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From: [EMAIL PROTECTED] To: [EMAIL PROTECTED] Date: Tue, 14 Mar 2006 22:44:59 +0100 Subject: [Chiapas98] Mexiko-Info aus Poonal 709 v. 14.03.2006 Sender: [EMAIL PROTECTED] Poonal Nr. 709 vom 14. Ma:rz 2006 WELTWASSERFORUM: KRITIKER MOBILISIEREN ZU ALTERNATIVVERANSTALTUNGEN Von Gerold Schmidt (Mexiko-Stadt, 10. Ma:rz 2006, npl).- "Lokale Aktionen fu:r eine globale Herausforderung", so heisst das unverfa:ngliche Motto fu:r das 4. Weltwasserforum, das vom 16. bis 22. Ma:rz in Mexiko-Stadt tagt. Nach Ansicht von Kritikern hat der Weltwasserrat, der das Forum seit 1997 im Dreijahres-Rhythmus durchfu:hrt, jedoch vor allem eins im Sinn: Er wolle das Wasser als Wirtschaftsgut anerkennen und als Ware anstelle eines o:ffentlichen Gutes weiter hoffa:hig machen. Zudem solle der Einfluss privater Unternehmen in den verschiedenen Bereichen des Wassersektors gesta:rkt werden. Anders als vielfach vermutet ist dieser Wassergipfel, an dem neben erwarteten 10.000 Teilnehmern aus aller Welt auch knapp 100 Minister teilnehmen werden, keine UNO-Veranstaltung. Vielmehr handelt es sich bei dem organisierenden Rat um eine private Institution, die auf Ru:ckendeckung der Weltbank und multinationaler Wasserkonzerne wie Veolia, Ondeo oder auch RWE za:hlen kann. Dass das Forum diesmal laut Programm "die Beteiligung von NGO und Organisationen der Zivilgesellschaft" als "wesentlich" ansieht und das Wort Privatisierung tunlichst vermeidet, a:ndert daran nichts. Wohl nicht umsonst suchte sich der Weltwasserrat Mexiko mit seiner konservativen und marktgla:ubigen Regierung als Sitz fu:r das 4. Forum aus. Aus dem Umfeld der mitorganisierenden Nationalen Wasserkommission Mexikos wird seit Monaten fu:r ho:here Wassertarife, privatwirtschaftliche Investitionen im Wassersektor und eine "neue Wasserkultur" getrommelt. "Was allen geho:rt, geho:rt niemandem. Das sind die Ketten, die uns daran hindern, ein modernes Land zu haben", erkla:rte Ende Februar der Pra:sident des Beirates der Wasserkommission. OECD-Generaldirektor Jose' A'ngel Gurri'a, ehemals mexikanischer Aussen- und Finanzminister, schlug vor wenigen Tagen in die gleiche Kerbe. "Solange Wasser als o:ffentliches, fast kostenloses Gut angesehen wird, werden sich seine falsche Verwendung, seine schlechte Zuteilung und sein Missbrauch beschleunigen". Als Vorsitzendem einer Sondergruppe fu:r zuku:nftige Finanzierungsbedu:rfnisse im Wassersektor kommt Gurri'a eine Schlu:sselfunktion auf dem Forum zu. Gegen die auf den Weltwasserforen massgeblichen Interessen hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr Widerstand organisiert. Nicht zuletzt aufgrund zum Teil desastro:s ausgegangener Privatisierungsvorhaben bei der sta:dtischen Wasserversorgung, umstrittener Projekte wie Mega-Stauda:mmen in la:ndlichen Regionen und Reformen der Gesetzesgrundlagen zugunsten privater Investitionen im Wassersektor. In Mexiko organisiert eine Koalition einheimischer Organisationen in Zusammenarbeit mit internationalen Wasseraktivisten wie den "Friends for the Right to Water" vom 17. bis 19. Ma:rz das "Internationale Forum zur Verteidigung des Wassers". Daran beteiligt ist unter anderem die Kampagne "Menschenrecht Wasser" der deutschen Organisation Brot fu:r die Welt. Am 16. Ma:rz soll eine Grossdemonstration die Ablehnung der offiziellen Wasserpolitik vor die Tore des Kongresszentrums tragen, in dem das Weltwasserforum ero:ffnet wird. Im Rahmen der bereits vor Wochen angelaufenen Aktionstage zur Verteidigung des Wassers wird es zahlreiche weitere Alternativveranstaltungen geben. Die mexikanische Regierung hat auf die dissidenten Stimmen nicht besonders souvera:n reagiert. So berichten anreisewillige ausla:ndische Wasseraktivisten