--------------------------------------------------------------------------- NABU-Pressestelle, Telefon: 0 30.28 49 84-1510, -1722, Telefax: 0 30.28 49 84-2500, E-Mail: pre...@nabu.de Redaktion: Karin Deckenbach, Britta Hennigs, Linda Baumann --------------------------------------------------------------------------- P R E S S E D I E N S T ---- NR. 36/11 ---- 23.3.2011 ---------------------------------------------------------------------------
Atomkraft / EU NABU fordert von EU-Gipfel klare Sicherheitsstandards für Atomkraft in Europa Tschimpke: Osteuropäische Uraltmeiler sind russisches Roulette Berlin/Brüssel – Der NABU fordert Bundeskanzlerin Merkel und die europäischen Staats- und Regierungschefs auf, sich auf dem EU-Gipfel am 24./25. März auf einheitliche und verpflichtende Sicherheitsstandards für alle Atomkraftwerke in der EU zu einigen. Die bisherigen Beschlüsse der Energieminister seien angesichts der Atomkatastrophe in Japan völlig unzureichend. „Es ist absolut unverantwortlich, sich jetzt nur auf einen Fahrplan für eine freiwillige Sicherheitsprüfung der Atomkraftwerke zu einigen“, kritisiert NABU-Präsident Olaf Tschimpke. Fukushima ist schon die dritte Atomkatastrophe innerhalb einer Menschengeneration und beweise endgültig, dass die Atomenergie weder preiswert noch sicher und auch nicht beherrschbar sei. Die EU-Energieminister hatten sich lediglich auf die Entwicklung eines „Stress Tests“ verständigt und „freiwillige Schritte der nationalen Behörden und Betreiber“ begrüßt. Dies wird nach Auffassung des NABU weder den Risiken gerecht, noch den Ängsten der Bevölkerung im dichtbesiedelten Europa. „Was haben wir von Stress Tests, wenn die Testkandidaten nicht durchfallen können? Die EU-Staaten müssen sich auf verbindliche Regeln einigen und die riskantesten Atommeiler schnellstmöglich vom Netz nehmen“, fordert Tschimpke. „Insbesondere die Schrott-Meiler sowjetischer Bauart in einigen osteuropäischen Mitgliedstaaten sind wie russisches Roulette für die Bürger“. Zudem muss nach Auffassung des NABU der Euratom-Vertrag aus dem Jahr 1957 geändert werden. „Obwohl nur die Hälfte aller Mitgliedstaaten überhaupt Atomkraftwerke haben, zwingt der Euratom-Vertrag alle Mitgliedstaaten in eine Zwangsgemeinschaft zur Finanzierung der Atomenergie und Kernforschung“, kritisierte Claus Mayr, Vertreter des NABU in Brüssel. Trotz der Mahnungen der Umweltverbände wurde es versäumt, bei den EU-Erweiterungen 2004 und 2007 die Schrottreaktoren abzuschalten und die neuen Mitgliedsländer statt dessen beim Einstieg in erneuerbare Energien zu unterstützen. Nur in Rumänien wurden die ältesten Reaktoren vom Netz genommen, aber alle anderen laufen auf Kosten der europäischen Steuerzahler weiter. So hat alleine Deutschland die Atomenergie in den letzten Jahrzehnten mit über 200 Milliarden Euro subventioniert, davon knapp drei Milliarden im Rahmen des Euratom-Vertrages. „Das muss schleunigst ein Ende haben, in Zukunft dürfen öffentliche Gelder nur noch in den Ausbau der erneuerbaren Energien fließen“, fordert NABU-Präsident Tschimpke. Für Rückfragen: Claus Mayr, NABU-Direktor Europapolitik, Brüssel, Tel. +49.172 596 60 98 Elmar Große Ruse, NABU-Energieexperte, Tel. 0173 35 22 872 Hintergrund: Derzeit erzeugen 14 von 27 Mitgliedstaaten der EU einen Teil ihres Stromes aus der Atomenergie. „Spitzenreiter“ sind Frankreich mit 75 und Belgien mit 52 Prozent. In einigen Mitgliedstaaten gibt es seit dem Atomunfall in Japan ähnlich lebhafte Diskussionen wie in Deutschland, etwa in Finnland und Schweden, die alte Atommeiler durch Neubauten ersetzen wollten. Italien, einst Gründungsmitglied von Euratom, war nach dem GAU in Tschernobyl aus der Atomenergie ausgestiegen. Regierungschef Silvio Berlusconi setzte zwar 2009 eine Gesetzesänderung durch, aber keine der italienischen Regionen will einen Atommeiler. Die Niederlande beziehen derzeit nur etwa 4 Prozent ihres Str omes aus Atomenergie, aus dem Meiler Borssele in der Provinz Zeeland, etwa 180 Kilometer westlich der Grenze zu Nordrhein-Westfalen. Gegen die geplanten Meiler Borssele 2 und 3 gab es in NRW massive Widerstände, bislang ohne Erfolg; die neue Landesregierung in Düsseldorf will sich in bilateralen Gesprächen für einen Stopp der Neubauten einsetzen. Polen hält derzeit noch an dem Plan fest, 2016 sein erstes Atomkraftwerk zu bauen, allerdings mehren sich auch dort kritische Stimmen. Selbst in Frankreich, das derzeit 75 Prozent seines Stroms aus 58 AKW bezieht, regt sich Widerstand, auch in der Politik: So fordert unter anderen der grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn Bendit zumindest ein Referendum. Bei Umfragen sprachen sich nur noch 55 Prozent für die Beibehaltung der Atomenergie aus, 42 Prozent unterstützen den Vorschlag der Grünen. Auch der Nicht-EU-Staat Schweiz hat die geplanten Neubauten „sistiert“, also ausgesetzt. Und selbst China verkündete am 16. März die Aussetzung der Genehmigungsverfahren für weitere Atomkraftwerke. China verfügt über sechs Atomkraftwerke mit insgesamt 13 Reaktoren, noch am 15. März war ein großes Ausbauprogramm angekündigt worden. Zugleich hatte China 2009 mit 25.805 Megawatt ziemlich etwa so viel Windkraft installiert wie Deutschland (25.777) und lag bis Ende 2010 durch einen kräftigen Ausbau mit 42.287 MW sogar vor den USA (40.180). Ein weiterer massiver Ausbau ist geplant, zudem strebt China die Markführerschaft beim Bau von Windkraftanlagen an. Zum Weiterlesen: Kommentar von Claus Mayr in EurActiv, 17. März 2011: http://www.euractiv.de/energie-klima-und-umwelt/artikel/die-welt-deutschland-und-europa-nach-fukushima-004516 Im Internet zu finden unter www.NABU.de
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