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Redaktion: Karin Deckenbach, Britta Hennigs, Linda Baumann
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P R E S S E D I E N S T  ----  NR. 36/11 ---- 23.3.2011 
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Atomkraft / EU 
NABU fordert von EU-Gipfel klare Sicherheitsstandards für Atomkraft in
Europa
Tschimpke: Osteuropäische Uraltmeiler sind russisches Roulette
Berlin/Brüssel – Der NABU fordert Bundeskanzlerin Merkel und die
europäischen Staats- und Regierungschefs auf, sich auf dem EU-Gipfel
am 24./25. März auf einheitliche und verpflichtende Sicherheitsstandards
für alle Atomkraftwerke in der EU zu einigen. Die bisherigen Beschlüsse
der Energieminister seien angesichts der Atomkatastrophe in Japan völlig
unzureichend. „Es ist absolut unverantwortlich, sich jetzt nur auf einen
Fahrplan für eine freiwillige Sicherheitsprüfung der Atomkraftwerke zu
einigen“, kritisiert NABU-Präsident Olaf Tschimpke. Fukushima ist schon
die dritte Atomkatastrophe innerhalb einer Menschengeneration und
beweise endgültig, dass die Atomenergie weder preiswert noch sicher und
auch nicht beherrschbar sei.
Die EU-Energieminister hatten sich lediglich auf die Entwicklung eines
„Stress Tests“ verständigt und „freiwillige Schritte der nationalen
Behörden und Betreiber“ begrüßt. Dies wird nach Auffassung des NABU
weder den Risiken gerecht, noch den Ängsten der Bevölkerung im
dichtbesiedelten Europa. „Was haben wir von Stress Tests, wenn die
Testkandidaten nicht durchfallen können? Die EU-Staaten müssen sich auf
verbindliche Regeln einigen und die riskantesten Atommeiler
schnellstmöglich vom Netz nehmen“, fordert Tschimpke. „Insbesondere
die Schrott-Meiler sowjetischer Bauart in einigen osteuropäischen
Mitgliedstaaten sind wie russisches Roulette für die Bürger“.
Zudem muss nach Auffassung des NABU der Euratom-Vertrag aus dem Jahr
1957 geändert werden. „Obwohl nur die Hälfte aller Mitgliedstaaten
überhaupt Atomkraftwerke haben, zwingt der Euratom-Vertrag alle
Mitgliedstaaten in eine Zwangsgemeinschaft zur Finanzierung der
Atomenergie und Kernforschung“, kritisierte Claus Mayr, Vertreter des
NABU in Brüssel. Trotz der Mahnungen der Umweltverbände wurde es
versäumt, bei den EU-Erweiterungen 2004 und 2007 die Schrottreaktoren
abzuschalten und die neuen Mitgliedsländer statt dessen beim Einstieg in
erneuerbare Energien zu unterstützen. Nur in Rumänien wurden die
ältesten Reaktoren vom Netz genommen, aber alle anderen laufen auf
Kosten der europäischen Steuerzahler weiter. So hat alleine Deutschland
die Atomenergie in den letzten Jahrzehnten mit über 200 Milliarden Euro
subventioniert, davon knapp drei Milliarden im Rahmen des
Euratom-Vertrages. „Das muss schleunigst ein Ende haben, in Zukunft
dürfen öffentliche Gelder nur noch in den Ausbau der erneuerbaren
Energien fließen“, fordert NABU-Präsident Tschimpke.
Für Rückfragen:
Claus Mayr, NABU-Direktor Europapolitik, Brüssel, Tel. +49.172 596 60
98
Elmar Große Ruse, NABU-Energieexperte, Tel. 0173 35 22 872
 
Hintergrund: 
Derzeit erzeugen 14 von 27 Mitgliedstaaten der EU einen Teil ihres
Stromes aus der Atomenergie. „Spitzenreiter“ sind Frankreich mit 75 und
Belgien mit 52 Prozent. In einigen Mitgliedstaaten gibt es seit dem
Atomunfall in Japan ähnlich lebhafte Diskussionen wie in Deutschland,
etwa in Finnland und Schweden, die alte Atommeiler durch Neubauten
ersetzen wollten. 
Italien, einst Gründungsmitglied von Euratom, war nach dem GAU in
Tschernobyl aus der Atomenergie ausgestiegen. Regierungschef Silvio
Berlusconi setzte zwar 2009 eine Gesetzesänderung durch, aber keine der
italienischen Regionen will einen Atommeiler.
Die Niederlande beziehen derzeit nur etwa 4 Prozent ihres Str
omes aus
Atomenergie, aus dem Meiler Borssele in der Provinz Zeeland, etwa 180
Kilometer westlich der Grenze zu Nordrhein-Westfalen. Gegen die
geplanten Meiler Borssele 2 und 3 gab es in NRW massive Widerstände,
bislang ohne Erfolg; die neue Landesregierung in  Düsseldorf will sich
in bilateralen Gesprächen für einen Stopp der Neubauten einsetzen.
Polen hält derzeit noch an dem Plan fest, 2016 sein erstes
Atomkraftwerk zu bauen, allerdings mehren sich auch dort kritische
Stimmen.
Selbst in Frankreich, das derzeit 75 Prozent seines Stroms aus 58 AKW
bezieht, regt sich Widerstand, auch in der Politik: So fordert unter
anderen der grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn Bendit zumindest ein
Referendum. Bei Umfragen sprachen sich nur noch 55 Prozent für die
Beibehaltung der Atomenergie aus, 42 Prozent unterstützen den Vorschlag
der Grünen.
Auch der Nicht-EU-Staat Schweiz hat die geplanten Neubauten „sistiert“,
also ausgesetzt.
Und selbst China verkündete am 16. März die Aussetzung der
Genehmigungsverfahren für weitere Atomkraftwerke. China verfügt über
sechs Atomkraftwerke mit insgesamt 13 Reaktoren, noch am 15. März war
ein großes Ausbauprogramm angekündigt worden. Zugleich hatte China 2009
mit 25.805 Megawatt ziemlich etwa so viel Windkraft installiert wie
Deutschland (25.777) und lag bis Ende 2010 durch einen kräftigen Ausbau
mit 42.287 MW sogar vor den USA (40.180). Ein weiterer massiver Ausbau
ist geplant, zudem strebt China die Markführerschaft beim Bau von
Windkraftanlagen an.

 
Zum Weiterlesen: Kommentar von Claus Mayr in EurActiv, 17. März 2011:
http://www.euractiv.de/energie-klima-und-umwelt/artikel/die-welt-deutschland-und-europa-nach-fukushima-004516

Im Internet zu finden unter www.NABU.de 
 
 
 
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