf Prozent, so der BUND.

Talauen zum Bau-Tabu erklären

"Hochwasserschutz muss schon im Quellgebiet beginnen", sagte Weiger in Dresden 
- und nannte dabei ausdrücklich das Erz- und Riesengebirge. In den 
Quellgebieten müsse es wieder mehr naturnahe Wälder und intakte Moore geben. 
Weiger konstatierte eine "schleppende Aufforstung in Sachsen". Anhand von 
Zahlen illustrierte der BUND-Chef das Versäumnis: Gab es - nach Jahren von 
saurem Regen im Erzgebirge - 1996 landesweit 27,6 Prozent Wald, so stieg dieser 
bis 2010 nur auf etwas mehr als 28,3 Prozent.

Deutschland sei ein "Entwicklungsland", wenn es um den ökologischen 
Hochwasserschutz gehe, so Weiger. Fließgewässer müssen wieder mehr Platz 
erhalten, es müssen auch wieder mehr Auenwälder entstehen, die Hochwasser 
aufnehmen können.

Weiger fordert außerdem neue Aufgaben für die Wasserstraßenverwaltung des 
Bundes. Sie sollte auch für die Erfüllung der EU-Wasserrahmenrichtlinie 
zuständig sein und sich zu einer Flussschutzverwaltung wandeln.

Wolfgang Riether, BUND-Geschäftsführer aus Sachsen, kritisiert die 
Landesregierung, weil deren Hochwasserstrategie von den Lobbyinteressen der 
Bauindustrie und Landwirtschaft "überprägt" sei. Die Ausrichtung des 
Hochwasserschutzes auf Fluten, die statistisch einmal in 100 Jahren auftreten 
(HQ100), seien viel zu aufwendig und zu teuer. Sinnvoller wäre ein Schutz vor 
Fluten, wie sie einmal in 50 Jahren vorkommen (HQ50), die gibt es einfach 
öfter. Das wäre "machbar, billiger und wirksam".

Die Münchner Rückversicherung hatte einen deutlichen Prämienanstieg für 
Hochwasser-Versicherungen angekündigt. Nach einer Studie des Gesamtverbandes 
der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wird in Deutschland schon in den 
nächsten 30 Jahren die Zahl der Hochwasser deutlich zunehmen.

Auch aktuell belasten die zunehmenden Wetterkatastrophen den Münchner Konzern. 
Wegen der Dürre in den USA musste die Munich Re 160 Millionen Euro an Reserven 
bilden. Vorstand Torsten Jeworrek sagte anlässlich der Vorstellung [4] der 
Zahlen des Versicherungskonzerns in München, durch den Klimawandel würden 
solche Katastrophen ebenso wie Überschwemmungen künftig zunehmen.

Buchtipp: als der Regen kam [5]. Ein Fotolesebuch zur Flut in Sachsen. Michel 
Sandstein Verlag 2002

Im Text verwendete Links:

[1] http://www.klimaretter.info/tipps-klima-lexikon/6062-fuenf-b-wetterlage
[2] http://bund.net/themen_und_projekte/naturschutz/elbe/elbehochwasser_2002
[3] http://www.ikse-mkol.org/
[4] http://www.welt.de/newsticker/news3/article108510386/
[5] http://www.bookfinder.com/search/?keywords=3930382792&st=sh&ac=qr

--

[Bilder]

Ungeheure Wucht: Von dem Haus im Hintergrund blieben im Müglitztal nur die 
Reste dieser einen Wand übrig. An den dunklen Stellen der stehengebliebenen 
Häuser kann man den Höchstand des kleinen Müglitz-Baches erkennen.
http://images.klimaretter.info/filestore/7/0/7/9_069f34a6cf1c7dc/7079pre_01f118d1326b6db.jpg

Ungeheures Sammelbecken: In Dresden staute sich jenes Wasser, welches die 
kleinen Flüsse in den Elbtalkessel spülten.
http://images.klimaretter.info/filestore/7/0/7/8_695b365a579f121/7078pre_7beb17de0d7a60b.jpg

Ungeheure Zerstörung: Der Flut 2002 fielen 30.000 Gebäude zum Opfer - hier im 
Müglitztal.
http://images.klimaretter.info/filestore/7/0/7/7_2fc12d2d98533bb/7077pre_f37594c78f2bf34.jpg

Ungeheures Leid.Viele Menschen verloren alles, was ihnen lieb und teuer war. 
Hier: nach der Flut in Pirna.
http://www.klimaretter.info/images/stories/umwelt/hochwasser/flut_02.jpg

http://www.klimaretter.info/images/stories/umwelt/hochwasser/flut_01.jpg 

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