NABU-PRESSEMITTEILUNG | NR 85/17 | 2. AUGUST 2017

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Umwelt/Vogelschutz (Sperrfrist: 3. August 2017, 0:00 Uhr)

Junge Schreiadler brauchen Altvögel um das Winterquartier zu erreichen


Forschungsprogramm liefert neue Erkenntnisse zum Zugverhalten und
Schutz der Art

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Berlin – Mit Hilfe von modernen Satellitensendern hat der NABU neue
Erkenntnisse über das Zugverhalten der Schreiadler herausgefunden. Die
Ergebnisse zeigen, dass abziehende Jungvögel, die grundsätzlich ohne
ihre Eltern in das Winterquartier aufbrechen, unterwegs auf die
Erfahrung von Altvögeln angewiesen sind, um die beste Route über den
Bosporus um das Mittelmeer herum zu finden. „Treffen sie unterwegs keine
Altvögel, fliegen sie meist einfach nur in südliche Richtungen und
kommen dann beim Versuch um, das Mittelmeer zu überfliegen. Denn über
dem Meer gibt es keine thermischen Aufwinde, auf die Adler als
Segelflieger dringend angewiesen sind“, sagt Bernd-Ulrich Meyburg,
Leiter des NABU-Programms. 

 

Die Forschungsergebnisse konnten nun erstmals in einem Artikel im
Fachmagazin „Journal of Experimental Biology“ veröffentlicht werden.
„Der NABU profitiert enorm von solchen Forschungen, um den Schutz des
vom Aussterben bedrohten Schreiadlers zu verbessern. Den Tieren fehlen
ungestörte Brutwälder und nahrungsreiche Feuchtwiesen, aber auch
schlecht platzierte Windenergieanlagen im Schreiadlergebiet minimieren
weiterhin den Bestand“, sagte Olaf Tschimpke, NABU-Präsident.

 

Die winzige Restpopulation des Schreiadlers in Deutschland ist vom
Aussterben bedroht. Die verbliebenen gut 100 Brutpaare in
Nordost-Deutschland bilden zugleich die Westgrenze der Verbreitung
dieser fast ausschließlich in Europa brütenden Vogelart. Um die
Population zu stützen, führt der NABU ein Programm zur Handaufzucht und
Auswilderung zweitgeborener Schreiadler-Küken durch. Diese hätten ohne
Hilfe keine Überlebenschance, da Schreiadler grundsätzlich nur eines von
zwei Jungen aufziehen. Seit 2004 wurden so bereits 86 zusätzliche
Jungadler in Brandenburg ausgewildert, 36 davon stammten aus der Region.
50 weitere wurden dagegen aus Lettland importiert, wo der Schreiadler
noch in größerer Zahl vorkommt. Der natürliche Bruterfolg der
Schreiadler Brandenburgs konnte so in diesem Zeitraum um über 70 Prozent
erhöht werden.

 

Für das Forschungsprogramm konnte Bernd Meyburg für ein einzigartiges
Orientierungsexperiment 15 lettische und acht brandenburgische Jungadler
sowie neun brandenburgische Altvögel mit GPS-Satellitensendern
ausstatten. Insbesondere sollte untersucht werden, ob die von ihrem
Geburtsort um 940 km nach Südwesten gebrachten lettischen Adler
vielleicht eine andere, weniger geeignete Zugroute einschlagen würden
als die heimischen Jungvögel aus Brandenburg. „Wenn die lettischen
Jungvögel durch die Umsiedlung im Nachteil wären, würde das den
Erfolg des Aufzuchtprogramms schmälern“, so Meyburg. 

 

Es zeigte sich aber, dass die eingeschlagenen Zugwege nicht durch die
Herkunft der Jungvögel, sondern durch das Abzugsdatum bestimmt werden.
Diejenigen Jungadler, die deutlich vor den lokalen Altvögeln abzogen,
flogen allgemein in südliche Richtungen und landeten meist im
Mittelmeer. Die etwas später gleichzeitig mit Altvögeln aus der Region
abziehenden Jungvögel flogen dagegen auf dem richtigen Zugweg Richtung
Bosporus nach Südosten. Junge Schreiadler, gleichgültig ob aus
Deutschland oder Lettland stammend, müssen die optimale Zugroute also
von fremden älteren Adlern erlernen, im Gegensatz etwa zu vielen nachts
ziehenden Kleinvögeln, denen die angeborene Zugrichtung und -länge zur
Orientierung ausreichen. Insgesamt erreichten nur 55 Prozent der
Jungvögel Afrika. 

 

„Die Chance bei südlichem Abzug auf erfahrene ziehende Altvögel aus
westlichen Teilen des Verbreitungsgebietes zu treffen, ist bei
osteuropäischen Schreiadlern groß“, erklärt Meyburg. „Anders sieht
dies für Jungvögel am westlichen Rand des Verbreitungsgebietes in
Deutschland aus: Sie haben nur ganz am Anfang ihres Zuges eine Chance
sich erfahrenen Schreiadlern anzuschließen, was ihre Überlebenschancen
deutlich mindert. Gleichzeitig wissen wir nun, dass die aus Deutschland
nach Südosten ziehenden Schreiadler als ‚Einsammeldienst‘ für östliche
Jungvögel besonders wichtig sind – ein Grund mehr, sich für die
verbliebenen Schreiadler am westlichen Rand des Verbreitungsgebiets in
Deutschland einzusetzen.“

 

Herausragend für die Forscher war auch die Erkenntnis, dass die
importierten lettischen Vögel die Auswilderungsregion und nicht den
Geburtsort als Heimat betrachten. Einige der ausgewilderten Jungvögel
konnten nämlich später als Brutvögel in Deutschland und im benachbarten
Polen festgestellt werden. Ein ursprünglich aus Lettland stammendes
Männchen besetzte sogar ein Revier in nur wenigen Kilometern Entfernung
von der Auswilderungsstation. Dank der Studie konnte der NABU in diesem
Jahr neben Jungvögeln aus Brandenburg erstmals  auch wieder acht
Zweitküken aus Südost-Polen in das Auswilderungsprogramm aufnehmen.

 

Literaturangabe zur Veröffentlichung:
Meyburg, B.-U., Bergmanis, U., Langgemach, T., Graszynski, K., Hinz,
A., Börner, I., Meyburg, C. and Vansteelant, W. M. G. (2017).
Orientation of native versus translocated juvenile lesser spotted eagles
(Clanga pomarina) on the first autumn migration. Journal of Experimental
Biology 220: 1-12. doi: 10.1242/jeb.148932 0



Der Artikel ist frei zugänglich unter http://jeb.biologists.org/
 
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Für Rückfragen:
Prof. Bernd-Ulrich Meyburg, Leiter des NABU-Programms zum
Jungvogelmanagement bei Schreiadlern und Hauptautor der Studie,
+49-160-96775743, E-Mail: bumeyb...@aol.com
 
Lars Lachmann, NABU-Vogelschutzexperte, 030-284984-1620, E-Mail:
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