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Kiffen, vögeln, Schwarzarbeit - für mehr Effizienz und Klimaschutz

Ab September werden auch in Deutschland illegale Geschäfte zum
Bruttoinlandsprodukt gezählt - ein Fest für die Klimastatistiker

Matthias Brake 15.08.2014

Am 1.9. ist es endlich so weit. Wir dürfen kiffen und vögeln und so die
Effizienz in Deutschland erhöhen. Allerdings müssen die Drogen illegal
erworben worden sein und auch Sex zählt nur extra, wenn mit professionellen
DienstleistungsanbieterInnen. Damit steigt neuerdings die
Energieproduktivität [1], die das Verhältnis vom Bruttoinlandsprodukt zu
Primärenergieverbrauch ist. Denn auch illegale Aktivitäten werden jetzt
geldlich bewertet und dem BIP zugeschlagen.

Nächsten Monat tritt damit ein Rechentrick in Kraft, der eigentlich nur die
Schuldenquote der EU-Mitgliedsstaaten senken sollte: gleich viele Schulden
bei höherem BIP bedeutet höhere Kreditwürdigkeit, so das Kalkül. Zur
Wirtschaftsleistung werden deshalb nach dem "Europäischen System der
volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung" (ESVG) [2] jetzt auch der angenommene
Umsatz bei Drogen, Sex-Dienstleistungen und Schwarzarbeit gezählt. Das soll
vor allem vielen verschuldeten Ländern mit einer großen Schattenwirtschaft
helfen. Also Ländern, in denen die Bürger aus Tradition oder auch Schutz vor
den lokalen Bürokratien ihr selbst verdientes Geld lieber unter dem
Kopfkissen horten oder selbst ausgeben, anstatt es zu versteuern.

Bisher wurden innerhalb der EU Versuche, das BIP durch das Dazurechnen einer
Schattenwirtschaft zu vergrößern, noch beschränkt. So durfte Griechenland
2006 sein BIP nur 9,6 Prozent höher ansetzen anstatt der gewünschten 25
Prozent, was aber wohl eher den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen
im Land entsprochen hätte. Laut einem FAZ-Bericht [3] kritisiert die
deutsche Statistikbehörde an der neuen EU-Regelung vor allem, dass jetzt
auch Waffengeschäfte miteingerechnet werden. Diese seien doch zerstörerisch
und könnten so nicht der Kapitalbildung dienen. Aber so funktioniert das
Wirtschaftswachstum nun mal: ein Haus abzufackeln und es dann wieder
aufzubauen schafft vom Rettungseinsatz über die Aufräumarbeiten, Planung und
Neubau mehr Investitionen und damit BIP als der Erhalt von Hab und Gut - so
zynisch war das Berechnungsmodell für Wirtschaftskraft auch jetzt schon. 

Neu in der Statistik ist unter anderem, dass Sex-Dienstleistungen nun
erstmals in allen Ländern der EU als Wirtschaftszweig positiv für das
Bruttoinlandsprodukt angerechnet werden. Allein in Deutschland wandern so
für 2013 rechnerisch 400.000 Prostituierte (davon 5 Prozent Männer) mit
ihren 14,6 Mrd. Euro Umsatz ins BIP. Um auch den Drogenkonsum zu erfassen,
wurden Nutzerbefragungen durchgeführt und mit den entsprechenden
Marktpreisen ein einstelliger Milliardenbetrag errechnet, hinzu kommen noch
rund 3 Mrd. Euro für unversteuerte Zigaretten. 

Für die Klimaschutz- und Effizienzziele bedeutet das nun, dass durch das per
Schattenwirtschaft aufgeblasene BIP die gesamtwirtschaftliche
Energieeffizienz [4] steigt, weil nun mit dem vorhandenen Energieverbrauch
rechnerisch ein höhere Energieproduktivität erzielt wird. Gleiches gilt für
die Emissionen, die pro Kopf zwar gleich bleiben, aber pro "Wertschöpfung"
jetzt niedriger ausfallen.

Und das kommt nicht nur südeuropäischen Ländern zugute, sondern auch
Deutschland, das von Brüssel gerade gerügt [5] worden ist, weil es erst ein
Drittel seiner Verpflichtungen zur Reduktion des Energieverbrauchs (bis 2020
um 20 Prozent) erreicht hat. Ähnlich geht es übrigens 21 von 28 EU-Staaten.
Wie gut, dass man jetzt kollektiv dem drohenden Spanking-Strafverfahren der
EU-Kommission entgehen kann, durch ein Umschalten auf die
gesamtwirtschaftliche Energieeffizienz auf Basis des neuen BIP.

Links:

[1] http://tinyurl.com/lbeoyv4
[2] http://www.destatis.de/DE/Methoden/VGRRevision/Revision2014_pdf.pdf
[3] http://www.faz.net/-gqg-7skqe
[4] http://tinyurl.com/k89vn78
[5] http://de.reuters.com/article/domesticNews/idDEKBN0GD1AQ20140813




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