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Agrardebatte - 16.12.2011

Was zum Teufel ist "Klima-smarte Landwirtschaft"?

Als Antwort auf Ernährungskrise, Hunger und Klimawandel propagieren 
Institutionen wie die Weltbank und die FAO eine "Klima-smarte Landwirtschaft". 
Sie soll Ernährungssicherheit bringen, die Landwirtschaft auf die Auswirkungen 
der Klimaveränderungen vorbereiten und gleichzeitig dazu beitragen, den 
Klimawandel zu bremsen. Ein "dreifacher Gewinn" also, wie die Weltbank 
verspricht - doch die Gewinner könnten am Ende weder das Klima noch die Bauern, 
sondern die Agrarindustrie sein

Von Uwe Hoering (1)

Anscheinend hat die Weltbank die ökologische Landwirtschaft entdeckt (2). Sie 
schwärmt von bodenbedeckenden Anbaufrüchten und Mischkulturen, vom Mulchen und 
Brache-Management, von Kompost, Gründüngung und Verwertung von 
Ernterückständen, von Agroforstwirtschaft und Anbauzyklen - alles Praktiken, 
die typisch sind für eine nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft. Zudem würden 
gerade in Ländern mit vielen Arbeitskräften und geringer Verwendung von 
Agrochemikalien organische Anbaumethoden kleinbäuerlicher Produzenten zu 
höheren Erträgen führen können. Es sieht ganz so aus, als hätte sich die 
Weltbank jetzt endlich den "Weltagrarbericht" zu Herzen genommen, der eine 
Agrarwende weg von der industriellen Landwirtschaft fordert (3). Bislang galten 
ihr diese landwirtschaftlichen Methoden, die seit langem bekannt sind, nämlich 
als unproduktiv.

Außerdem sei diese Form der Landwirtschaft geeignet, Auswirkungen des 
Klimawandels abzufedern, indem sie sich flexibel an veränderte 
Niederschlagszyklen und steigende Temperaturen anpassen könne. Eine derartige 
'Adaptionsfähigkeit' gilt besonders für Afrika als notwendig, weil einige 
Prognosen vor einem erheblichen Produktionsrückgang warnen. Bei der 
Klimakonferenz in Durban trugen daher viele Delegierte aus Afrika Sticker mit 
dem Slogan: "Ohne Landwirtschaft kein Abkommen". Einer von ihnen erklärte (4) 
gegenüber Mail&Guardian, um was es ihnen geht: Gelder zur Anpassung der 
Landwirtschaft an den Klimawandel. Und scheinbar haben sie dabei auch die 
Weltbank an ihrer Seite. "Anpassung muss Vorrang haben", verkündet sie und 
macht sich stark dafür, dass Regierungen und Entwicklungsorganisationen dafür 
mehr Finanzmittel in die Landwirtschaft stecken sollten: "Ohne wirksame 
Anpassungsmaßnahmen und die finanziellen Mittel dafür werden Ziele wie 
Armutsminderung und Ernährungssicherung nicht erreicht werden".

Münchhausen-Landwirtschaft

Wirklich "Klima-smart" wird die Landschaft nach dem Verständnis von Weltbank & 
Co (5) aber erst, wenn sie zudem auch im Kampf gegen den Klimawandel selbst 
hilft. Schließlich ist sie nicht nur Opfer, sondern trägt auch erheblich zu 
klimaschädlichen Emissionen bei, vor allem dadurch, dass natürliche Wälder, 
Savannen und Feuchtgebiete erschlossen werden. Aber auch der Einsatz von Dünger 
und Methan-Emissionen durch Tierhaltung und bewässerte Reisfelder beschleunigen 
die Klimaveränderungen.

Da trifft es sich gut, dass landwirtschaftliche Methoden, die die Humusbildung 
erhöhen und den -verlust reduzieren, Kohlenstoff binden beziehungsweise die 
Emissionen verringern können. Böden fungieren damit in der Sprache der 
Klimaexperten als "Kohlenstoffsenke". Und damit eröffnet sich in der 
marktwirtschaftlichen Logik von Weltbank & Co für die Landwirtschaft über den 
Verkauf von Nahrungsmitteln, agrarischen Rohstoffen oder Klein- und Großvieh 
hinaus eine neue, innovative Einnahmequelle: Mit Gutschriften für die 
Einsparung von Emissionen könnte sie am Handel mit Emissionszertifikaten 
teilnehmen. "Klima-smarte landwirtschaftliche Techniken können Produktivität 
und Einkommen erhöhen und die Landwirtschaft angesichts des Klimawandels 
stärken", schwärmt die Bank denn auch und wirbt, ebenso wie die UN-Organisation 
für Ernährung und Landwirtschaft, FAO, intensiv um eine Aufnahme der Böden als 
CO2-Senken in den Emissionshandel.

