On 10.11.2018 11:03, Stefan Nagy wrote:
Ich abonniere mehrere Mailinglisten und Newsletter. Über den Eingang
dieser E-Mails möchte ich nicht, über den jener, die direkt an mich
adressiert sind, möchte ich aber sehr wohl benachrichtigt werden (am
Handy und am PC). Ich denke, Filter sind die einfachste Option, das zu
erreichen, oder?
...
Und noch was: Wenn man davon ausgeht, dass Abonnenten von Mailinglisten
die E-Mails in ihren Posteingang bekommen, dann ist die Barriere, auf
den Listen zu posten, um vieles höher. Mein E-Mail, das ich gerade
verfasse, steht dann zwischen einem von deiner Frau und einem von
deiner Hausverwaltung…? Bei dieser Art der Nutzung wundert es mich
überhaupt nicht, dass du an die Decke gehst.
Wenn man von einer solchen Nutzung ausgeht, wäre es schlicht absurd,
eine Mailingliste zu betreiben.
...
Wenn ich dieses E-Mail verfasse, gehe ich einfach weiterhin davon aus,
dass Abonnenten der Liste E-Mail-Filter verwenden; sonst würde ich es
sicher nicht abschicken. Sollte deine Art der Nutzung unter den
Abonnenten dieser Liste allgemein üblich oder auch nur weit verbreitet
sein, dann sollten wir das mit der Mailingliste meins Erachtens
wirklich sein lassen.
Du hast mal geschrieben, dass du Historiker bist. Bei den Gedanken, die du
dir da machst, musst du genauso auch die historischen Hintergründe
berücksichtigen.
Im Wesentlichen gibt es im Internet 3 verschiedene Arten von
Diskussionsforen: Webforen, Mailinglisten und Newsgroups (Usenet). Man muss
nun auseinanderhalten, wie und mit welchem Zweck sie entstanden sind, wie
sie heute genutzt werden, wie und mit welchem Zweck sie für OSM eingesetzt
wurden und wie sie heute für OSM genutzt werden. Außerdem wie sich die
Technik über die vielen Jahre hinweg verändert hat. Aus dem allen ergibt
sich, in welcher Form die Nutzung heute noch zweckmäßig ist.
Webforen kamen erst etwa um die Jahrtausendwende in Mode, denn die zu Grunde
liegende Technologie wurde erst in den 90er-Jahren entwickelt. E-Mail und
das Usenet gibt es schon Jahrzehnte länger. Das Usenet war ursprünglich
nicht mal Teil des Internet. Es lief damals noch nicht alles übers Internet,
sondern es gab konkurrierende Systeme wie z.B. Compuserve oder das Bitnet.
Das Usenet ist ein wenig in Vergessenheit geraten, war aber bis vor etwa 10
Jahren der Ort, wo fast alle Diskussionen stattfanden. Als Marketingleute
den Begriff "Web 2.0" prägten, verschweigen sie, dass dessen Eigenschaften
schon seit Jahrzehnten im Usenet vorhanden waren.
Die Diskussionsforen im Usenet heißen Newsgroups, was auch wieder
historische Ursachen hat. Die Beiträge werden im Gegensatz zu Mailinglisten
den Abonnenten nicht aktiv zugestellt, sondern vom Server bei Bedarf
abgeholt. Weil man nicht gleich den ganzen Beitrag herunterladen muss,
sondern erst mal nur die Headers herunterladen kann, ist eine Filterung viel
ressourcenschonender als in Mailinglisten möglich. Das war damals, als die
Übertragung sehr langsam und teuer war, ein großer Vorteil, und ist es
jetzt, wo bei Handy-Wertkartentarifen per MB abgerechnet wird, eigentlich
wieder.
Weil die Software (sog. Newsreader) die Gruppen in der selben Hierarchie
anzeigt, wie sie am Server strukturiert sind, ist es im Ggs. zu
Mailinglisten nicht nötig, extra Ordner und Filter anzulegen.
Das Usenet wurde mehr oder weniger von Webforen abgelöst, weil diese mehrere
Vorteile bieten:
- Sie sind für Otto-Normaluser leichter handzuhaben.
- Sie bieten die Einbildung von Bildern und weitere visuelle
Gestaltungsmöglichkeiten.
- Man muss in einem Webforum die eigene Mailadresse nicht öffentlich machen,
während im Usenet die Mailadressen unverzüglich in den Listen der Spammer
landet.
- Webforen ermöglichen Moderation, was im Usenet nur sehr rudimentär möglich
ist.
- Im Usenet kann jeder ohne Anmeldung schreiben, also auch jeder seinen Spam
absetzen. In Webforen wird das durch die Registrierung erheblich erschwert.
