Land der Berge, Land am Strome,

Energie ist Leben. Und rohstoff-basierte Energie wird knapp. In Europa haben 
wir bereits eine kritische Masse an alternativen Stromquellen, aber das gesamte 
Stromnetz ist auf direkten Verbrauch ausgelegt, denn es muss in jedem Moment so 
viel Energie verbraucht werden, wie produziert wird. Der "Nachtstrom" und die 
Stromheizung waren einst ein sehr erfolgreicher Versuch der Energiespeicherung 
in zahlreichen mitteleuropäischen Ländern. Der Europäischem Maßstab erfordert 
das Speichern von Energie in großindustriellem Maßstab: in Österreich sind hohe 
Berge und Wasserkraftwerke mit großen Speicherseen vorhanden. Alle sind seit 
Jahren mit Wasserpumpen ausgestattet. Auch in kleinerem Maßstab wird das System 
verwendet: viele kleine künstliche Seen, einst als es noch Schnee gab zur 
Versorgung der Beschneiungsanlagen errichtet, bilden als lokale Pumpspeicher 
eine lukrative Einnahmequelle für die kommunale Versorgung, etwa der 
Stromspeicher der SBE, der Strom-Bewirtschaftungsgemeinschaft Eisenerz. 
Österreich ist im Jahr 2050 der Akku Europas - wegen der Topologie. Der 
Donaustrom und seine Laufkraftwerke dienen der Stabilisierung des Stromnetzes 
im Land - denn wer es sich leisten kann, leistet sich einen Sicherheitsfaktor > 
1, um die Versorgung mit Energie garantiert sicher zu stellen. Und diesen Luxus 
können sich hier viele leisten. Weil wer sich weder Sicherheitsfaktor noch 
Versicherung leisten kann, musste schon vor Jahren - dank des unbeschränkten 
Zugangs zu allen Märkten - in finanziell günstigere Regionen wechseln. Etwa ins 
Baltikum, denn auch die Steppe hat ihren Reiz - oder nach Mittelspanien.

Land der Äcker, Land der Dome,

Die Rolle, die dem Landstrich der Österreich heißt im Jahr 2050 in der EU 
zukommt kann leicht am Beispiel der Vereinigten Staaten von Amerika erforscht 
werden: Österreich ist das Florida Europas. Es ist der Alterssitz reicher 
Europäer. Sämtliche Häuser in den Bergen und rund um die Seen sind unbewohnte 
Zweitwohnsitze fürs Wochenende oder für den wohlverdienten Ruhestand. 
Sogenannte "einheimische Bevölkerung" wird zur Pflege der Infrastruktur und zur 
Versorgung der Betuchten benötigt. Der Begriff "Einheimische" bezeichnet hier 
angesiedelte, wirtschaftlich abhängige Hilfskräfte. Private Vereine, etwa der 
"Bauernbund" oder die "Kirchen Österreichs" werden von wohltätigen Stiftungen 
versorgt und finanzieren die Pflege von Landschaft in Form bäuerlicher 
Schaubetriebe oder Brauchtumsfesten wie etwa historischen religiösen 
Veranstaltungen, die als Event auf Cocktailparties gerne gebucht werden.

Land der Hämmer, zukunftsreich!

Im Inntal eröffnet eine Molkerei - ein touristisches Schauobjekt zur 
Darstellung historischer Milchgewinnung in alpinen Regionen. Barrierefrei und 
multimedial wird dargestellt, wie hart einst Lehrer in ihrer Freizeit die 
ererbten Almwiesen ihrer Eltern notdürftig mit Milchvieh bewirtschafteten, wie 
heroisch sie versuchten, die fürs flache Land geschaffenen Agrargesetze 
umzusetzen, wie tapfer sie dem Traum von unberührter Natur nachhingen. Die 
Versorgung der Bewohner des Alpenlandes erfolgt natürlich schon lange aus den 
umliegenden Mitgliedsstaaten, in denen einfacher und billiger produziert werden 
kann. Aus dem gleichen Grund ist auch Industrie in nennenswertem Umfang in 
Österreich einfach nicht mehr erforderlich - zu teuer die Transporte, zu hoch 
die Auflagen der Anrainer. Die Landschaft ist auch viel zu schön, um sie für 
schnöde Produktion zu verschwenden. Die letzten Industrieruinen dienen aber 
immer noch als Refugium für Alternativkultur. Nennenswerte größere 
Industriebetriebe abseits lokal notwendiger Infrastruktur zur Verteilung von 
Gütern und als Basis von internationalen Dienstleistungen sind jedoch schlicht 
und einfach nicht erforderlich.