Die Weltbank sieht die glücklichen und erfolgreichen Bauern und Bäuerinnen 
schon vor sich: Dafür, dass sie auf ihren Äckern Emissionen verringern, 
erhalten sie Gutschriften, Zertifikate, die sie verkaufen können. Mit dem Geld 
können sie ihre Landwirtschaft weiter verbessern und sich auf den sich 
abzeichnenden Klimawandel einstellen. "Wenn CO2 eingelagert wird, erhält jeder 
Bauer Einnahmen aus der Kohlenstoff-Finanzierung, ein zusätzlicher Bonus zu 
erhöhter Produktivität und Widerstandsfähigkeit". Damit verspricht sich die 
Weltbank von der Klima-smarten Landwirtschaft einen "dreifachen Gewinn" - für 
die Landwirtschaft, das Klima und die Ernährungssicherung. Besonders in Afrika 
mit seinen nach wie vor zahlreichen kleinbäuerlichen Betrieben bieten sich 
dafür anscheinend die besten Voraussetzungen. Mit der Möglichkeit, am 
Emissionshandel teilzunehmen, würde sich die Landwirtschaft selbst aus der 
Klimafalle retten, also quasi am eigenen Schopf aus der Misere ziehen.

Praxistest

Um den Klimaeffekt nachhaltiger Landnutzungsmethoden zu demonstrieren, hat die 
Weltbank in Kenia ein Vorzeigeprojekt gestartet. Tausende Bauern führen 
Maßnahmen gegen die Bodenerosion durch und verbessern degradierte Böden, um so 
mehr Kohlenstoff zu speichern. Das Kenya Biocarbon Project, das bis zu eine 
Million US-Dollar kostet, soll nicht nur höhere Produktivität und bessere 
Anpassung an den Klimawandel bringen, sondern vor allem für die Idee der 
Emissionsminderung werben.

Nach Berechnungen der nichtstaatlichen Entwicklungsorganisation IATP rechnet 
sich die Sache allerdings nicht (6). Danach würde das zusätzliche Einkommen 
über eine 20jährige Laufzeit bei etwa einem Dollar pro Bauer und Jahr liegen. 
Auch die Weltbank und das Projektmanagement geben zu, dass dies keine solide 
Finanzierung darstellt, sondern nur mit Entwicklungsgeldern als Anschub 
funktioniert. Zudem sind Messungen zur Kohlenstoff-Speicherung in Böden äußerst 
schwierig und unzuverlässig, wie Susanne Gura schreibt, weil es viele 
Unsicherheits- und Einflussfaktoren gibt (7).

Die bekannte kenianische Aufforstungskampagne Green Belt Movement hat bereits 
Erfahrungen mit dem Konzept. Mitte des vergangenen Jahrzehnts ließ sie sich 
anwerben für ein Pilotprojekt der Weltbank, wie durch Aufforstung Emissionen 
vermindert werden könnten. Die ländliche Bevölkerung sollte auf Brachland Bäume 
pflanzen und damit hunderttausende Tonnen Kohlenstoff einlagern. Anfang 
Dezember stellte GBM jetzt einen Bericht darüber vor (8). Darin listet sie eine 
ganze Reihe von "Herausforderungen" auf: Hohe Kosten und unzulängliche 
Finanzierung, Schwierigkeiten, die lokale Bevölkerung zu beteiligen und 
unzureichende staatliche Unterstützung und Erfahrung auf. Das Verfahren, 
Emissions-Gutschriften zu bekommen, sei kompliziert, die Zeit, bis Einnahmen 
fließen würden, lang. Und am Ende hätten sie weniger eingenommen als sie 
investiert hatten. Das Resümee: Das Projekt würde weder der Bevölkerung noch 
den Wäldern helfen. Den größten Nutzen haben Experten und Berater (9).

