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N A B U - P R E S S E D I E N S T  ---- NR. 113/12 ---- 2.10.2012 
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Umwelt/UN-Naturschutzkonferenz
Ein Schritt vor, zwei zurück? – NABU zieht Bilanz der
EU-Naturschutzpolitik 
Tschimpke: Ohne echte Agrarreform gefährdet Europa seine
Artenschutzerfolge und Glaubwürdigkeit auf dem Weltnaturschutzgipfel 
 
Berlin – Eine Woche vor Beginn des UN-Weltnaturschutzgipfels im
indischen Hyderabad (8.-19.10.) hat der NABU zusammen mit seinen
europäischen Partnerverbänden erstmals eine Bilanz der
EU-Naturschutzpolitik vorgelegt. Dabei kommt die Studie zu einem
ernüchternden Ergebnis. 
Obwohl sich die Weltgemeinschaft bei der Vorgängerkonferenz im
japanischen Nagoya vor zwei Jahren auf eine konkrete Strategie zur
Rettung der biologischen Vielfalt geeinigt hatte, ist die EU seither
lediglich in einem von sechs ihrer selbst gesteckten Ziele wesentlich
vorangekommen: Einzelnen Arten konnte geholfen und das europaweite
Schutzgebietsnetz fast komplettiert werden. Bei fünf der sechs Ziele
steht Europa jedoch noch ganz am Anfang seines Weges. Dabei droht vor
allem die europäische Agrarpolitik, die ersten zaghaften Erfolge
zunichte zu machen. „Die EU-Staaten sind dabei, ihre Vorreiterrolle im
weltweiten Naturschutz zu begraben. Wenn es in diesem Tempo weitergeht,
rücken die in Nagoya vereinbarten Ziele in immer weitere Ferne“, so
NABU-Präsident Olaf Tschimpke. 
Das Versprechen, die Landwirtschaft bis 2020 naturverträglich zu
gestalten und umweltschädliche Subventionen abzubauen, droht die EU
bereits jetzt zu brechen. Die Landwirtschaftsminister sind derzeit auf
dem besten Wege, die Brüsseler Milliardenzahlungen an den Agrarsektor
bis zum Ende des Jahrzehnts zu zementieren.
Die blockierte Agrarreform könnte sich zudem als „offene Flanke“ der EU
in Hyderabad und als mögliche Gefahr für den Erfolg der Konferenz
erweisen. Für die Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas bietet sie
Anlass, die vor zwei Jahren in Nagoya vereinbarten Ziele aufzukündigen.
„Die Entwicklungsländer werden sich kaum auf weitere Anstrengungen im
Naturschutz einlassen, wenn sie sehen, dass wir unsere größten Probleme
zuhause selbst nicht in den Griff bekommen“, so Konstantin Kreiser,
NABU-Experte für Internationale Naturschutzpolitik. 
Kein gutes Zeichen sei auch, dass Bundesumweltminister Altmaier, im
Gegensatz zu vielen seiner internationalen Kollegen, der Konferenz in
Indien fern bleiben will. Sein entschiedenes Auftreten sei jetzt
besonders wichtig, um die Glaubwürdigkeit der Europäer in Hyderabad zu
retten. Die nehme durch die Blockadehaltung, auch der deutschen
Landwirtschaftsministerin, in Brüssel derzeit akut Schaden. „Wenn Frau
Aigner weiter selbst die zaghaftesten Vorschläge der EU-Kommission für
eine naturverträgliche Landwirtschaft blockiert, trägt sie eine
Mitverantwortung für ein mögliches Scheitern der Konferenz in
Hyderabad“, so Tschimpke. 
Der NABU fordert, dass Agrarsubventionen künftig nur noch an Landwirte
ausgezahlt werden, die einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz leisten.
Darüber hinaus muss aus Sicht des NABU mehr Geld für den Naturschutz im
ländlichen Raum bereitgestellt werden, um die Finanzierung der
Natura-2000-Gebiete zu sichern. 



