Hi! Wie vor kurzem angekündigt möchte ich meine Erfahrungen mit LibreOffice bei einem Buchprojekt, an dem ich in den vergangenen Monaten gearbeitet habe, mit der Liste teilen. Ich hoffe, meine Erfahrungen helfen anderen und vielleicht bekomme ich ja auch Feedback mit Tipps, wie ich es besser hätte machen können... ;-)
Wie gesagt habe ich mit LibreOffice das Manuskript für ein Buch geschrieben. Es war ein geschichtswissenschaftliches Werk mit entsprechenden Anforderungen an die Struktur und den Aufbau des Textes. Ich habe abwechselnd an 2 Arbeitsplätzen gearbeitet: 1) Im Büro: Desktop Rechner mit i7-4790K, 16GB RAM, drei 27" Bildschirme nebeneinander 2) Unterwegs: Notebook Thinkpad P71 mit i7-7700, 16GB RAM Auf beiden Rechnern war OpenSUSE LEAP 15.0 64 Bit mit LibreOffice 6.2.6.2 installiert Die Synchronisation des Arbeitsverzeichnisses mit allen Dateien zwischen den Rechnern erfolgte über meinen Nextcloud-Server. Dazu habe ich auf den beiden Arbeitsplätzen den Linux Nextcloud Treiber installiert. * Dokumenteninformation zum nun vorliegenden Manuskript in der Endfassung Das Manuskript umfasst: 444 Seiten 15 Tabellen 207 Bilder (Fotos und Scans/Digitalisate) 24.000 Absätze 167.000 Wörter 1,100.000 Zeichen 305 Einträge in Literaturdatenbank (Originalquellen, Handschriften, Dokumente, ...) 62 Einträge in manuell gepflegter Bibliographie (Fachliteratur) Etwa 1500 Fußnoten (geschätzt) Etwa 5000 Verweise in die Literaturdatenbank (Fundstellen in Quellen) Von den 444 Seiten sind 380 Seiten im A4 Hochformat, 64 Seiten (Tabellen im Anhang) im A4 Querformat 306 reine SW Seiten 138 Farbseiten (Seiten mit Bildern) Bearbeitungszeit: 736 Stunden Revisionen: 2172 Dateigröße: 58 MB (Laut LO Statistik) * Meine Erfahrungen LibreOffice hat für mich in der gesamten Projektzeit im Großen und Ganzen gut funktioniert. Ich konnte meine Ideen von Anfang an gut verwirklichen, niemals habe ich mich bei der Umsetzung meiner Ideen und Vorstellungen behindert gefühlt oder musste "gegen" LO arbeiten. Neben den üblichen Funktionen einer Textverarbeitung zur Erstellung von Texten habe ich folgende LO Features intensiv genutzt: - Absatz-, Zeichen- und Seitenformate - Suchen und Ersetzen - Tabulatoren - Querverweise - Fußnoten - Tabellen - Abbildungen und Beschriftungen - Unterschiedliche Seitenformate links/rechts - Rechtschreibprüfung und Wörterbuch - Literaturdatenbank - Mehrfenster-Betrieb (bis zu drei Fenster mit verschiedenen Ansichten des Manuskripts) Ich habe niemals Daten verloren und musste niemals auf ein Backup zurückgreifen (welches aber natürlich in Form einer täglichen LTO Bandsicherung vorhanden war!) Wesentlich dafür war aber die Autosave Funktion, die auf 10 Minuten eingestellt war. Die Performance von LO war über die gesamte Projektdauer sehr gut, auch als das Manuskript schließlich sehr umfangreich wurde. Ich habe die Bilder im Manuskript auf eine Auflösung von 300dpi reduziert, um Platz zu sparen. Insofern hat sich aus einer Sicht LibreOffice unter Linux als gute Wahl und als ein sehr gutes Werkzeug für dieses letzten Endes doch sehr umfangreiche Buchprojekt über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr herausgestellt. * Vermisste Features Einige Features habe ich bei der Arbeit vermisst: a Bequemere Trennung in Einzeldokumente pro Hauptkapitel / Globaldokument Ich habe zu Beginn versucht, das Projekt besser zu strukturieren und mit dem Feature "Globaldokument" zu arbeiten. Die Idee war, dadurch Probleme durch ein zu großes Einzeldokument zu vermeiden. Das hat sich aber als eher unbequem und nicht gut benutzbar herausgestellt. Durch die große Anzahl von Querverweisen, Fußnoten, Literaturverzeichnis-Einträgen ist der Umgang mit dem Globaldokument und den Einzeldateien schwierig und im gesamten Workflow eher hinderlich. Vielleicht liegt das auch an mangelnder Erfahrung meinerseits, aber ich habe den Versuch nach einigen Tagen aufgegeben und das gesamte Manuskript wieder in einer einzigen Datei gepflegt. b Mehr als eine Literaturdatenbank In meinem Manuskript benötige ich zwei getrennte Literaturverzeichnisse: eines für die Fachliteratur, auf die ich im Text referenziere. Das zweite ist ein Verzeichnis der "Primärquellen", d.h. von Original-Handschriften und Dokumenten aus Archiven, auf denen meine Arbeit ganz wesentlich beruht. Ich habe es nicht geschafft, LO zur Verwaltung von zwei derartigen Verzeichnissen zu bewegen, auf die ich im Text dann mittels Verzeichniseintrag nach Belieben referenzieren könnte. Ich habe daher das umfangreichere Verzeichnis (die Primärquellen mit 305 Einträgen) über die Literaturdatenbank verwaltet und das kleinere manuell. Es wäre schön, wenn LO mehr als eine Literaturdatenbank