Re: [Talk-at] Neighbourhoods in Wien

2018-01-27 Diskussionsfäden Friedrich Volkmann

On 23.01.2018 17:23, Stefan Nagy wrote:

Das Problem mit vergessenen Namen betrifft nicht nur Siedlungen,
sondern auch Flurnamen, Namen von Bergen, Tälern, Wäldern, Wiesen,
Bächen, Steigen, sogar Eisenbahnen (z.B. Innere Aspangbahn, siehe
http://www.openstreetmap.org/way/27798063/history). Wir müssten alle
diese Namen, die in Vergessenheit geraten sind, aus OSM heraushalten.
Aber wie können wir als Kartografen wissen, ob ein Name in
Vergessenheit geraten ist? Alle Anwohner im Umkreis von x km
befragen? Das ist nicht durchführbar!
Google fragen? Google kennt auch Nikolsdorf...

Ich finde, bevor wir Namen wie Nikolsdorf und die Innere Aspangbahn,
die zumindest in der Literatur belegt sind, in Frage stellen, sollten
wir uns erst mal um die vielen falschen Flurnamen kümmern, die von
Sofamappern ebenso wie die falschen Straßennamen unreflektiert aus
der Basemap abgeschrieben wurden. Diese Flurnamen sind teils an der
falschen Stelle, teils falsch geschrieben, teils sind es in Wahrheit
gar keine Flurnamen, sondern Namen von Bergen, Wäldern usw.


Es geht nicht darum, dass der Name der nach wie vor existierenden
Vorstadt Nikolsdorf vergessen wurde; die Vorstadt existiert nicht mehr.


Sie existiert schon noch, sie ist nur mit anderen Vorstädten 
zusammengewachsen - genauso wie Wien im Südwesten mit Perchtoldsdorf, Brunn 
am Gebirge, Maria Enzersdorf, Hinterbrühl, Gießhübl, Mödling, Guntramsdorf, 
Wiener Neudorf und Vösendorf siedlungsmäßig zusammengewachsen ist, nur 
administrativ sind die noch eigenständig. Wenn man die place-Nodes der 
Wiener Vorstädte rauslöscht, müsste man konsequenterweise auch die 
place-Nodes von Mödling usw. löschen und nur die admin-Grenzen lassen.



Aber wenn so eine Übertragung nicht passiert, dann ist das kein Fehler,
sondern einfach Ausdruck davon, dass die (sub)kulturelle Identität
nicht stark genug ausgeprägt war bzw. durch Entwicklungen erodiert
wurde. Vermutlich waren die Bewohner Nikolsdorf innerhalb weniger
Jahrzehnte eine kleine Minderheit der Einwohner. Und da ist Nikolsdorf
gestorben.

Die neuen Bewohner hätten den alten Namen aufgreifen und ihr Grätzl so
benennen können; dann wäre das ein neues Grätzl mit dem Namen der
ehemaligen Vorstadt gewesen – vielleicht haben sie es ja sogar getan.
Aber heute existiert weder eine Vorstadt (innerhalb Wiens) noch ein
Grätzl mit dem Namen Nikolsdorf. Was es gibt, ist historisches Wissen
darüber, was da mal war.


Das ist ein Unterschied in der OSM-Definition zwischen suburb und 
neighbourhood, dass für neighbourhood eine kulturelle Identität nicht nötig ist.



Wenn du von Flurnamen, Namen von Bergen, Tälern, Wäldern, Wiesen,
Bächen, Steigen etc. schreibst, dann ist das etwas völlig anderes. Ich
gehe davon aus, dass die Flur, der Berg, das Tal, die Wälder, Wiesen,
Bäche, Steige nach wie vor da sind.


Die Berge sind schon noch da, aber bei Flurnamen liegt die Herkunft meist im 
Dunkeln. Es gibt da welche, wo man Mutmaßungen anstellen kann ("Toter Mann", 
"Beim Fernrohr", "Auf den Kohlen"), aber auch welche, wo auch mit viel 
Fantasie die Bedeutung kaum mehr zu erahnen ist ("Gony", "Schliefering"). 
Man kann auch oft nicht sagen, ob sich ein Name auf eine geomorphologische 
Vollform oder eine Lokalität oder einen Wald bezieht (z.B. Namen mit -schacher).



