OpenOffice.org war schon immer ein außergewöhnliches Projekt. Es begann damit, dass SUN das Experiment einging und den Code von StarOffice unter eine Freie Lizenz stellte und sogleich auch Community-Building betrieb. Im Laufe der Zeit wuchs die Community und nahm immer mehr Aufgaben wahr (z.B. die deutsche Übersetzung) und erhielt Entscheidungsmöglichkeiten (z.B. die Freigabe der deutschen Versionen). Zugleich versuchte SUN andere Unternehmen und auch nichtunternehmensgebundene Entwickler mit einzubeziehen. Insoweit war die "Company-Community-Partnership" eigentlich auf dem richtigen Weg, auch wenn - wie überall im Leben - vieles verbesserungswürdig blieb.
Das Problem war nur: Der Hauptsponsor, nämlich SUN, machte keine oder nur unzureichende Gewinne und galt daher schon seit längerer Zeit als Übernahmekandidat. Dies war ein Damoklesschwert, das schon seit langem über dem Projekt schwebte. Diese Gefahr war nicht nur für die Community, sondern vor allem auch für das "Ökosystem" rund um OpenOffice.org unangenehm. Allein: Der Einsatz des Hauptsponsors (ca. 100 hauptberufliche Mitarbeiter) war nur sehr schwer zu ersetzen. Jeder kann sich ja zumindest mit hinreichender Genauigkeit ausrechnen, welcher Jahresetat da zu stemmen ist. SUN wurde von Oracle übernommen. Oracle hatte den Vorteil, dass es wusste, wie man Gewinn macht. Das Unternehmen hatte aber den Nachteil, dass es keine Erfahrung mit einer "Company-Community-Partnership" hatte. Dann gingen dort entscheidende Laute (von SUN gekommen) weg. Auch dies ist relativ normal, ebenso wie der Umstand, dass es Zeit braucht, bis sich die Verhältnisse wieder "einrenken". Nur leider renkten sie sich nicht ein. Vielmehr wurde die Kommunikation immer schlechter, bei anderen Projekten geschahen üble Dinge und am Ende verlor Oracle wohl die Lust an OpenOffice.org und stellte die Community vor vollendete Tatsachen, als sie die Rechte etc. an Apache übergab. Das Problem mit Apache ist nun, dass diese Community mit einer Software wie OpenOffice.org keine Erfahrung hat. Die Apacheprojekte sind "durch die Bank" Software von IT-Profis für IT-Profis. Dies hat auch die Kultur bei Apache beeinflusst, bei der die beitragenden Entwickler im Vordergrund stehen. Ein so großes Projekt, von Codeumfang her, hatte Apache bislang auch noch nicht zu stemmen. OpenOffice.org kann als Software für den Enduser nur bestehen, wenn es nicht nur fortentwickelt wird, sondern auch noch viele andere Aufgaben, vom Schreiben der (Enduser-)Dokumentation, über QA bis hin zum User-Support und zum Marketing wahrgenommen werden. Die muss für jede Sprache einzeln, wenn auch mit der Möglichkeit des Erfahrungsaustausches und der Zusammenarbeit, geschehen. OpenOffice.org ist also viel mehr in seinen Sprachcommunities verankert und auf diese zum Erfolg angewiesen, als jedes andere Apache-Projekt. Es ist nur schwierig, dies den Apachen klarzumachen, die immer wieder auf ihren "Apacheweg" verweisen. Hinzu kommt noch, dass der Fork wohl zu einem Aderlass bei allen größeren Sprachcommunities geführt hat, was uns auch nicht gerade stark auftreten lässt. Hinzu kommt noch das "Ökosysten" bzw. Biotop von Unternehmungen rund um Openoffice.org, die mit der Migration, den Support und dem Schreiben von Extensionen und anderem ihr Geld zu verdienen versuchen. Diese einzubeziehen, war schon zu SUns Zeiten schwierig, aber es gab über den Verein und dessen Kongress, aber auch mit der internationalen Konferenz und dem Cebit-Gemeinschaftsstand insoweit recht gute Ansätze. Auch insoweit wird es schwierig bis unmöglich werden, diese Unternehmen für den "Apacheweg" zu begeistern. Es gibt IMO z.Zt. zwei Möglichkeiten, die auch schon diskutiert worden sind: Entweder Apache integriert die OpenOffice.org-Community, was bedeuten würde, dass Aache das OpenOffice.org-Projekt in vielen Fällen eigene Wege gehen lässt, die vom herkömmlichen Apachenpfad abweichen. Diesen Weg würde ich bevorzugen. Oder die Community überlässt Apache die Entwicklung (wie früher SUN und anderen), beteiligt sich natürlich nach Kräften daran, nimmt aber die übrigen Aufgaben autonom wahr. Auch hierzu muss sich in der Community einiges ändern und viel (Wieder-)Aufbauarbeit geleistet werden, vor allem aber muss Apache diese Autonomie respektieren und, was z.B. den Gebrauch von Marken etc. angeht, ermöglichen. Noch gar nicht angesprochen ist hierbei die Zusammenarbeit mit Libreoffice bzw. der TDF und vor allem mit IBM. Also: es gibt vieles zu gestalten und aufzubauen, aber mit unserer besonderen, historisch gewachsenen Erfahrung können wir es schaffen. Und meine Erfahrung lehrt außerdem: OpenOffice.org hat viel mehr Freunde und potentielle Unterstützer, als wir ahnen. Über die Notwendigkeit einer für professionelle Zwecke tauglichen Freien Office-Suite besteht beispielsweise in der Freien-Software-Community ein sehr breiter Konsens. OpenOffice.org hat insoweit einen recht guten Ruf. Und nicht alle halten LibreOffice für den besten oder gar einzigen Weg zur Erreichung dieses Zieles. Und dann gibt es noch die langjährigen StarOffice bzw. OpenOffice.org-Nutzer, die nun etwas "zurückgeben" möchten. Es sind aber wir, die den Aufbruch schaffen müssen. Auf uns kommt es an. Gruß Michael -- ----------------------------------------------------------------- To unsubscribe send email to dev-unsubscr...@de.openoffice.org For additional commands send email to sy...@de.openoffice.org with Subject: help