pro Dokument unterstützen würde. Falls das jetzt schon möglich ist, habe ich die Funktion nicht gefunden. c PDF Export von reinen SW Seiten als "Pure Black" LO ist nicht in der Lage, beim PDF Export Schwarz als "Pure Black" auszugeben. Im Endeffekt führt das dazu, dass beim Druck alle Seiten als Farbseiten gedruckt werden, selbst wenn die Seite nur Text in schwarzen Zeichen enthält. Das ist dann beim Druck ein erheblicher Kostenfaktor (in meinem Fall wären die Druckkosten um einen 4-stelligen Eurobetrag höher gewesen, wenn die SW-Seiten als Farbseiten gedruckt worden wären) Ich konnte das Problem schließlich durch ein bisschen Postscript Magie lösen (siehe meine Mail an die LO Mailingliste von vor ein paar Tagen). Alternativ hätte sich wohl jemand in der Druckerei mit passender Software des Problems annehmen können. Es wäre schön, wenn LO auf Wunsch direkt Pure Black Seiten ausgeben könnte (eventuell über eine Checkbox aktivierbar) * Fehler und Probleme Die folgenden Probleme habe ich im Laufe der Arbeit mit LO bemerkt. Mir scheint, dass die geschilderten Fehler mit zunehmender Dokumentengröße vermehrt auftreten und/oder erst bei entsprechender Dokumentengröße merkbar sind. Alle geschilderten Probleme treten nur sporadisch auf und sind nicht nach Belieben reproduzierbar. a Die Nummerierung der Fußnoten (Seitenweise) liefert nicht immer das gewünschte Ergebnis. Manchmal beginnt LibreOffice nach einer Verschiebung eines Seitenumbruchs auf einer neuen Seite automatisch nicht wie gewünscht mit der Fußnote Nr. 1, sondern mit einer Nummer, die der letzten Fußnote auf der vorangegangenen Seite nachfolgt. Auch ein nachfolgendes "Alles aktualisieren" hilft nicht, dieses Problem zu lösen. Man muss hier manuell eingreifen und z.B. die Fußnote löschen und wieder einfügen, damit LO wieder mit Fußnote Nr. 1 beginnt. Nach der nächsten Verschiebung eines Seitenumbruchs kann das Problem aber an beliebiger anderer Stelle erneut auftreten. Das ist recht mühsam, weil es nicht gleich auffällt, dass die Fußnoten falsch nummeriert sind und man das Dokument laufend akribisch prüfen muss, um solche Fehler zu finden. b Die Literaturverwaltung ist etwas instabil. Manchmal findet LibreOffice das (sehr wohl installierte) Java-Runtime-Environment nicht und stürzt ab, wenn man versucht, einen Verweis auf einen Eintrag in der Literaturdatenbank einzufügen. Vermutlich tritt das Problem vor allem nach einem Wechsel des Arbeitsplatzes (zwischen Notebook und Desktop-PC) auf. Man muss in diesem Fall die Java Runtime über Extras->Optionen->LibreOffice->Erweitert erneut explizit auswählen, um das Problem zu beheben. Glücklicherweise funktioniert die automatisch Dokumenten-Wiederherstellung danach exzellent, ich hatte keinen einzigen Textverlust in den vergangenen eineinhalb Jahren. c Das Abbildungsverzeichnis ist nicht sauber linksbündig ausgerichtet. Ich habe es bisher nicht geschafft, das zu korrigieren. d Manchmal lässt LibreOffice einzelne Bilder weg und zeigt statt dessen einen leeren Rahmen, diesen jedoch in richtiger Größe und mit der richtigen Beschriftung. Beim nächsten Reload der Datei sind die Bilder aber wieder da. Man muss aber beim PDF Export aufpassen, weil LibreOffice in so einem Fall einfach einen leeren Rahmen exportiert. Da das nicht immer auftritt und immer nur wenige Bilder betrifft (scheinbar zufällig), muss man nach dem Export die PDF Datei genau kontrollieren, ob auch alle Bilder korrekt exportiert wurden. e Die Seitenumbrüche sind direkt nach dem Laden manchmal nicht korrekt. Das Problem betrifft nur manuell in einem Absatzformat definierte Seitenumbrüche mit der Seitenvorlage "Rechte Seite". Diese Absatzformate kommen in meinem Manuskript bei manchen Kapitelüberschriften vor. Direkt nach dem Laden des Dokuments ignoriert LO die Vorgabe "Seitenlayout: Nur Rechts" manchmal. Betroffene Seiten sind dann plötzlich linke Seiten, obwohl regulär links eine Leerseite sein sollte. Nach einem "Alles aktualisieren" werden die Seitenumbrüche aber zuverlässig korrigiert. Ich hoffe, mein Erfahrungsbericht hilft anderen Anwendern. Über Feedback zu den festgestellten Problemen wäre ich dankbar. LG - andreas -- Andreas Haumer | mailto:andr...@xss.co.at *x Software + Systeme | http://www.xss.co.at/ Karmarschgasse 51/2/20 | Tel: +43-1-6060114-0 A-1100 Vienna, Austria | Fax: +43-1-6060114-71 -- Liste abmelden mit E-Mail an: users+unsubscr...@de.libreoffice.org Probleme? https://de.libreoffice.org/hilfe-kontakt/mailing-listen/abmeldung-liste/ Tipps zu Listenmails: https://wiki.documentfoundation.org/Netiquette/de Listenarchiv: https://listarchives.libreoffice.org/de/users/ Datenschutzerklärung: https://www.documentfoundation.org/privacy