Die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Überblick:
Die Studie zur europäischen Naturschutzpolitik, die der NABU und sein
Dachverband BirdLife International erstellt haben, sieht die EU bei fünf
von sechs Einzelzielen der europäischen Biodiversitätsstrategie
2010-2020 noch ganz am Anfang des Weges. Lediglich bei der Ausweisung
von Schutzgebieten und im direkten Artenschutz (Ziel 1) sei man bereits
nennenswert vorangekommen, während z.B. die Land- und Forstwirtschaft
(Ziel 3) noch keinen nennenswerten Beitrag leisten – im Gegenteil, sie
konterkarieren die in anderen Bereichen erzielten Erfolge. 
Im
merhin gibt es bei vier der sechs Einzelziele erkennbare Bemühungen.
So entwickelt die Europäische Kommission Maßnahmen zur Wiederherstellung
von Umweltdienstleistungen (Ziel 2) und hat fortschrittliche Reformen
der Fischereipolitik (Ziel 4) vorgeschlagen. Außerdem bereitet sie
Gesetze gegen das Einschleppen von invasiven Arten vor (Ziel 5). Dagegen
ist bisher nicht erkennbar, wie die EU ihren Beitrag zum globalen
Naturschutz verstärken will (Ziel 6): In Hyderabad muss die EU hierfür
eine Erhöhung der Entwicklungshilfen zusagen, vor allem aber einen Stopp
der Umweltzerstörung, die sie unter anderem durch ihre Biospritpolitik
auf anderen Kontinenten verursacht.
Die Studie enthält auch eine Bewertung der Anstrengungen, die die
einzelnen EU-Staaten bei der Umsetzung des Schutzgebietsnetzwerkes
Natura 2000 unternehmen, denn das Management und die ausreichende
Finanzierung dieser Gebiete bilden das Kernstück der europäischen
Naturschutzpolitik. Deutschland befindet sich beim Management lediglich
im Mittelfeld (Spitzenreiter: Frankreich, Schweden, Belgien und
Lettland), bei der Finanzierung sogar unter den Schlusslichtern
(Spitzenreiter: Rumänien).
 
Für tagesaktuelle Einschätzungen der Verhandlungen,
Hintergrundinformationen und Interviews stehen Ihnen Konstantin Kreiser
ab dem 8. Oktober und NABU-Präsident Olaf Tschimpke ab dem 17. Oktober
vor Ort in Hyderabad zur Verfügung. Der NABU twittert zudem aus den
Verhandlungen unter: twitter.com/NABU_de.
 
Für Rückfragen:
Konstantin Kreiser, NABU-Experte für Internationale
Biodiversitätspolitik, mobil: 0172-4179730
 
 
Weiterführende Informationen: 
NABU-Studie zur EU-Biodiversitätspolitik: „Auf dem Weg der Besserung?“
-          Kurzfassung:
www.NABU.de/downloads/NABU-Hintergrund_eu-biodivbericht2012.pdf (
http://www.nabu.de/downloads/NABU-Hintergrund_eu-biodivbericht2012.pdf )
 
-          Langfassung: www.NABU.de/downloads/eu-biodivbericht2012.pdf
( http://www.nabu.de/downloads/eu-biodivbericht2012.pdf ) 
-          Englischsprachige Fassung “On the road to recovery?” mit
Einzelbewertungen der Mitgliedsstaaten und Fallbeispielen:
www.birdlife.org/eubiodiversityreport2012 


NABU-Forderungen an den Weltnaturschutzgipfel in Indien (CBD-COP 11): 
www.NABU.de/imperia/md/content/nabude/naturschutz/nabu_position_cbd_cop_11_2709.pdf
(
http://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/naturschutz/nabu_position_cbd_cop_11_2709.pdf
)  
NABU-Positionen zur EU-Agrarpolitik: www.NABU.de/agrarkampagne (
http://www.nabu.de/agrarkampagne )  
 
 
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NABU-Pressestelle, Telefon: 0 30.28 49 84-1510, -1722, -1952
Telefax: 0 30.28 49 84-2500, E-Mail: pre...@nabu.de 
Redaktion: Kathrin Klinkusch, Britta Hennigs, Iris Barthel
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