- Ein Webforum liegt auf einem einzelnen Webserver, während das Usenet aus
tausenden Servern besteht, die untereinander auf komplizierte und
kostspielige Weise die Beiträge austauschen. (Es gibt aber auch "private"
Newsgroups, die nur auf einem einzelnen Server liegen und in dieser Hinsicht
wie Webforen sind).
Zu Mailinglisten muss ich erst mal ausholen:
1) Man kann ein Mail an einen einzelnen Empfänger senden.
2) Man kann ein Mail an mehrere Empfänger senden, indem man an jeden
Empfänger ein extra Mail sendet. Weniger Arbeit ist es, mehrere Empfänger in
die Headers (To, Cc, Bcc) einzutragen und die Mailserver den Versand an
mehrere Empfänger machen zu lassen. Diese Funktionalität war eine frühe
Weiterentwicklung.
3) Wenn man sich nicht jedes Mal die Arbeit machen will, alle Empfänger im
Header einzeln anzugeben, legt man eine Verteiler-Mailadresse an. Ein Mail
an diese Mailadresse wird dann automatisch an alle im Verteiler
eingetragenen Empfänger weitergesendet.
4) Mailinglisten sind nur nochmals eine Weiterentwicklung: Statt einer fixen
Liste im Verteiler gibt es eine variable Liste, zu der man sich an- und
abmelden kann. Außerdem gibt es ein paar Zusatzfeatures wie z.B. Moderation.
Mailinglisten sind also nur eine Weiterentwicklung von Mails an mehrere
Empfänger und waren nie für verschachtelte Diskussionen zwischen vielen
Teilnehmern konzipiert. Dafür war das Usenet immer schon besser geeignet.
Mailinglisten haben nur einen großen Vorteil: Sie lassen sich mit
vergleichsweise geringem Aufwand einrichten.
Das wird auch der Grund gewesen sein, warum man sich in den Anfangszeiten
von OSM für Mailinglisten entschieden hat. Heute sind die Mailinglisten ein
gewisser Anachronismus, wie auch der Zuspruch zu den später geschaffenen
OSM-Webforen zeigt. Aber die Mailinglisten sind halt aus Tradition bis heute
erhalten geblieben.
Man muss auch sagen, dass in Webforen die Moderation noch wichtiger ist als
in Mailinglisten. Grundsätzlich ist ein untätiger Moderator in beiden Medien
weniger verheerend als ein falsch tätiger. Aber in Webforen ist auch eine
Untätigkeit schlimm genug, wie der Spam in users:Austria zeigt.
Clientseitige Filter, wie sie für Talk-AT empfohlen wurden, lassen sich in
dem Webforum nämlich nicht einrichten. Außerdem bieten Webforen mehr
Moderationsmöglichkeiten (z.B. Offtopic-Threads in ein anderes Forum
verschieben), und die sollten entsprechend genutzt werden. Ein Ferrari
bleibt langsam wie ein Moped, solang man die Gangschaltung unbenutzt lässt.
Wichtig ist mir noch, auf den Unterschied zwischen Diskussionsforen und
Newsletters hinzuweisen. Ersteres ist eine n:n-Kommunikation, letzteres eine
unidirektionale 1:n-Kommunikation (Broadcast). Die Wochennotiz-Mails sind
hier allein schon deshalb fehl am Platz, weil sie keine Diskussionsbeiträge,
sondern ein Newsletter sind. Man sendet keinen Newsletter in ein
Diskussionsforum.
Das Analogon zu Newletters sind im Usenet die announce-Newsgroups, und im
Web sind es die normalen Nachrichten-Webseiten, Blogs usw.
Um nun konkret deine Fragen zu beantworten:
Filter als einfachste Option: Nicht die einfachste, sondern die einzige
Option. Funktioniert aber nur mit Einschränkungen (siehe meine anderen
Beiträge).
Mail von Talk-AT zwischen Frau und Hausverwaltung: Ja, ist bei mir so. Für
manche Mailinglisten hab ich einen Filter eingerichtet, der sie automatisch
in einen Ordner verschiebt. In Talk-AT war der Traffic bisher so gering,
dass ich die Mails im Normalfall gleich lesen kann, darum hab ich dafür
keinen Filter angelegt und verschiebe sie nach dem Lesen manuell in einen
Ordner. Und in Webmail kann ich sowieso nicht filtern, und ein Verschieben
in andere Ordner hätte dort keinen Sinn, weil ich nur am Desktop-PC die
alten Mails in Ordnern sammle.
Die Mailingliste wirklich sein lassen: Im Prinzip eine gute Idee, aber
derzeit fehlt halt ein geeigneter Ersatz (Newsgroup oder kompetent
moderiertes Webforum).
--
Friedrich K. Volkmann http://www.volki.at/
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