Das hätte sich wohl auch niemand gedacht, dass Attac einmal eine Bank gründen wird. So neu ist allerdings die Idee einer altruistischen Bank auch wieder nicht, denn unsere Sparkassen, Raiffeisen- und Volksbanken haben noch Statutenkerne, die ihre Geschichte zeigen. Und die war erstaunlicherweise sehr ähnlich.
Wie das funktioniert und warum Banken überhaupt notwendig werden lässt sich "am lebenden Beispiel" sehr schön in China verfolgen: Arme Bauern verlassen notgedrungen ihr Land, ziehen in der Hoffnung auf ein besseres Leben in die Stadt, arbeiten in einer Fabrik am Fließband und legen, nachdem sie ohnedies fast nichts zum Leben brauchen, ihr gesamtes verdientes Geld auf die Bank, in der Hoffnung auf zukünftige Erträge. Daher schiessen Banken wie die Schwammerl aus dem Boden. Sie werden genährt von der Hoffnung auf ein besseres Leben für die Kinder und sie düngen die Industrialisierung. In China ist das Hauptproblem, dass die Leute meist Aktien als Anlageform wählen - mit allen Chancen und Risiken. Das heizt die sinnlose Bautätigkeit an und könnte in einer gewaltigen Blase enden. Wäre nicht das erste Mal, dass China versucht Pläne so sehr zu erfüllen, dass es in Chaos, Siechtum und Tod endet. Aber zurück zur neuen Bank (Arbeitstitel: "Demokratische Bank". Mehr Demokratie hätten wir wirklich nötig in Zeiten, wo wieder der Ruf nach starken Männern erschallt): Immerhin haben die meisten Banken hierzulande ähnlich begonnen: Am Anfang war ein Pfarrer aus der Leopoldstadt, der 1819 den "Verein der Ersten österreichischen Spar-Casse" gründete. Der Sitz war in der Leopoldskirche, heute gleich bei der U2 in der Taborstraße. Dienstag und Donnerstag konnte man sein Geld dort hin tragen. Die Idee war, ärmeren Bevölkerungsschichten eine sichere Form der Kapitalanlage zu verschaffen - sicherer als das im Garten vergrabene Goldsäcklein - als Vorsorge für Alter und Krankheit - und gleichzeitig die Nachfrage nach Geld zu stillen, denn die vielen (industriellen und sozialen) Neuerungen brauchten Geld als Starthilfe. Man beachte, dass der Vereinszweck, keine Gewinne zu machen und der Bevölkerung zu dienen, festgelegt war. Par.4 der Vereinsstatuten beginnt konsequenter Weise mit: "Die Gesellschaft besteht aus solchen Menschenfreunden..." Dasselbe bei Genossenschaftsbanken. Die Geschichte der Raiffeisenbanken etwa ist wirklich lesenswert. Ihnen zugrunde lag das Problem, dass die Bauern, die mit dem Gesetz über Grundentlastung von 1848 erstmals wirtschaftlich frei von ihren Grundherren agieren durften, am Markt gegen die immer noch vorhandenen Agrargrößen erst einmal bestehen mussten. Friedrich Wilhelm Raiffeisen war christlicher Sozialreformer, der den "Flammersfelder Hülfsverein zur Unterstützung unbemittelter Landwirte" aus der Taufe hob. Also ein Verein, in dem Bauern sich gegenseitig eine Haftungszusage gaben, um gemeinsam Produktionsmittel einkaufen zu können und im neuen beinharten Markt bestehen zu können. Zunächst hafteten die Gesellschafter mit ihrem vollen Gesamtvermögen (was soll man sonst tun in der Not), später mit dem entstandenen gemeinsamen Vermögen der Bank. Bei den Volksbanken lief es ganz ähnlich, die hiessen zunächst "Allgemeiner Verband der auf Selbsthilfe beruhenden Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften in Österreich". Das war 1872. Auch hier: der Weg der historischen Entwicklung ist logisch. Aus einem Instrument der Notlage, der Selbsthilfe über eine tragfähige Einheit hin zu einem die anderen Banken bekämpfenden Finanzkriegsmittel, von denen manches Schlachtschiff auch schon mal leck schlägt. Aber: die treibende Kraft bei bestehenden Banken war immer die "Förderung ihrer Mitglieder". Also waren sie von vornherein immer auf Konfrontation mit Nicht-Mitgliedern ausgelegt, die Mildtätigkeit in Statuten meiner Meinung nach eigentlich eine Farce... Die große Frage, die auch die Demokratische Bank quälen wird, ist: Wie lässt sich Mildtätigkeit über Generationen festschreiben? Sind erst einmal die Gründermenschen Geschichte, wird das schwierig, wie die bestehende Bankenlandschaft zeigt. Die letzte Bankengründung war übrigens die "Zweite Wiener Vereins- Sparkasse" im Jahr 2006. Diese von MitarbeiterInnen der Erste Bank ehrenamtlich betriebene Bank hat das Ziel, Menschen die auf der schwarzen