Auf der Wikipedia steht zu dem Thema:

"Nicht zu verwechseln mit den Katastralgemeinden sind die Ortschaften
oder Orte, ursprünglich eine Ansammlung von Häusern, die durch eine
gemeinsame Konskriptionsnummerierung zusammengefasst wurden (also
Adressbereiche). Die Begründung einer Ortschaft – immer als
Siedlungsraum – kann eine Katastralgemeinde sein, ist es aber nicht
zwingend: In einer Katastralgemeinde können auch mehrere Ortschaften
liegen, oder umgekehrt, oder die beiden Systeme keinen Zusammenhang
haben. In manchen Bundesländern sind in weiten Bereichen
Katastralgemeindegliederung und Ortschaftsgliederung bis heute
übereinstimmend, in Niederösterreich etwa werden für die allgemeine
Ortsgliederung vornehmlich die Katastralgemeinden angegeben, in anderen
Bundesländern die Ortschaften. In Tirol und Vorarlberg bezeichnet man
übereinstimmende Katastralgemeinden und Ortschaften meist als
Fraktion." (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Katastralgemeinde#Katas
tralgemeinde_und_Ort(schaft)

Wäre es angesichts dessen nicht sinnvoller, Ortschaften (bzw.
Ortsteile) als boundary=administrative + admin_level=10 einzutragen und
Katastralgemeinden mit admin_level=11?


Nein, denn die Ortschaften haben keine genau definierten Grenzen, und der 
Wikipedia-Artikel sagt ja, dass es auch Fälle gibt, wo eine 
Katastralgemeinde mehrere Ortschaften umfasst, also da müsste man ja je nach 
Region mal 10 den Ortschaften zuweisen und 11 den Katastralgemeinden, mal 
umgekehrt. Da kommt nur ein Chaos heraus.


--
Friedrich K. Volkmann   http://www.volki.at/
Adr.: Davidgasse 76-80/14/10, 1100 Wien, Austria

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Re: [Talk-at] Neighbourhoods in Wien

2018-01-27 Diskussionsfäden Stefan Nagy
Am Dienstag, den 23.01.2018, 17:23 +0100 schrieb Stefan Nagy:
> Am Dienstag, den 23.01.2018, 06:22 +0100 schrieb Friedrich Volkmann:
> > In Wiener Neustadt blieben im 2. Weltkrieg nur 6 Häuser
> > unbeschädigt, aber wie in Nikolsdorf wurden die Häuser im
> > wesentlichen dort wiederaufgebaut, wo auch zuvor schon welche
> > gestanden waren, und so blieb die Struktur vollkommen erhalten. Die
> > Bewohner fühlten sich weiter als Wiener Neustädter, und wenn das
> > bei den Nikolsdorfern anders ist, dann offenbar wegen der
> > Fluktuation der Bevölkerung und dem Desinteresse an der Geschichte.
> > 
> > So ein Desinteresse nehme ich auch als Höhlenforscher wahr, wenn
> > ich Leute wegen einer Höhle auf ihrem Grundstück kontaktiere und
> > sie mich abweisen mit dem Hinweis, dass sie nichts davon wissen
> > wollen.
> > 
> > Wenn wir uns nach solchen Leuten richten, müssen wir sehr viel aus
> > OSM rauslöschen...
> 
> Ich bin wie gesagt mittlerweile durchaus dafür, historische Entitäten
> (Gebäude, Siedlungen, Staatsgrenzen, usw. usf.) in die Datenbank
> aufzunehmen; aber eben als solche.

Ich muss mir an dieser Stelle leider wiedermal selbst widersprechen –
diesmal aber hab ich meine Meinung nicht geändert, sondern einfach
festgestellt, dass die Richtlinie, dass historische Dinge nicht in die
Hauptdatenbank aufgenommen werden sollen, offenichtlich ein geltender
Grundkonsens des Projekts ist.

Ich zitiere https://www.openstreetmap.org/welcome

"OpenStreetMap ist eine Datenbank, in der man alles erfassen kann, was
derzeit real existiert. - Dies beinhaltet sowohl Straßen, Gebäude und
Plätze mit ihren Eigenschaften, als auch z.B. Geschäfte, Briefkästen
oder Hydranten. Eigentlich eben alles, was man so dauerhaft in der
Umgebung finden kann und einen interessiert.

Was nicht in die Datenbank gehört sind subjektive Daten wie
Bewertungen, nicht mehr aktuelle historische Fakten oder nicht real
existierende Dinge. Ausserdem ist es wichtig, nichts von anderen
Quellen (auch nicht aus Papierkarten) zu kopieren, da OpenStreetMap das
Urheberrecht sehr ernst nimmt."

Das sind sehr wenige Zeilen, in denen definiert ist, was erwünscht ist
und was nicht, "was derzeit real existiert" ist kursiv gesetzt.

Meinen Vorschlag, die ehemaligen Vorstädte als historische Dinge
einzutragen, ziehe ich also zurück – obwohl mir das wirklich am
liebsten wäre. Das ist eine Diskussion, die aber wo anders (wohl auf
der Liste talk) geführt werden muss.

LG,
Stefan.


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