Informationsdienst Wissenschaft/Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
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22.03.2018 18:01

Arm und Reich: Steuern auf Landbesitz und Erbschaften können Ungleichheit
verringern

Um die zunehmend ungleiche Verteilung von Vermögen in
Industriegesellschaften zu verringern, ohne die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit zu beeinträchtigen, könnte ein Politikpaket aus Steuern
auf Landbesitz und Erbschaften die optimale Lösung sein. Ein solches
Maßnahmenpaket hätte gegenüber der Besteuerung von Unternehmen große
Vorteile, wie eine neue Studie in der Zeitschrift International Tax and
Public Finance feststellt. Es ist die erste Analyse, die den bisher
vernachlässigten Faktor des Bodenwertes bei der Ungleichheit von Vermögen
berücksichtigt. Der Grundbesitz ist auch deshalb von großem Interesse, da
der Klimawandel die Bodenpreise und damit die Wohnkosten erhöhen könnte.

"Der Klimawandel wird wahrscheinlich Grund und Boden verteuern. Entweder
wird die ungebremste globale Erwärmung durch die Treibhausgase aus fossilen
Brennstoffen viel Land dem Risiko von Dürren und Überschwemmungen
aussetzen", sagt der Hauptautor Max Franks vom Potsdam-Institut für
Klimafolgenforschung (PIK). "Oder aber es wird mehr Land für
Biomasseplantagen oder Windparks genutzt, nämlich wenn die Entscheider in
der Politik den Klimawandel begrenzen wollen. In beiden Fällen wird Land
knapper und damit teurer - und Bodenspekulation durch Investoren treibt die
Immobilienpreise noch weiter in die Höhe."

Die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern, ist eines der Ziele
nachhaltiger Entwicklung, wie sie die Vereinten Nationen beschlossen haben.
"In unserer Studie haben wir deshalb untersucht, wie das Problem der
steigenden Bodenpreise so angegangen werden kann, dass die
Vermögensungleichheit in den Industrieländern verringert wird, ohne dafür
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu opfern", erklärt Franks. "Und es
zeigt sich, dass die Regierungen hierbei beträchtliche Freiheit haben. Das
Ergebnis unserer komplizierten konzeptionellen Berechnungen ist ganz
einfach: Sinnvoll wäre ein Maßnahmenpaket aus Bodenwertsteuern und
Erbschaftssteuern, das auch eine Senkung der Unternehmenssteuern oder der
Mehrwertsteuer ermöglicht."

Besteuerung von Grund und Boden stimuliert Investitionen

Eine Bodenwertsteuer hätte zwei wesentliche Wirkungen. Erstens wäre es ein
Anreiz, Geld in produktives Kapital wie etwa die Industrie zu investieren,
während Investitionen in Landbesitz weniger rentabel wären. Der Anstieg der
produktiven Investitionen würde die Wirtschaftsleistung direkt erhöhen.
Zweitens würden Bodenwertsteuern - die nur auf dem Wert von Grundstücken
beruhen und den Wert von Gebäuden außer Acht lassen - zu einer effizienteren
Landnutzung führen. Das Leerstehen von ungenutzten Grundstücken würde durch
die Bodenwertbesteuerung dazu führen, dass der Eigentümer Geld verliert.
Damit würde der Bau von Wohnungen attraktiver, was zur Linderung der
Wohnungsnot beitragen könnte.

"Die konzeptionelle Studie zeigt, wie Regierungen jedem helfen können,
seinen gerechten Anteil am Kuchen zu bekommen, ohne dass dabei der Kuchen
selbst schrumpft", sagt Franks. Zu diesem Zweck vergleichen die Autoren die
Steuern auf Kapitaleinkünfte, Erbschaften und den Wert von Grundstücken.
"Überraschenderweise wurde der Faktor Land in ökonomischen Studien über die
Vermögensungleichheit seit den 1960er Jahren ignoriert, obwohl der Wert von
Land enorm gestiegen ist. Deshalb beziehen wir in unsere Studie diesen
entscheidenden Faktor für die Entwicklung und Verteilung von Vermögen mit
ein", so Franks.

