Hallo Klaus und andere,
die Ultimate ohne Sanktionen beschwören. Vielen Dank für die Diskussion, die
Ihr angeregt und zum Teil argumentativ geführt habt!
Klaus, ich persönlich finde diese Überlagerung der Sachebene nicht so schön,
aber das gäbe bei mir allenfalls einen Punkt Abzug in der Note "Positive
Einstellung und Selbstbeherrschung". Die höfliche Ankündigung, unhöflich zu
werden, macht das in meinen Augen nicht höflicher.
Als Miturheber des fraglichen Leitfadens hoffe ich mit dieser ausführlichen
Antwort zur Klarstellung beizutragen. Ich möchte gar nicht davon sprechen, wie
die Zeiten sich doch verändert haben. Vielmehr bitte ich zunächst und vor
allem, eine Unterscheidung zu bedenken:
Sanktionen sind im Sport Ultimate nach wie vor nicht vorgesehen, jedenfalls
"keine drastischen Strafen, sondern nur Vorschriften, die versuchen, die
Spielsituation so wiederherzustellen, wie sie ohne die Regelverletzung gewesen
wäre" (§ 1.2). Das gilt unbestritten für den sportlichen Bereich.
Der DFV tritt mit der Ultimate-Abteilung hingegen als oberste Instanz der
Rahmenbedingungen zur Durchführung Deutscher Meisterschaften im Ultimate auf.
Dazu hat die Ultimate-Abteilung, die sich erst vor gut einem Jahr offiziell
gegründet hat, bereits zahlreiche Richtlinien aufgestellt, über derer jede
einzelne wir streiten könnten:
Rahmenbedingungen sind z.B.
- Alle Teilnehmer an Deutschen Meisterschaften müssen Vereinsmitglieder und
darüber DFV-Mitglieder sein (sie müssen auch aufgrund rechtlicher Vorgaben an
einen Sportverband versichert sein). Ist das für irgend jemanden schon eine
Sanktion?
- Alle teilnehmenden Teams müssen vor Antritt des ersten Saisonturniers ihre
Saisongebühr bezahlt haben, es wurde eine Fahrtkosten-Umverteilung beschlossen.
etc.pp.
- Den Spielmodus und die Spielpläne erstellt ebenfalls die DFV-UA, legt fest
(gemäß internationalen Vorgaben), wie lange die Spiele maximal dauern, wie
lange Halbzeit, Time-Outs dauern u.s.w.
Das Ausfüllen des SotG-Bogens ist eine weitere Rahmenbedingung als etwas
Außersportliches (nicht Teil der sportlichen Ausübung selber), das gemäß
unserer Überzeugung zur Durchführung Deutscher Meisterschaften im Ultimate fest
dazu gehört.
Wie groß wird die Diskussion werden, wenn es vielleicht in fünf oder zehn
Jahren darum geht, eine Regel-Akkreditierung ablegen zu müssen, um an Deutschen
Meisterschaften teilnehmen zu dürfen? Wer es dann unterließe, wäre "als
Sanktion" nicht zugelassen. Wer das international nicht tut, kann bereits heute
nicht mehr in einer Nationalmannschaft spielen. Daran ist einmal der DFV nicht
schuld, aber wir sind mehrheitlich davon überzeugt, dass das eine sinnvolle
Kontrolle ist - ähnlich einer "Platzreife", die im Ball-Golf verlangt wird.
Bei der zaghaften Aufnahme einer Sanktion handelt es sich insofern keineswegs
um "willkürliche Forderungen". Wir diskutieren viel und miteinander. Robse hat
als Komitteeleiter bereits Stelung dazu bezogen. Vermutlich müssen wir, was wir
dauernd tun und dauernd nicht genug tun, noch mehr kommunizieren.
Wahrscheinlich sollten wir uns auch schon jetzt mit diesen Dingen beschäftigen:
- wenn sich in einigen Jahren bei möglichen Dopingproben jemand erwischen
ließe, wäre er gemäß den von der NADA vorgegebenen Fristen zu sperren
- wenn Spieler nachweislich sportlich betrügen (kennst du das eine
Highlight-Reel mit den schwarz-weiß Szenen, u.a. mit einem gezählten Punkt nach
einer Scheibe, die down war?).
- wenn z.B. Nationalspieler oder auch Spieler auf Deutschen Meisterschaften
nachweislich stehlen, betrügen, ausfallend werden und Personen in welcher Weise
auch immer verunglimpfen (deswegen haben andere europäische Verbände bereits
ganz andere Sanktionen aussprechen müssen!)
