Liebe Liste, als langjähriger Betrachter von beiden vormals getrennten, nun aber schon lange nicht mehr zu trennenden Künsten und ihren jeweiligen Marktansichten (es gibt ja noch mehr, aber verkürzen wir hier auf "offizielle" Galerien-/Museums-/Kunstvereinskunst und so genannte Medienkunst/technisch basierte Kunst) möchte ich sowohl gegen Oliver als auch Geert argumentieren. Es sind nicht die Seilschaften, die etwa den Markt für technizistische Kunst sperren, denn um diese geht es nicht mehr, die gibt es auch nicht mehr. Diese Kunst ist längst im Markt angekommen. Siehe etwa als plakativstes Beispiel Leute aus der Post-Internet-Art (die Portland-Schiene etwa oder meinetwegen auch Rafaël Rozendaal [RR] e.a.). Ich denke ferner an die "Unpainted" als Fachmesse, an Bitforms und Postmasters als Fachgalerien etc. Es gibt dieses Marktsegment schon längst (Liesers DAM etwa existiert seit wann?), das auf der anderen Seite immer stärker in Ausstellungskontexte drängt, in denen Medienkunst alter Prägung scheinbar (oder anscheinend?) nie gewesen ist. Warum?
Ein anderes Beispiel für die Antiquiertheit der Gegenwart, wenn man nicht alte Gedankenmuster in den Ruhestand verabschiedet: RR, der seine HP http://www.newrafael.com/ nennt. Der neue Raffael, der wahrscheinlich gar nicht so genau kunsthistorisch weiß was die innovative Leistung des Malers der "Sistina" oder der "Schule von Athen" gewesen ist, außer vielleicht, dass er der jüngste, hochgelobteste Malerstar seiner Zeit war. Fame rules? Allein diese rhetorische Geste, die eigene Domain nach einem derartigen Oberhero der Hochrenaissance zu benennen, belegt, dass, ganz gleich welche "Kunstsparte" man beschaut, dieselben Mechanismen der Oldschool auch dort wirken. Mit einer kleinen Novelle. Zwischen BYOB (http://www.byobworldwide.com/) als performativer, partizipativer Grenzgängerei zwischen Kunst, Club und Rausch, und derart spießigen Arbeiten wie etwa den "Lenticular prints" (http://www.upstreamgallery.nl/artists/15/rafael-rozendaal) offenabrt sich der Gestus des antiquiert Frühneuzeitlichen (RR signiert sogar!!!). Hat RR gar eine Art Aemulatio im Kopf? Well. Ich mag jetzt kein RR-Bashing betreiben, nur kenne ich ihn und habe so meine Zweifel... Zum Glück gibt es diese Positionen, anhand derer nun endlich ganz deutlich wird, dass es Leute in der Szene gibt, die zwar massiven digital basierten Kitsch herstellen, aber im direkten Anschluss an ein allgemeines Kunstschaffen stehen. Selbst wenn desöfteren einfältig die Gedankenfiguren der scheinbar getrennten Gattungen künstlich am Leben erhalten werden. Jedoch, es bleibt beim Versuch. Damit laufen viele "Medienkünstler" alter Schule ins offene Messer ihrer eigenen scharf gestellten, aber leider altmodischen Ansprüche, und sie sperren sich nach wie vor selbst in eine eigens errichtete "gated community", die vor allem eines auszeichnet: eben jene hoffnungslose Antiquiertheit und vielleicht die naive Vorstellung, durch Lötworkshops den Lebensunterhalt sichern zu können - sorry, aber man kann doch nach wie vielen Jahren ZKM oder Rhizome nicht mehr so denken! Anderseits, positiv gewendet, lächelt man über die entblößende Naivität mit der komplette protofeudalistische Kunstmarkt auch dort aufscheint. Leider, leider kann ich die Veranstaltung mit Rebentisch und Düttmann nicht besuchen, aber sie steht aus meiner Sicht pars pro toto. Es macht heute keinen Sinn mehr, wie damals in der Moderne, zwischen den Gattungen zu trennen. Die Debatte ist fast schon zehn Jahre alt, als Stefan Heidenreich und Inke Arns für einen expansiven Medienkunstbegriff in der kostenlosen Publikumsgazette namens Kunstzeitung, die in beinahe jedem Ausstellungsinstitut ausliegt, argumentierten. Also wie viel Publizität und Mainstream braucht es eigentlich noch, um in der Gegenwart anzukommen? So what, meine Damen und Herren. Diese Debatte ist durch. Es gibt kein Alleinstellungsmerkmal für Medienkunst. Es gibt nur noch intelligente, herausragende, aufregende Kunst, und alles andere ist alles andere. Die eingesetzte Technik spielt dabei keine Rolle mehr. In diesem Sinne, Glückauf Euer Fausto Am 14.01.2016 um 14:16 schrieb Oliver Grau: > Nun, bei diesen Personen sind es wohl Seilschaften, Galerie-Netzwerke > auch Unkenntnis.. > > ... aus unserer Konferenz "Challenges of Digital Arts for our > Societies" im Museum für Moderne Kunst, Wien, MUMOK, vom letzten Monat > hier der Vortrag von Christiane Paul zum Thema: > https://www.youtube.com/watch?v=283LtZNmy5M > > Beste Grüße, > Oliver > > >>>> Geert Lovink <ge...@desk.nl> 14.1.2016 13:50 >>> > >> On 14 Jan 2016, at 12:02 pm, Margarete Vöhringer > <margar...@hit-in.tv> wrote: >> >> Fr, 05.02.2016 >> 18.00 Uhr >> >> Öffentliche Podiumsdiskussion >> >> Wie – Gegenwartskunst? >> >> ZfL, Schützenstr. 18, 10117 Berlin, 3. Et., Trajekte-Tagungsraum >> Programm >> >> mit Alexander García Düttmann (UdK Berlin) und Juliane Rebentisch > (HfG Offenbach). >> Moderation: Eva Geulen (ZfL/HU Berlin) und Peter Geimer (FU Berlin) >> >> Ist nicht jede Kunst immer auch Gegenwartskunst? Oder mindestens > einmal gewesen? Nein, behaupten Juliane Rebentisch und Alexander Garcia > Düttmann, Gegenwartskunst ist ein besonderer Name, mit dem sich die > Kunst unserer Zeit von der modernen Kunst und ihren vergangenen > Gegenwarten unterscheidet. Darüber herrscht Einigkeit zwischen der > Kunstphilosophin und dem Kunstphilosoph. Aber weit auseinander gehen > ihre Meinungen bei der anschließenden Frage nach den Kriterien, der > Bedeutung und Bewertung der Unterschiede zwischen dieser Gegenwartskunst > und der Kunst, die ihr voranging. Während Rebentisch eine kritische > Selbstüberwindung der Moderne am Werk sieht, befürchtet Düttmann, dass > sich die Gegenwartskunst in ein Abseits manövriert hat und dort > feststeckt. > > OK… Aber sogar hier wird das Digitale, neue Medienkunst, Internet, > Post-Internetkunst, new aesthetics, post-digitale Kunst und so weiter > nicht mal erwaehnt… Warum? Was ist daran so schwer? Welche Hemmungen und > Tabus gibt es da, bei Alexander und Juliane, die Organisatoren usw.? > Denkverbote? Schuldkomplexe? Komputerängste? Verblendungszusammehaenge? > Was, um Gotteswillen, macht es so schwer die durchdigitalisierte und > vernetzte Techno-Gegenwart zu betrachten—und die Negation > voranzutreiben, statt immer nur so zu tun alsob es ganze gar nicht > gibt. > > Geert > > > > > >
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