u:ber Probleme bei der Visabewilligung. Dem von der Heinrich-Bo:ll-Stiftung unterstu:tztem Lateinamerikanischen Wassertribunal, vor dem vom 13. bis 20. Ma:rz lateinamerikanische Wasserkonflikte verschiedensten Ursprungs verhandelt und beurteilt werden, ku:ndigte das der mexikanischen Bundesregierung unterstehende Anthropologische Museum im Mexiko-Stadt am vergangenen Dienstag zuvor schriftlich zugesagte Ra:umlichkeiten auf. Werbespots der Regierung, die Sicherheit des Weltwasserforums zu garantieren, werden von vielen als u:berflu:ssige und provozierende Drohung interpretiert. INTERVIEW ZUM WIDERSTAND GEGEN DAS WASSERKRAFTWERK LA PAROTA Zu den Konflikten, die auf den Alternativveranstaltungen zum 4. Weltwasserforum in Mexiko-Stadt (16.-22. Ma:rz) pra:sent sind, wird der Widerstand gegen das Wasserkraftwerk La Parota geho:ren. Das Vorhaben am Ri'o Papagayo im mexikanischen Bundesstaat Guerrero unweit der Ku:stenstadt Acapulco ist eines der gro:ssten Infrastrukturprojekte im Land. Viele wirtschaftliche Interessen sind damit verknu:pft. Gleichzeitig handelt es sich um einen typischen Konflikt zwischen fortschrittsgla:ubigen Politikern aller Parteien und der Mehrheit der betroffenen Landbevo:lkerung. Der bald drei Jahre dauernde Widerstand gegen das Vorhaben hat sich im Ejido- und Gemeinderat der Gegner des Wasserkraftwerkes La Parota (CECOP) formiert. Mit dem CECOP-Sprecher Feli'pe Flores (FF) sprach Gerold Schmidt. Wieviele Menschen sind von dem Staudammprojekt betroffen? Wir sprechen von 25 000 Personen in 36 Landgemeinden. Es sollen mehr als 17 000 Hektar Land geflutet werden. Fu:r die Menschen wa:re kein Platz mehr da. Sowohl ihre Do:rfer als auch ihr Land wu:rden unter dem Wasser verschwinden. Warum gibt es so viel Widerstand? Die Regierung verspricht doch viele Arbeitspla:tze und andere Verbesserungen. Die Leute glauben nicht mehr an die Regierungsversprechungen. Auch die nationale Stromkommission ha:lt Absprachen nicht ein, trickst die Dorfgemeinschaften aus. Unser Land betraten sie ohne Erlaubnis. Die Regierung wollte uns das Projekt aufzwingen. Das Kraftwerk wu:rde aber keine Entwicklung bringen, sondern die Gemeinden zuru:ckwerfen, sie vertreiben. Darum sind die Menschen wu:tend. Ausserdem: Unser Land ist nicht zu verkaufen. Die Regierung sagt aber auch, die Gemeinden ha:tten in Versammlungen mehrheitlich fu:r das Projekt gestimmt. Ist das richtig? Regierung und Stromkommission lu:gen. Diese Versammlungen wurden bis auf einen Fall entgegen den Bestimmungen des Agrargesetzes ausserhalb der direkt betroffenen Gemeinden abgehalten. Sie sind illegal. Die Regierung will die Leute fu:r dumm verkaufen. In San Marcos stimmten beispielsweise am 23. August 2005 angeblich 2785 Personen fu:r das Projekt. Wir hatten das Protokoll in unseren Ha:nden und da war nur von 837 Unterschriften die Rede. Zudem waren die Versammlungen durch eine grosses Polizeiaufgebot abgesperrt. In San Marcos waren es 1500 Polizisten. Sie hatten stets Angst, dass wir Stauwerkgegner kommen ko:nnten, weil wir die Mehrheit sind. Sie hatten auch Angst vor der Frage, warum Leute abstimmten, die u:berhaupt nichts mit unserem Gemeindeland zu tun haben. Es gab Leute, die aus Acapulco angekarrt wurden. Ihre Stimmen wurden gekauft. Wir haben mit eigenen Augen gesehen, wie die Stromkommission pro Stimme zwischen 500 und 2600 Pesos (etwa 40 bzw. gut 200 Euro) bezahlte. Am 18. September 2005 kehrten wir von einem Treffen zuru:ck und unser Compa~ero Toma's wurde bei einem Hinterhalt durch einen Kopfschuss ermordet. Der Mo:rder geho:rt zu den Befu:rwortern des Wasserkraftwerkes. Der Gouverneur stellte den Mord als Familienfehde da, um die O:ffentlichkeit irre zu fu:hren. Dabei handelte es sich nur um den gleichen