Liebe Jünger-Freunde, nachstehende Rez. erscheint morgen in der FAZ. beste Grüsse rundum, Ihr / Euer tw
Text: F.A.Z., 08.08.2007, Nr. 182 / Seite 32 Neue Sachbücher Im Teufelslärm der Zeit Carl Schmitt fühlte sich von den Briefen Gretha Jüngers beglückt Zunächst bewunderte er ihre Lebenskraft, dann aber wurde ihm ihre Deutlichkeit zu viel: Carl Schmitt befeuert in seinem freimütigen Briefwechsel mit Greta Jünger die Kunst der psychischen Maskenbildung. Es überrascht nicht, was man im Briefwechsel Gretha Jüngers mit Carl Schmitt über Schmitt selbst erfährt. Nach einigen Briefen, die Familiäres und insbesondere das Ergehen von Schmitts Patensohn Carl Alexander Jünger betreffen, wird die Korrespondenz erst mit dem Jahre 1939 und dem Kriegsausbruch dichter. Der Krieg kommt vor allem mit den Bombardierungen zur Sprache - Schmitts wurden ausgebombt -, Andeutungen über die Lage zeigen sich in vorsichtigen Formulierungen, so, wenn Schmitt 1942 vom "Teufelslärm der Zeit" und der "Kunst der psychischen Maskenbildungen" spricht oder 1943 von der "Galgenfrist", die einem noch gelassen sei. Als er nach seiner Entlassung aus amerikanischem Gewahrsam - davon berichtet er nichts - Angriffen wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit ausgesetzt ist, klagt er über seine "Verfolger" in dramatischen Bildern: "Ich mache meine submarine, subterrane, sublunare Fahrt durch Feuer und Wasser. Dreimal hat mich der Leviathan verschlungen und wieder aus sich herausgeworfen." Er weigert sich, "über mich selbst reflektierend mich so selber (zu) überleben". - "Wer mir Vorwürfe machen will, wird leicht Material und Beweise und Bundesgenossen genug finden." Zu Gretha Jüngers Bild aber wird über das bisher Bekannte hinaus einiges Weitere beigetragen. Trotz einmaliger Begeisterung über den unerwartet siegreichen Frankreich-Feldzug ist sie von Anfang an skeptisch. Hinsichtlich der Nachkriegssituation stimmt sie Schmitt in vielem zu, nimmt die Bewertung seiner Nachkriegsstellung jedoch mit Vorsicht anders vor als er. Zwar wendet auch sie sich etwa gegen die "unentwegten Schuldbekenntnisse" Martin Niemöllers - "ich bin nicht für Asche zu haben, sondern für die Flamme" -, zwar sieht sie seltsamerweise die Zeit von 1933 bis 1950 als eine Epoche und meint, sie sei "ein einziges Narrenhaus". Immerhin sieht sie den Beginn schon 1933, und sie fordert Schmitt mehrfach auf, die Angriffe auf ihn gelassen hinzunehmen: "Was kann es Ihnen ausmachen, dass eine Herde von Elefanten auftritt, nachdem wir die Schakale überwunden haben?" Man soll die Metapher nicht überinterpretieren, aber die Gegenüberstellung dieser beiden Tierarten stellt eine deutliche moralische Qualifizierung dar. Auch warnt sie Schmitt davor, sich von ehemaligen Nazis vereinnahmen zu lassen. Das freilich war es nicht, was zum schließlichen Bruch führte. Gretha Jünger glaubte, Schmitt vor Gerhard Nebel und vor allem mehrfach vor Armin Mohler warnen zu müssen, bei dem sie grobe Illoyalität vermutete. Schmitt brach den Briefwechsel daraufhin wortlos ab, obwohl er wenige Jahre vorher noch geschrieben hatte, sie "brauche nicht zu befürchten, daß es ein Wort von Ihnen geben könnte, das mich kränkt oder befremdet". Womöglich empfand Schmitt diese mehrfachen und ausführlichen Warnungen als ein Zuviel an der Deutlichkeit, die sonst Gretha Jüngers große Stärke war und die Schmitt an ihr faszinierte. Er hatte bewundernd von ihrer "Lebenskraft" gesprochen und freute sich "immer von neuem" an der "désinvolture Ihrer Sprache und Ihrer Gedanken". Mit dieser Vitalität