Vor zwei Tagen war ich auf der Transmediale und habe eine Vortrag von Humberto Maturana gehört. Ehrlich gesagt bin ich vor allem deshalb hingegangn, um ihm eine Frage zu stellen. Da es dazu nicht kam, bin ich dann irgendwann einfach auf die Bühne gegangen und habe ein kleines Gespräch geführt. Das Gespräch soll eine Fussnote zum Nachwort meines Buches „Medientheater" werden, das Ende März im Kulturverlag Kadmos erscheinen wird. Über Kommentare freue ich mich.
[Gespräch 1.Feb.08, Transmediale/Haus der Kulturen der Welt] HEISELER: We are here in Germany and there was a famous german sociologist. His name is Niklas Luhmann. He refers to different theories: Fritz Heider, Georg Spencer Brown, Talcott Parsons and to you and Verela, in your case by using the term Autopoiesis. What do you think of Niklas Luhmann's Systemtheory? MATURANA: I had a disagreement with him. HEISELER: May I tape you? MATURANA: Yes, yes, yes. I was in Bielefeld, I think 1990, 91, something like that. A couple of years before he died. And we talked much. And I thank him because he made me famous. But my discordance with him was, was that he left out human beings. HEISELER: That is the whole idea. MATURANA: I know, I know, but I thought this would be inadequate. I asked him why, why did you do that? He said he wanted to do that, because he wanted a predictable theory. If you introduce human beings you introduce into certainty a certain uncertainty... My answer to that is: That we have two ways of dealing with that. One is to eliminate the human being. The other is to make a theory which includes human beings. But later I realized that one thing that he wanted was to deal with closed systems. And he thought, I think, that Autopoiesis allowed him to deal with closed systems. HEISELER: In a way … MATURANA: In a way. HEISELER: A nervous system is a closed system. MATURANA: Yes. HEISELER. It is closed on the operative level to be open on the cognitive level as you made it clear in your books. MATURANA: Yes. But he wanted to do that. I think, in order to do that with communication he needed Autopoiesis, but he needed to leave out the human beings. You can't have a closed system with human beings, if it includes the dynamic of the participation of human beings and the realization of communication. What you cannot predict is the flow of communication, but you can predict the nature of the closed system. This you can have. This was our discrepancy, because we gave a seminar together in which we always were encountering this discrepancy. HEISELER: If you take the concept of Autopoiesis and transfer it to the field of social system, what is transferred? Is it just a metaphor or does this lead to hard science like the biological idea of Autopoiesis, if this would be called hard science? MATURANA: It is a metaphor, because it leads to believe in something what it is not. I remember that Heinz von Foerster when he first heard about Autopoiesis, he said: "Fantastic! - This solves the problem, because social systems are autopoietic systems." I said if social systems are autopoietic systems, I want to get out immediately. Because if that is so, then a social system is an embodiment of totality. And I don't want to be a part of an embodiment of totality. HEISELER: So you still believe in a subject, in a way. I ask this, because we have a lot of theories in the 20th Century, speech theory, discourse analysis, media theory which excludes in a way the human being. MATURANA: I don't think that they solved the question. HEISELER: Okay, that is what I wanted to know. Thank you. MATURANA: Thank you to you, too. Eben die Frage der Totalität der Systeme werden wir weiter unten im Bezug auf den Begriff des Autors diskutieren. Wir werden sehen, dass uns hier die Theorie der Evolution der sozialen Systeme weiterhelfen wird. Denn wenn die Evolution, wie Luhmann vorschlägt, zunächst einer Variation bedarf, dann steht genau diese Variation der Totalität des Systems, der Totalität der Selektion, entgegen. Totalität ist systemtheoretisch die Totalität der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien innerhalb der gesellschaftlichen Funktionssysteme, die sie erschaffen und durch die sie erschaffen werden. Die Systemtheorie ist genaugenommen eine Selektionstheorie der Kommunikation. Über die autopoietisch geschaffenen Selektionskriterien (symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien) kann die Gesellschaft als Kommunikation beschrieben werden. Luhmann erklärt Gesellschaft also aus den Selektionskriterien der Kommunikation. Dass diese nun vorauseilend (von der Kommunikation {laut Luhmann} bzw. von den Kontrollierten {laut Deleuze}) erfüllt werden, ist die zeitgemäße Antwort auf die alte soziologische Frage: „Wie ist gesellschaftliche Ordnung möglich?" Luhmanns große und erhellende Setzung - die darin besteht, dass er der Kommunikation selbst Sinnverwendung unterstellt und das psychische System als Umwelt des Sozialen konstruiert, wodurch er zwangsläufig zu seiner berühmten paradoxen Tautologie: „Die Kommunikation kommuniziert" kommt - gerät in dem Moment logisch in Schwierigkeiten wenn damit Interaktion oder gesellschaftliche Entwicklungen erklärt werden sollen. (Deshalb schließt Luhmann hier mit zwei unterschiedlichen und nur bedingt mit der eigentlichen Systemtheorie kompatiblen Theorien an.) In Bezug auf Luhmanns gewagte, geniale Setzung stellt sich für uns nicht die Frage von wahr oder unwahr, denn jede Theorie abstrahiert (und es kommt in der Wissenschaft eben auf „die richtige" Reduktion an), sondern die Frage, was mit ihrer Hilfe sichtbar wird und was durch sie verdeckt wird. Wenn es so etwas wie soziologische Aufklärung gibt, dann besteht diese in der Aufklärung über die Selektionsmechanismen einer Gesellschaft. Der Ausstieg aus dem sozialen System indes würde den Ausstieg aus jeglicher Kommunikation bedeuten und selbst dann würde der Aussteiger die Sinnunterscheidungen der Gesellschaft, ihre Sprache und Differenzen teilweise zumindest weiter verwenden. Der wirkliche Ausstieg aus der Totalität des gesellschaftlichen Systems wäre gleichsam ein Ausstieg aus dem Medium Sinn. Damit würde dann allerdings auch eine Dimension des Menschen aufgegeben. Die menschliche Freiheit besteht deshalb nicht im Ausstieg aus Sinn und Gesellschaft, sondern in der Selektion und Beschränkung der angenommenen Kommunikation und damit in der Wahl einer besonderen Unfreiheit. glück zu allen! till -- http://www.formatlabor.net/blog http://www.formatlabor.net http://www.tnvh.de
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