Liste stehen, also nicht mehr kredit- und kontowürdig sind (was für eine Farce) eine Bankverbindung und ein Versicherungspaket bereitzustellen - ohne Bankverbindung gibt es meist ja auch keinen Job und aus der Spirale kommt man nicht mehr raus ohne fremde Hilfe oder List. Die "Zweite Sparkasse" ist somit die einzige Bank, die sich freut, wenn ein Kunde kündigt (und wenn er zur Ersten wechselt, freuen sie sich noch mehr). Hier ist der Vereinszweck echte Hilfe und Kundenaquise - also doch wieder "nur" für die eigene Klientel? Ich verfolge nun schon seit geraumer Zeit die Rebellion meines Jugendfreundes Heini Staudinger, der sich mit der Finanzmarktaufsicht angelegt hat. Um die Jahrtausendwende, als erstmals die Eigenkapital- vorschriften für Banken ausgebaut wurden, wurde ihnen so mancher Kredit zu heiss - und wer wie Heini seine Firma aus Wien ins Waldviertel verlegt, der hat trotz solider Gewinne einfach seine Kreditwürdigkeit verspielt. Weil man ist ja offensichtlich verrückt. Heini gründet aus purer Not einen Sparverein. Man zahlt 200 EUR ein und bekommt über die nächsten 10 Jahre 330 EUR in Form von Warengutscheinen zurück. Das Modell war so erfolgreich, dass er nicht nur eine für sein 100 Personen Industrieunternehmen dimensionierte Solaranlage errichten konnte, sondern auch die benachbarte Halle der pleitegegangenen Ergee dazukaufte, ein Seminarhotel errichtete und mittlerweile Spareinlagen ablehnen muss. Nachdem der Umsatz des Sparvereins die 2 Mio. Grenze überschritten hatte bekam die FMA Wind und forderte ihn auf, die Gelder sofort zurückzuzahlen und die Geschäftstätigkeit einzustellen. Heini schaltete auf stur und liess die Frist verstreichen, wohl wissend, dass das Geld gerade in der strukturschwachen Region Waldviertel Gewaltiges bewirkt hat. Für die Politik ein Spagat: auf der einen Seite die Eigenkapitalvorschriften von Basel III, auf der anderen die lobenswerte Strukturförderung in Eigeninitiative. Derzeit ein Patt. Die neu zu gründende Bank fängt dort an, wo auch die Platzhirsche der österreichischen Bankenszene begonnen haben - als Trägerverein zur Gründung einer Bank. Sie soll laut Statutenidee ihre Gewinne an gemeinnützige Zwecke abführen - das ist das scheinbar revolutionäre daran. Bleibt zu hoffen, dass die Statuten die Lehren aus der Geschichte widerspiegeln. Fraglich ist für mich, ob sich eine neue Bank unter dem geltenden Regelwerk überhaupt betreiben lässt. Dennoch: einen Versuch wert! Ich werde jedenfalls genau verfolgen, wie sich die Demokratische Bank entwickelt. Und: Ich freue mich, dass sich überhaupt wer traut, sowas auf die Beine zu stellen. Meinen tiefen Respekt! fra links: http://www.economist.com/node/21554234 (China's Banks: Storing up trouble) http://tinyurl.com/blr2eu4 (Statuten der Ersten Österr. Sparkasse, 1819) http://tinyurl.com/a6nf779 (Erste Bank, Geschichte) http://www.raiffeisenverband.at/geschichte.php (Raiffeisen, Geschichte) http://www.w4tler.at/geaneu/fma-hintergrundinformation (GEA vs. FMA) http://www.sparkasse.at/diezweitesparkasse (Zweite Sparkasse) ----- Original Message ----- From: "j. grenzfurthner/monochrom (das ende der nahrungskette)" <j...@monochrom.at> Subject: [monochrom] Projekt Demokratische Bank - Onboarding > Hi Metalabber! > > Am 19. November um 18.00 Uhr im Café Stein (Währinger Straße 6-8, ganz > oben im Café, weitere Infos auf www.cafe-stein.com) ist Treffen fuer > Leute, die sich fuer die Demokratische Bank und/oder an Mitwirkung daran > interessieren. Es geht dabei um die Gruendung einer oekologisch, > sozialen, gemeinwohlorientierten Bank, die voraussichtlich in der 2. > Haelfte 2013 operativ werden wird. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein > paar von euch da mitmachen wollen und mit ihrem know how dazu beitragen > koennen, diese Vision umzusetzen. > > Jeder Interessent ist willkommen! > > http://www.demokratische-bank.at > > http://www.demokratische-bank.at/fileadmin/media/Demokratische-Bank_FAQ.pdf > > http://www.demokratische-bank.at/fileadmin/media/Demokratische-Bank_Vision.pdf > > http://www.demokratische-bank.at/fileadmin/media/Demokratische-Bank_Strategie-Langfassung.pdf _______________________________________________ bagasch mailing list bagasch@lists.monochrom.at http://monochrom.at/mailman/listinfo/bagasch