Nachnamen, und die Motive waren unserer U:berzeugung nach eindeutig politischer Art. In der Gemeinde Los Arroyos provozierte die Polizei des Bundesstaates am 16. Dezember 2005 einen Zwischenfall mit uns, warf Rauchbomben und verhaftete vier Compa~eros fu:r drei Tage. Aber am 18. Januar gelang uns ein grosser Schritt nach vorn. Das Agrargericht annullierte die Versammlung von San Marcos. Damit fa:llt auch die angebliche Erlaubnis, die Regierung und Stromkommission aufgrund des Versammlungsresultates fu:r das Betreten unseres Gemeindelandes hatten. Sehen Sie eine Chance, auf gerichtlichem Weg Recht zu bekommen? Der juristische und der politische Protest mu:ssen Hand in Hand gehen. Aber wenn Regierung und Gerichte die Enteignung unserer Bo:den durchsetzen wollen, dann wird es die Kraft unserer Bewegung sein, die das verhindert. Letztlich haben wir in die Gerichte keine Vertrauen. Dort sitzen Regierungsleute. Die Gerichte sind korrupt, sie lassen sich korrumpieren. Wir denken, dass wir eher auf dem politischen Weg als auf dem juristischen gewinnen werden. INTERAMERIKANISCHE MENSCHENRECHTSKOMMISSION SOLL FRAUENMORDE AUFKLA:REN Von Mari'a de la Luz Gonza'lez (Mexiko-Stadt, 7. Ma:rz 2006, cimac-poonal).- Die mexikanische Generalstaatsanwaltschaft PGR (Procuraduri'a General de la Repu'blica) erwa:gt, sich an die Interamerikanische Menschenrechtskommission CIDH (Comisio'n Interamericana de Derechos Humanos) zu wenden, um die Frauenmorde in Ciudad Jua'rez aufzukla:ren und die Straflosigkeit zu beenden. Dies teilte der Generalstaatsanwalt Daniel Cabeza de Vaca mit. In einer PGR-Erkla:rung besta:tigte er, dass man sich, "falls no:tig, an die CIDH wenden wird, um mit Hilfe von internationalen Normen und Kriterien u:ber die staatliche Hoheit und Kompetenzen hinaus intervenieren zu ko:nnen". Weiter fu:hrte er aus, dass die CIDH gema:ss ihrer Statuten Einzelklagen u:ber Menschenrechsverletzungen bearbeite, fu:r die Staaten in der Region verantwortlich sind. Sollte die Beho:rde diesen Schritt tatsa:chlich machen, bedeute dies de facto, dass man die Unfa:higkeit des mexikanischen Staates bei der Lo:sung des Problems einra:ume. In einer Besprechung mit den Kommissionen der Abgeordnetenkammer, die fu:r die Untersuchung der Frauenmorde in Mexiko und fu:r Geschlechtergleichheit verantwortlich sind, hielt Cabeza de Vaca fest, dass das Kernproblem der Frauenmorde von Ciudad Jua'rez die Straflosigkeit und mangelnde pra:ventive Massnahmen seien. In 36 Prozent von 337 untersuchten Fa:llen seien Personen aus dem o:ffentlichen Dienst verwickelt. So beispielsweise Staatsanwa:lte, Gutachter und Polizisten, die mit dem Fall betraut waren und in den Ermittlungen leichtfertig und fahrla:ssig gehandelt haben. Cabeza de Vaca wies die Sonderstaatsanwa:ltin fu:r Gewaltverbrechen an Frauen Alicia Elena Pe'rez Duarte an, zuna:chst abzuscha:tzen, welche gesetzlichen Mo:glichkeiten bestu:nden, um die bisherigen Ermittlungen, die unsystematisch vollzogen worden seien, auf Bundesebene vorzubringen. Die Strafverfolgerin soll ausserdem untersuchen, welche Mo:glichkeit die PGR habe, um mit Hilfe der CIDH mit internationalen Normen und Kriterien eingreifen zu ko:nnen. _______________________________________________ Chiapas98 Mailingliste JPBerlin - Mailbox und Politischer Provider [EMAIL PROTECTED] http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/chiapas98 -- To unsubscribe from this list send a message containing the words unsubscribe chiapas95 (or chiapas95-lite, or chiapas95-english, or chiapas95-espanol) to [EMAIL PROTECTED] Previous messages are available from http://www.eco.utexas.edu/faculty/Cleaver/chiapas95.html or gopher to Texas, University of Texas at Austin, Department of Economics, Mailing Lists.