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Der Spiegel - 14.12.2011

Protest gegen Unilever

Der Häuptling zittert

Die Deutschland-Zentrale von Unilever hat ungebetenen Besuch bekommen: Vor dem 
Gebäude des Konzerns campieren indonesische Ureinwohner. Sie protestieren gegen 
ihre Vertreibung durch den Palmöllieferanten des Lebensmittel-Multis

Von Nils Klawitter

Hamburg - Clanchef Bidin ist es definitiv zu kalt in Hamburg. Ausgezehrt steht 
er am Mittwoch mit seiner Frau Ida und ihrem zweijährigen Sohn vor der 
Unilever-Zentrale der Hansestadt. Mit ihnen zittert das Plakat, das sie in den 
Händen halten: "Rama - Landraub zum Frühstück" steht da drauf. Auf einem 
anderen ist zu lesen: "Unilever's Palmöl zerstört Regenwald."

Bidins Heimat war der Wald, der indonesische Urwald auf der Insel Sumatra. "Ich 
bin im Wald geboren und wir leben dort seit der Zeit der Ahnen", sagt der 
Häuptling aus dem Dorf Sungai Buayan in der Region Jambi. "Weichen werden wir 
niemals."

Das allerdings wird schwer. Anfang August hat die berüchtigte Polizeibrigade 
Brimob die Häuser des Dorfs niedergewalzt und Ureinwohner gefangen genommen. Im 
Auftrag von Wilmar, einem der größten Palmölproduzenten der Welt. Der Bewohner 
eines anderen Dorfs hatte zuvor versucht, Palmölfrüchte, die Wilmar für sich 
beansprucht, zu verkaufen.

Wichtigster Rohstoff der Welt

Mit Hilfe der NGO Rettet den Regenwald und Robin Wood ist es Bidin und einem 
halben Dutzend Indonesiern gelungen, ihren Protest nach Europa zu tragen. Nicht 
umsonst haben sie dafür Unilever ins Visier genommen: Mit rund 1,3 Millionen 
Tonnen pro Jahr ist der niederländisch-britische Konzern einer der größten 
Palmölverbraucher weltweit. Der Schmierstoff in den Früchten der Ölpalme gilt 
inzwischen als einer der wichtigsten Rohstoffe der Welt. Er steckt in Biodiesel 
genauso wie in Nutella, Margarine, Shampoos und Hautcremes.

Zwar schmückt sich Unilever mit Öko-Auszeichnungen und dem Versprechen, für 
nachhaltiges Palmöl zu sorgen. Doch die indonesische Wirklichkeit sieht anders 
aus: In jeder Stunde fällt auf Sumatra Holz auf einer 88 Fußballfeldern 
entsprechenden Fläche - meist für Palmölplantagen. Der hohe Pestizideinsatz auf 
den Monokulturen verseucht Flüsse und das Grundwasser. Genehmigungen für 
Plantagen gibt es offenbar wie geschmiert: Von den 40.000 Hektar der 
Wilmar-Plantage Asiatic Persada, wo Bidins Leute vertrieben wurden, seien 
20.000 Hektar illegal errichtet, berichten indonesische Zeitungen.

"Werk von Kriminellen"

Wilmar war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. In einem internen 
Schreiben an seine Kunden tut der Konzern die Auseinandersetzung allerdings als 
"Werk von Kriminellen" ab. Weiter unten in dem Schreiben gibt Wilmar dann 
jedoch zu, dass das Landrecht der Indigenen beeinträchtigt wurde - das 
Unternehmen aber für Kompensation sorge. Wo genau bei dieser Auseinandersetzung 
die Wahrheit liege sei "schwer zu sagen", windet sich Unilever-Sprecher Merlin 
Koene. Die Angelegenheit sei "sehr komplex".

Deutlicher wurde Koene in einer internen E-Mail an die Unilever-Mitarbeiter: 
"Die uns vorliegenden Untersuchungen", heißt es in der E-Mail, "zeigen, dass es 
in Jambi, Indonesien, in der Tat zu unrechtmäßigen Handlungen eines unserer 
Lieferanten gekommen ist." Gemeint ist Wilmar.

Inzwischen aber - und offenbar auch erst nach Aufforderung von Unilever - hat 
Wilmar immerhin ein Hüttencamp für die Menschen errichtet, die das Unternehmen 
vorher obdachlos gemacht hatte. Vor die Unilever-Zentrale in Hamburg ist nun 
auch Merlin Koene gekommen. Er bietet dem frierenden Bidin sein Jackett an, 
doch der lehnt ab. Er würde den Demonstranten sogar die Duschen im Haus zur 
Verfügung stellen, sagt Koene. Nur wenn etwas kaputtginge, würde man ihnen die 
Rechnung schicken.

Die Rechnung schicken - das hätten Bidin und seine Frau eigentlich auch gern 
gewollt. Eine Entschädigung für ihr zerstörtes Haus haben sie nämlich bis heute 
nicht bekommen.


Mehr auf SPIEGEL ONLINE:

Ende der materiellen Wirtschaft: Angriff der Körperfresser (05.04.2010)
http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/0,1518,686648,00.html

Schwarm-Kommunikation: Öko-Revolution per Internet (26.03.2009)
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,615524,00.html


Mehr im Internet

Worldwatch Institute: State of the World 2010 (eng.)
http://blogs.worldwatch.org/transformingcultures/contents/?b0b728e8

Studie: The energy and climate impact of different music delivery methods (eng.)
http://download.intel.com/pressroom/pdf/CDsvsdownloadsrelease.pdf

Videopräsentation von Saul Griffith: Climate Chance Recalculated (eng.)
http://fora.tv/2009/01/16/Saul_Griffith_Climate_Change_Recalculated#fullprogram

One did it
http://www.onedidit.com/

Goodguide
http://www.goodguide.com




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