Die Frage, ob der "Spirit of the Game" (Überschrift) nun die erste Regel des
(in der Tat umfangreichen) Ultimate-Regelwerks "ist", oder ob die Regel nur so
heißt, empfinde ich als etwas spitzfindig. Fast ebenso spitzfindig sei die
Bemerkung erlaubt, dass nach meiner Auffassung die Regelkenntnis ein Teil des
Spirit of the Game ist, wie umgekehrt auch der SotG einen (wichtigen) Teil der
Regelkenntnis darstellt.
Zum Thema zirkulärer Argumentationen im Ultimate empfehle ich Dir Kenny Dobyns'
Keynote Address von der Ultimate Coaches and Players Conference 2013 in Boston:
http://www.youtube.com/watch?v=Sw_C0QDkh1w
Der DFV hält sich gemäß internationalen Gepflogenheiten an die WFDF-Regeln in
ihrer Version von 2013. Ich zitiere zwei Stellen aus dem Paragraf 1, um die
Position des "Spirit of the Game- und Regelkomitees innerhalb der
Ultimate-Abteilung des DFV" zu verdeutlichen:
"§ 1.7: Die Mannschaften sind die Bewahrer des Spirit of the Game und müssen
daher:
1.7.1. Verantwortung übernehmen, um den eigenen Spielern die Regeln und den
Spirit zu vermitteln;
1.7.2. Spieler disziplinieren, die einen schlechten Spirit an den Tag legen; und
1.7.3. anderen Mannschaften konstruktive Ratschläge geben, wie diese ihrerseits
ihr Verhalten verbessern können."
Die Ultimate-Abteilung des DFV ist eine Mannschaft, die die Rahmenbedingungen
zur Durchführung Deutscher Meisterschaften festlegt:
- das SotG- und Regelkomitee bewahrt den Spirit of the Game nach seinem
Verständnis
- damit übernimmt es Verantwortung, nach seinem Verständnis den eigenen
(DFV-)Spielern die Regeln und den Spirit zu vermitteln
- und auch die Verantwortung, "Spieler zu disziplinieren, die einen schlechten
Spirit an den Tag legen", Hoppla, das steht da doch tatsächlich in den Regeln!
- letztlich sollte der Leitfaden auch so verstanden werden, dass die darin
genannten "Rechte und Pflichten" als "konstruktive Ratschläge" aufgefasst
werden, wie andere Mannschaften ihr Verhalten verbessern können...
Daneben werden ganz klar immer wieder neue Regeln aufgestellt! Und ja klar, wer
sonst außer den offiziellen Verbänden dürfte das? Oder gab es früher schon
Spirit Direktoren auf nationalen und internationalen Meisterschaften? Gab es
die Verpflichtung von Nationalspielern, die Rules Accreditation zu absolvieren?
Seit wann überhaupt gibt es den Spirit-Bewertungsbogen? Jedenfalls wird auch
dieser seine Gestalt absehbar weiter verändern. Ich finde dieses Instrument
bestechend gut!
Klaus, ich kann Dir auch - aus meiner bescheidenen Sicht - sagen, warum es
dieses Instrument gibt: Es dient der Verbesserung des eigenen Verhaltens.
Dieses Verhalten ist maßgeblich mit Teil des Spirit of the Game. Die
Team-Rückmeldungen zu dem Verhalten deines Teams können dir zu denken geben. Du
kannst dir natürlich auch alles den Buckel herunter rutschen lassen.
Aufgrund der klaren Vorgaben, wie der SotG-Bogen auf Spiele anzuwenden ist,
sollen gerade auch die interkulturellen Unterschiede mit berücksichtigt werden.
Wenn Du nun zum "Widerstand" aufrufst, würde ich mich um so mehr freuen, Dich
oder andere in der kontroversen Gremienarbeit zu begrüßen. Voraussetzung: Eine
Verständigung sollte möglich sein.
Mit sportlichen Grüßen
Jörg Benner
Mitglied im SotG- und Regelkomitee der DFV-UA
Geschäftsführer Deutscher Frisbeesport-Verband e.V.
P.S. zugegeben, das Wort der "geeichten" Skala ist übertrieben. Wir werden es
in der nächsten Version weglassen.
P.P.S. In der Tat kursiert derzeit ein Papier mit dem Arbeitstitel "DFV
Fairplay-Bekenntnis". Es soll im Wesentlichen auf Passagen der Ultimate-Regel §
1.1 bis 1.4 basieren. vgl. dazu auch
http://www.fairplayinternational.org/cifp/fair-play-charter#.UqWWeye0ZV9
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