Der Vorsitzende der Afrika-Gruppe in Durban, Tosi Mpanu-Mpanu, hat denn auch 
Zweifel, dass Emissionshandel für Afrika etwas bringen kann. Die meisten Felder 
"sind zu klein, um genug Kohlenstoff einzulagern, damit sich ein Verkauf lohnen 
würde. Wir haben den Verdacht, dass derartige Ausgleichsmechanismen zu einer 
Perversion der Landwirtschaft führen können, indem Bauern nur noch anbauen, was 
Anreize bietet, und herkömmliche Nutzpflanzen aufgeben".

Ganz anders könnte sich die Sache allerdings für große Betriebe und private 
Unternehmen mit ausreichend Kapital rechnen. Sie haben die Flächen, die 
finnziellen Mittel und die Expertise, um eventuell die Idee der Klima-smarten 
Landwirtschaft" wirklich zu Geld machen zu können. Doch noch ist es nicht so 
weit.

... und Action

Während man mit Wäldern und Aufforstung bereits Emissions-Guthaben erwerben 
kann, muss das für Böden erst noch durch die zuständigen Gremien der 
UN-Klimarahmenkonvention anerkannt werden. Für solche "markt-basierten 
Mechanismen der CO2-Minderung" machte die Weltbank bei den jüngsten 
Klimaverhandlungen in südafrikanischen Durban denn auch kräftig Werbung. "Die 
COP 17 bietet Afrika eine einmalige Gelegenheit, die globale Klima-Agenda zu 
gestalten und ein 'landwirtschaftliches Arbeitsprogramm' auf den Weg zu 
bringen, das wissenschaftlich fundiert ist und sowohl Anpassung als auch 
Emissionsminderung umfasst".

In einem Offenen Brief ("Call to Action"), unterzeichnet von zahlreichen 
UN-Organisationen aus dem Agrarbereich und internationalen 
Entwicklungsinstitutionen, warb sie dafür, die Landwirtschaft in die weiteren 
Verhandlungen aufzunehmen und den Weg frei zu machen für einen Handel mit 
Emissionsrechten. Bei einer zeigten sich mehrere hundert Bauern, darunter 
einige Verbändevertreter, Wissenschaftler und Entwicklungspraktiker, 
"entschlossen, die Landwirtschaft auf die Tagesordnung zu setzen". Länder wie 
Kanada, die USA und Australien griffen den Slogan "Ohne Landwirtschaft kein 
Abkommen" auf, allerdings anders, als er gemeint war: Sie machten daraus eine 
Paket-Lösung, indem sie darauf bestanden, dass es keine Zusagen für 
Anpassungsmaßnahmen geben würde, wenn nicht auch über Minderungsmaßnahmen 
gesprochen würde. Am Ende einigte man sich auf einen Arbeitsauftrag an die 
zuständigen Gremien für weitere Verhandlungen.

Dabei waren die afrikanischen Delegierten gespalten gewesen: Bei einer 
politisch hochkarätig besetzten Veranstaltung warb Südafrikas Präsident Jacob 
Zuma damit, dass "die Landwirtschaft ein gewaltiges Potenzial besitzt, um 
Treibhausgase kostengünstig durch Änderungen in landwirtschaftlichen 
Technologien und Methoden zu verringern". Angesichts des Milliarden schweren 
weltweiten Emissionshandels wollen sich auch manche Regierungen an diesen 
Geschäftsperspektiven beteiligen, besonders aus Ländern wie Südafrika, in denen 
es große Farmen gibt.

Dagegen gehörten Ghana, Mali und Tansania zu den Neinsagern, die forderten, 
dass es bei Verhandlungen nur um Anpassungsmaßnahmen gehe sollte. Ein 
afrikanischer Delegierter wird im Mail & Guardian zitiert: "Wir fürchten, dass 
das Minderungs-Thema dazu führt, dass entwickelte Länder Afrika CO2-Märkte 
aufzwingen und dadurch verhindern wollen, selbst Geld für Anpassungsmaßnahmen 
aufzubringen". Und selbst der Planungsminister Südafrikas, Trevor Manuel, 
äusserte Zweifel: "Afrika erzeugt nur drei Prozent der globalen 
Treibhausgas-Emissionen, wo ist da der Markt, für welchen Kohlenstoff?"