überwand sie schwierige Situationen. Ein Liebesverhältnis, das ihr Mann Ernst Jünger in Paris unterhalten hatte, beendete sie durch einen "Kampf, der mit einem triumphalen Siege für mich endete". Als es galt, beider Sohn Ernst vor einem Todesurteil zu bewahren, traf sie bei diesen Bemühungen zwar meist auf "menschliche Wesen", jedoch gab es eine Ausnahme, die aber wurde "im sofortigen Angriff zertrümmert". Im Laufe der Jahre hatten sich beide Briefpartner zunächst immer mehr einander angenähert. Sie schrieben einander offen, herzlich, von Gleich zu Gleich, ein Brief von ihr "beglückte" ihn. Dazu trug zum einen das enge Verhältnis bei, das zwischen Gretha Jünger und Schmitts Frau Duschka bestand. Sie waren beide starke Charaktere, und Frau Jünger ging so weit, das Ehepaar Schmitt als "tragende Kraft meines Lebens" zu bezeichnen. Duschka Schmitts Tod Ende 1950 war auch für Gretha Jünger ein schwerer Schlag, und ihre tiefe Trauer trug wohl auch dazu bei, dass Carl Schmitt und sie einander noch näherkamen. Zum anderen war es so, dass das Verhältnis beider zu Ernst Jünger unter starken Spannungen litt, natürlich aus ganz verschiedenen Gründen. Dass es eheliche Divergenzen gab, wird von ihr nur angedeutet, ohne Inhaltliches zu sagen, während sich Schmitt verhältnismäßig offen äußert, immerhin der Ehefrau dessen gegenüber, über den er sich beklagt. Besonders unverhüllt tat er das in einem Brief, in dem er ihm vorwarf, sich womöglich den "Interessenten des Zusammenbruchs angeschlossen" zu haben, aber wenn er dort meinte, Ernst Jüngers "altruistische Kapazität" sei "seit 1945 nicht grösser, sondern geringer geworden", dann kann man sich des Reflexes nicht erwehren zu fragen, wie es mit Carl Schmitts eigener altruistischer Kapazität bestellt gewesen sei. Zum Werk Carl Schmitts und auch Ernst Jüngers trägt der Briefwechsel unmittelbar wenig bei. Das Persönliche soll aber nicht geringgeachtet werden, und sei es nur deshalb, weil es in mittelbarer Weise doch das Werk bedingt. Freilich kann der Briefwechsel natürlich keine vollständige Basis für eine Bewertung der beiden Partner liefern. Es stören Druckfehler sowie Ungenauigkeiten und Unrichtigkeiten des sonst hilfreichen Kommentars. Auf jeden Fall muss man die Situation in der Diktatur und besonders den Krieg sowie die Briefzensur in die Beurteilung einbeziehen. Dass vom Schicksal der Juden nicht die Rede ist, dürfte zum Teil eben daran liegen, zum Teil aber womöglich auch an Carl Schmitts Einstellung zu ihnen. Wenn er nach dem Krieg gelegentlich in wenig erfreulichen, wenn auch vorsichtigen Formulierungen Juden für die Angriffe auf ihn verantwortlich macht, dann verdient es eine besondere Hervorhebung, dass Gretha Jünger darauf nicht eingeht. WOLFGANG SCHULLER "Greta Jünger - Carl Schmitt. Briefwechsel 1934-1953". Herausgegeben von Ingeborg Villinger und Alexander Jaser. Akademie Verlag, Berlin 2007. 230 S., 10 Abb., geb., 44, 80 [Euro]. -- Tobias Wimbauer | Wimbauer Buchversand Waldhof Tiefendorf Tiefendorfer Str. 66 58093 Hagen-Berchum http://www.waldgaenger.de/tiefendorf.JPG www.waldgaenger.de USt-IdNr.: DE251720280 unsere Angebote (ZVAB, AbeBooks, Amazon, Zeusman, Booklooker, Antbo, Antiquario, Antikbuch24 und Allstores) finden Sie hier: http://www.waldgaenger.de/wimbauerbuchversand.html einen Büchergruß an TW senden: http://www.amazon.de/exec/obidos/registry/IBSBOT1B05VN/ref=wl_em_to _______________________________________________ Juenger-list mailing list Juenger-list@juenger.org http://www.pairlist.net/mailman/listinfo/juenger-list