Heimat großer Töchter und Söhne,

So schön hatten es sich die verantwortlichen Landeskaiser damals vorgestellt: 
was im föderalen Österreich funktioniert, geht auf europäischer Ebene auch 
irgendwie: Einnahmen und Ausgaben werden getrennt. Ausgaben auf kommunaler 
Ebene mit Ruhm und Ehre für die Verantwortlichen, Einnahmen auf weit entfernter 
föderaler Ebene, auf die man schimpfen kann. Die Länder bleiben die Länder, 
aber das Böse, das uns alle aussackelt sitzt längst nicht mehr in Wien, sondern 
in Brüssel. Schon in Österreich durfte der Tiroler den Wiener nur am Stammtisch 
verwünschen. Rechtlich gab es aber schon damals keine Handhabe, dem 
zugewanderten Oberösterreicher den Sitz als Landeshauptmann von Kärnten zu 
verweigern. So ist es auch nun: Der aus Südspanien zugewanderte Bauunternehmer, 
der die Hitze nicht so verträgt und sich in den hinteren Langbathsee verliebt 
hat, ist nun Landeshauptmann von Westösterreich mit Sitz in der Stadt Salzburg. 
Er hat eine Koalition mit der historisierenden Tiroler Heimatpartei und 
versorgt seine Spezln mit verfallenen Wellnesshotels in B-Lagen, die zu 
Wohnheimen für französische Saisonalmediziner umgebaut werden, die sich auf 
Geriatrie spezialisiert haben.

Volk, begnadet für das Schöne,

Kunst bedeutet museale Kunst. Also Pflege, Erhaltung, Wiederherstellung des 
Schönen und des von Umwelteinflüssen Zerstörten. Zeitgenössische Kunst ist in 
einem geringen Maß erforderlich, um den Eindruck vorhandener Jugend 
vorzutäuschen. Auch Seniorenheime leisten sich schließlich Wandmalereien. 
Halbwissen über kulturhistorische Zusammenhänge ist erforderlich, als Grundlage 
für Smalltalk. Subkultur ist unter der Wahrnehmungsschwelle zu halten. Ziel ist 
hier, das kleine aber latent vorhandene subversive Potential ruhig zu stellen, 
aber im Gegenzug keine potentiellen Investoren zu vergraulen. Hochwertigste 
Kulturvereine gibt es in jedem Dorf des Landes, mit eigener, perfekt 
ausgestatteter Konzerthalle mit akustischen Bestwerten, internationalen Stars 
am mindestens jährlich stattfindenden Festival. Ursprünglich gegründet von 
einem Weltstar, der sein Vermögen schließlich in eine Stiftung eingebracht hat, 
die das Festival nun autonom und auf ewig weiterträgt. Gegeben wird 
hauptsächlich Klassik, also Mozart, Beethoven, Abba und Queen.

vielgerühmtes Österreich,

Europäische Jugendliche fahren zum ersten legalen Massenbesäufnis nach dem 
Abitur längst nicht mehr wie einst in die zum Erb-Fürstentum gewordene Türkei, 
sondern an die aus der Donau künstlich versorgten Recreational Areas Neusiedler 
See und Balaton. Weil mitten in Europa und daher günstig zu erreichen. Die 
wunderbaren Residenzen und Chalets in den Bergen sind nun Alterssitze des 
betuchten Weltbürgertums - neben höher gelegenen Karibikinseln und einem Haus 
in den letzten Schneelagen Nordgrönlands natürlich. Aber die Infrastruktur in 
Österreich ist natürlich viel besser. Und medizinische Infrastruktur ist in 
hoher Qualität vorhanden, für alle mitreisenden Ärzte gut verwendbar. 
Allerorten barrierefreie Luxusrestaurants mit hochwertigsten biologischen 
Nahrungsmitteln, von namhaften internationalen Konzernen in niederländischen 
Labors liebevoll hergestellt. Aufstiegshilfen auf jeden Hügel, errichtet vom 
amerikanischen Mischkonzern, der den mittelständischen Weltmarktführer im 
Seilbahnbau einst feindlich übernommen hat.

vielgerühmtes Österreich!

Militär braucht so ein Land natürlich nicht. Schon Tirol hatte seinerzeit nur 
Gebirgsschützen, aber keine eigenen Abfangjäger. Militär ist also 
museal-historisch zu sehen, lediglich die lokalen Eigentumsverhältnisse sind zu 
verteidigen und ein technisches Hilfswerk für den Katastrophenfall ist lokal 
vorhanden. Umfassende geistige Landesverteidigung ist auf transatlantischer 
Ebene in Form permanenter medialer Angst manifestiert. Weltweite Krisen 
versteht man in jeder Sprache. Mehr braucht es nicht, um vorhandene 
Machtverhältnisse zu zementieren.

In diesem Sinne: einen schönen Nationalwandertag 2014.
_______________________________________________
bagasch mailing list
bagasch@lists.monochrom.at
http://monochrom.at/mailman/listinfo/bagasch

Antwort per Email an