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Süddeutsche Zeitung - 09.12.2011

EU setzt weiter auf Atomkraft 

Brüssel ignoriert deutsche Energiewende

Von Markus Balser und Cerstin Gammelin

Atomkraft? Ja, bitte! Die EU-Kommission scheint sich um die deutschen 
Ausstiegspläne nicht viel zu kümmern: Sie will die Kernkraft forcieren und 
befürwortet 40 neue Kraftwerke allein bis 2030. Und ausgerechnet der deutsche 
Kommissar Günther Oettinger treibt das Projekt voran.

Zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission bahnt sich in der 
Energiepolitik eine harte Auseinandersetzung an. Denn ungeachtet des 
beschleunigten deutschen Atomausstiegs nach der Katastrophe von Fukushima will 
der deutsche EU-Energiekommissar Günther Oettinger an der Kernkraft festhalten 
und macht sich sogar für den Neubau von Atomkraftwerken stark. Im Entwurf für 
den "Energiefahrplan 2050" der EU, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, 
bezeichnet die Kommission die Atomkraft als "wichtigen Faktor". Unterhändlern 
zufolge sehen die Details der Szenarien den Neubau von 40 Kernkraftwerken 
allein bis 2030 vor. Das Papier soll in der kommenden Woche in Brüssel 
vorgestellt werden.

Diese sogenannte Road-Map wird der Kommission zufolge ein europäisches Gerüst 
für die nationale Energiepolitik der nächsten Jahrzehnte liefern. Doch Brüssel 
und Berlin haben offenbar grundlegend unterschiedliche Vorstellungen darüber, 
wie sich die Energielandschaft verändern soll. Während die Bundesregierung den 
beschleunigten Atomausstieg Mitte des Jahres als Meilenstein für den grünen 
Umbau feierte, will die EU weiter in großem Stil auf die Kernkraft setzen. 
Oettingers Papier ignoriere die Energiewende und legitimiere die Atomkraft neu, 
heißt es aus Berlin.

Die Atomenergie stehe heute für den größten Anteil CO2-freier Energie, heißt es 
etwa in der Vorlage aus Brüssel, die Oettinger nach Angaben aus EU-Kreisen 
bereits seinen Kommissionskollegen präsentiert hat. Und sie bleibe ein 
wichtiger Lieferant klimafreundlichen Stroms zu vergleichsweise niedrigen 
Kosten. Oettinger macht damit klar, dass Brüssel auch nach Fukushima 
langfristig eine Zukunft für die Kernkraft in der Europäischen Union sieht.

Zweifel vieler Europäer an der Atomkraft nach der Katastrophe in Japan erwähnt 
die Road-Map zwar, hält sie aber dank neuer Technologien für überwindbar. Große 
Teile der europäischen Öffentlichkeit hielten die Risiken der Nukleartechnik 
für nicht akzeptabel und die Probleme um die Endlagerung für ungelöst, schreibt 
Oettingers Behörde. "Eine neue Generation der Atomtechnik könnte helfen, die 
Abfall- und Sicherheitsbedenken zu adressieren." Schließlich könne Atomstrom zu 
"niedrigeren Systemkosten und Strompreisen beitragen", heißt es weiter. Im 
Rahmen einer groß angelegten "Low-Carbon-Option" werde die Nuklearenergie daher 
im europäischen Stromerzeugungsmix erhalten bleiben.

Subventionen für Neuinvestitionen in Atomkraftwerke

Auch eine finanzielle Förderung der Atomenergie in Mitgliedsstaaten ähnlich dem 
Erneuerbare-Energien-Gesetz für grünen Strom in Deutschland hält die Kommission 
Unterhändlern zufolge für möglich. Sie könnte demnach Subventionen für 
Neuinvestitionen in Atomkraftwerke, zum Beispiel in Großbritannien, erlauben. 
Natürlich gebe es für die Wahl des Energiemixes nationale Grenzen, heißt es in 
dem Papier weiter. Die EU müsse aber darauf achten, dass nationale 
Entscheidungen auch die Ziele der EU unterstützten, und negative Auswirkungen 
auf andere Länder verhindern. Dabei wünscht sich die Brüssel offenbar deutlich 
mehr Einfluss auf den Umbau der Energiewirtschaft in Europa: Mehr denn je sei 
eine Koordination nötig, urteilt der Fahrplan 2050. Denn Zusammenarbeit bedeute 
mehr Sicherheit und sinkende Kosten.

Dabei zieht Brüssel im Kampf gegen die Erderwärmung und trotz erwarteter 
Rückschläge beim laufenden Gipfel im südafrikanischen Durban in der 
Klimapolitik die Zügel an. Strom werde seine Bedeutung am Energieverbrauch in 
Europa bis 2050 verdoppeln, sagt die Kommission voraus. Um die Klimaziele 
Europas dennoch nicht zu gefährden, müsse sich der Kraftwerkspark in der EU 
einem radikalen Wandel unterziehen. Der CO2-Ausstoß müsse um mindestens 57 
Prozent bis 2030 und um mindestens 96 Prozent bis 2050 sinken. Langfristig 
nutze ein solcher grüner Umbau aber auch den Verbrauchern. Ab 2030 könnten die 
Preise spürbar sinken.

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