Erbschaftssteuern verringern Ungleichheit, aber das allein genügt nicht

Die Studie basiert auf dem breiten Konsens in der Wirtschaftsforschung, dass
Erbschaften einen entscheidenden Einfluss darauf haben, wie die Vermögen in
der Gesellschaft verteilt sind. Doch wenn heute ausschließlich eine
zusätzliche Steuer auf Erbschaften eingeführt würde, könnte dies zwar die
Ungleichheit verringern, aber es könnte zugleich die Wirtschaftsleistung von
morgen beeinträchtigen. Denn eine Erbschaftssteuer kann die Bereitschaft der
Haushalte verringern, Geld zu sparen. Eine Verringerung der Sparvermögen
würde jedoch bedeuten, dass Banken weniger Mittel zur Verfügung hätten, um
sie als Kredite an Unternehmen weiterzugeben. Letztendlich würde das zu
einer Verringerung der nationalen Investitionen führen. Um dieser Tendenz
entgegenzuwirken, muss eine Erbschaftssteuer mit einer Bodenwertsteuer
kombiniert werden, die Investitionen in Grundstücke weniger lukrativ macht
und dafür sorgt, dass das Geld in produktive Investitionen fließt. Eine
weitere mögliche Maßnahme zur Stimulierung der Wirtschaft wäre eine moderate
Senkung der Unternehmenssteuern, die durch die zusätzlichen öffentlichen
Einnahmen aus der Besteuerung von Erbschaften und Grundstücken finanzierbar
wäre.

"Es wäre ganz klar zusätzliche Regulierung erforderlich, um die Steuerlast
gerecht zu verteilen. Viele mittelständische Haushalte haben einen
vergleichsweise hohen Anteil von Grundbesitz in ihrem Vermögen, einfach weil
sie ein Haus gekauft haben und sonst nur wenig Vermögen besitzen. Um eine
weitere Steuerbelastung für den Mittelstand zu vermeiden, könnte ein
Grundfreibetrag bei der Bodenwertsteuer eingeführt werden", erklärt Ko-Autor
David Klenert vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate
Change (MCC). "Und es wäre zusätzliche Regulierung erforderlich, um sicher
zu stellen, dass Vermieter nicht alle Kosten der Bodenwertsteuer auf ihre
Mieter abwälzen."

Gegen Ungleichheit vorgehen - gegen Populismus vorgehen

"Interessanterweise findet unsere Analyse die größten positiven Auswirkungen
auf die Wirtschaftsleistung und die Verringerung der Ungleichheit der
Vermögen, wenn die Steuereinnahmen für Transfers an die jungen Generationen
verwendet werden. Denn die investieren sie in eine bessere Bildung, gründen
eine Familie oder gar ein Unternehmen", sagt Ottmar Edenhofer, Ko-Autor der
Studie und Chefökonom des PIK sowie Direktor des MCC. "Eine intelligente
Besteuerung von Erbschaften und Land kann also dazu beitragen, die
Ungleichheit zwischen den Generationen zu verringern."

"Wir sehen in vielen Gesellschaften eine wachsende Kluft zwischen Arm und
Reich, eine Zunahme der Erbschaften und einen Anstieg des Bodenwerts",
erklärt Edenhofer. "Wenn die politischen Entscheidungsträger die Ziele der
nachhaltigen Entwicklung ernst nehmen, nämlich Armutsbekämpfung,
integratives Wachstum, Verringerung der Ungleichheit und nachhaltige Städte,
brauchen sie eine ausgewogene Strategie. Dies wird umso wichtiger in Zeiten,
in denen Populisten Ängste der Mittelklasse und gesellschaftliche Spannungen
ausnutzen. Die öffentlichen Finanzen sind ein wichtiges Mittel, um das
Problem an der Wurzel zu packen."

Artikel: Max Franks, David Klenert, Anselm Schultes, Kai Lessmann, Ottmar
Edenhofer (2018): Is Capital Back? The Role of Land Ownership and Savings
Behavior. International Tax and Public Finance 
https://doi.org/10.1007/s10797-018-9486-3

Kontakt für weitere Informationen: Jonas Viering, Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Telefon:
+49 (0)331 288 2507, E-Mail: pre...@pik-potsdam.de, www.pik-potsdam.de




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