Falsche Lösung

Unterstützung erhielten die Zweifler und Gegner durch afrikanische und 
internationale zivilgesellschaftliche Organisationen, die in Durban gegen 
diesen massiven Vorstoß zu Felde zogen, Landwirtschaft beziehungsweise 
landwirtschaftliche Böden in den Emissionshandel einzubeziehen. Nnimmo Bassey, 
Vorsitzender von Friends of the Earth International, bezeichnete ihn als 
"falsche Lösung" für die Klimafrage, Simon Mwamba von der East and South 
African Small Farmers' Federation sagt: "Klima-smarte Landwirtschaft wird als 
nachhaltige Landwirtschaft verkauft - doch dieser Begriff ist so breit, dass 
wir befürchten, das ist nur eine Fassade, um auch die industrielle 
Landwirtschaft, eine Grüne Revolution, zu fördern, die Bauern in einem 
Kreislauf von Verschuldung und Armut festhält." So könnten im Gefolge des 
Arguments, die Landwirtschaft an den Klimawandel anzupassen, gentechnisch 
veränderte Agrarprodukte und Herbizide vorrücken. Und schon stehen auch die 
nächsten Kandidaten für derartige "smarte" Geschäftsmodelle auf der 
Wunschliste: Biologische Vielfalt und Wasser, die ähnlich wie Böden und Wälder 
einen "markt-basierten" Beitrag zum Klimaschutz leisten sollen.

Schon jetzt zeichnen sich solche Entwicklungen in anderen landwirtschaftlichen 
Bereichen ab: So hat der Getreide- und Sojahandelsriese Cargill vom 
Emissionshandel profitiert, weil er die Biogasanlagen von riesigen 
Schweinemästereien in Südamerika finanziert hat. Die FAO erklärt, die 
industrielle Milchproduktion in den USA sei "Klima-effizienter" als die 
extensive, kleinteilige Milcherzeugung in Indien. Andere Experten behaupten, 
Ölpalmenplantagen würden weniger CO2 erzeugen als bäuerlicher Wanderfeldbau und 
sollten deshalb ebenfalls als Klima-smarte Landwirtschaft gelten. 
"Klimaeffizienz", so Helena Paul von EcoNexus, "kann dann auch bedeuten, 
Kleinbauern durch industrielle Landwirtschaft zu ersetzen." (10)

Die Folgen wären katastrophal: Wenn großflächige Landinvestitionen durch 
zusätzliche Gewinne aus dem Emissionshandel lukrativer werden, weil sie zum 
Beispiel - wie vom Agrarmulti Monsanto propagiert - in der "klima-smarten" 
Conservation agriculture anstelle des Pflugs zur Unkrautbeseitigung Herbizide 
einsetzen, wächst die Gefahr, dass die Großen die Kleinen fressen. "Darin 
besteht eine ernste Bedrohung für die Landwirtschaft, weil die Aussicht, 
Gutschriften zu ernten, mehr Land Grabbing und die Ausweitung von Monokulturen 
fördern könnte", sagt Helena Paul.

Die eigentlichen landwirtschaftlichen Klimasünder, die industrielle 
Landwirtschaft, würden damit sogar noch belohnt. Auch Klimasünder im Norden 
können sich damit einen Ablass verschaffen, indem sie Gutschriften aus 
Emissionsminderung kaufen und gleichzeitig weiter sündigen. Unter der Hand 
würde sich dann die Entdeckung der bäuerlichen Landwirtschaft durch die 
Weltbank zu einem Förderprogramm für die Agrarindustrie verwandeln, mit 
Anschubfinanzierung aus Steuermitteln. (13.400 Zeichen)

(1) http://www.globe-spotting.de/
(2) http://climatechange.worldbank.org/content/climate-smart-agriculture
(3) http://www.weltagrarbericht.de/
(4) 
http://mg.co.za/article/2011-12-09-africa-divided-over-climatesmart-agriculture
(5) Siehe zum Beispiel http://www.fao.org/climatechange/climatesmartpub/
(6) 
http://iatp.org/documents/elusive-promises-of-the-kenya-agricultural-carbon-project
(7) 
http://www.dnr.de/publikationen/umwelt-aktuell/122011-012012/klima-smarte-landwirtschaft.html
(8) http://greenbeltmovement.org/a.php?id=544
(9) http://www.mundenproject.com/forestcarbonreport2.pdf
(10) http://www.econexus.info/print/170

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