Hallo Ab nächsten Donnerstag geht das Semesterprogramm der Freien Uni Bamberg wieder los, anfangen werde ich am Donnerstag, den 21.10. Im Rahmen unserer Reihe "Religionskritik" werde ich einen Einblick in die faszinierende und bizarre Welt des Sakropop geben, das ist christliche Popmusik aus Deutschland, die sich als eigene Subkultur in den Amtskirchen seit den 1960ern etabliert hat. Sakropop ist etwas ganz anderes als White Metal, Jesus Freaks oder Xavier Naidoo, nämlich die vielleicht seltsamste "Incredibly Strange Music", die die Menschheit so drauf hat... Mehr dazu am kommenden Do, ab 20:00 im Balthasar, Balthasargäßchen 1
Am 28.10 kommt dann wieder mal Jörg Sundermeier vom Berliner Verbrecher Verlag und spricht über linke Verlage in Deutschland (von März bis Verbrecher und Ventil) Jörg Sundermeier kennt ihr vielleicht von seiner Kolumne in der Jungle World her ("Der letzte linke Student") oder als Mitherausgeber des "What's That Noise"-Fanzines (in den finsteren 1990ern). Außerdem hat er Dietmar Dath entdeckt... Am Ende dieser Mail findet ihr das komplette Programm 2010/11, über das ich euch allerdings auch regelmäßig per Mail informiere (wer das nicht will, bitte Re-Mail mit Betreffzeile: "Raus hier") Außerdem werde ich auch auf ausgewählte interessante Events aus dem Bereich jenseits der offiziellen Langeweile hinweisen, aktuell wie -die Zündfunkparty mit Achim Bogdan und Ralf Summer hinweisen, die am 30.10 im Morph Club stattfindet, ab 20:00 spielen Charlotte und Frisbeemaul, ab ca. 22:00 legen Ralf und Achim auf -Am 11.11. spielen - ebenfalls im Morph - die Fehlfarben, leider ohne die Radierer als Vorband (wie irgendwo mal angekündigt) Und am 19.11 lege ich in der Scheinbar auf als DJ atenleggedbeatsoraneightleggedbeatswithfeelers ... FUB Programm 2010/11 (liegt natürlich auch an einschlägigen Orten als Heft aus) Donnerstag, 21.10. FRANK APUNKT SCHNEIDER: »Bei Verwendung einer Beatband in der Lautstärke auf die Gemeinde und den Raum Rücksicht nehmen!« Sakropop als deutscher Sonderweg zur Popreligiosität Im: Balthasar, Balthasargässchen 1, Beginn: 20:00, Eintritt frei Der »Schwund an jugendlichen Gottesdienstbesucher_innen« wurde in den 1970er Jahren meist mit der »Ausgrenzung der Lebenswelt von Jugendlichen« aus dem Gottesdienstgeschehen erklärt. Um sie zu erreichen, mussten die Amtskirchen einen (Schein-)Frieden mit Rockmusik und Popkultur schließen. Die Geschichte des Sakropop berichtet von der langen, zähen und tragikomischen Integration von Pop in die Kirche. Sakropop ist »neue Kirchenmusik mit Stilmitteln moderner Popularmusik«, so Martin Bubmann, der Diedrich Diederichsen der Szene. Sakropop hat die zahllosen Widersprüche zwischen religiösem Dogmatismus und popkulturellem Freiheitsversprechen in sich aufgenommen und in eine adäquate Form gebracht: die möglicherweise am weitesten entfremdete Form von Pop überhaupt. Und damit natürlich schon wieder: Meta-Pop! Der Sakropop dürfte eines der merkwürdigsten Sub-Genres des Pop sein, praktiziert lediglich innerhalb einer beinahe unsichtbaren und völlig unvermittelbaren Subkultur. Eben: Incredibly strange music. Frank Apunkt Schneider wird Höhepunkte seiner umfangreichen Sakropop-Sammlung vorspielen und erläutern. Frank Apunkt Schneider ist unfreier Künstler und selbsternannter Poptheoretiker. Er schreibt u. a. für Testcard, monochrom, Skug, Zonic, Bad Alchemy und Intro. Er lebt zurzeit als deutscher Außenposten der Kulturbewegung monochrom (www.monochrom.at) in Bamberg. Im Ventil-Verlag hat er das Buch »Als die Welt noch unterging. Von Punk zu NDW« veröffentlicht. Zuletzt hat er am 03.12.2009 in der FUB zum Thema »Die Diktatur des man. Von der Schwierigkeit, in linken deutschen Medien geschlechtsneutral zu sprechen« gesprochen Donnerstag, 28.10. JÖRG SUNDERMEIER: Linkes Verlegen in Deutschland. Im: Balthasar, Balthasargässchen 1, Beginn: 20:00, Eintritt frei Jörg Sundermeier leitet gemeinsam mit Werner Labisch den Verbrecher Verlag. Der Verbrecher Verlag ist ein Berliner Kleinverlag mit Programmschwerpunkt in den Bereichen Belletristik, Sachbuch, Kunst und Comic. Er zählt zu den bekanntesten deutschen Independent-Verlagen. Und zu den bekanntesten linken Verlagen in Deutschland. In seinen politischen Büchern steht er der Wochenzeitung Jungle World nahe. Ebenso wie die Jungle World möchte der Verbrecher Verlag eine kritische Linke wiederbeleben, die in der Tradition der Frankfurter Schule (Adorno, Horkheimer, Marcuse u. a.) steht. Diese soll durchaus aktivistisch sein, aber dennoch die eigenen Positionen permanent kritisieren und hinterfragen. Ziel des Verbrecher Verlages ist es, an der Herausbildung einer antiidentitären und heterogenen Bewegung teilzuhaben, die die Verhältnisse durch Kritik und ihre eigene Positionen durch Selbstkritik verbessert. Bleibt nur die Frage: Wie geht das? Und schließlich die Frage: Wie geht das gut? Jörg Sundermeier lebt als freier Autor, Verleger und Programmleiter des Verbrecher Verlags in Berlin. In der Jungle World erscheint seit 1999 seine Kolumne »Der letzte linke Student«. 2004 erschien die Kolumnensammlung »Der letzte linke Student« im Alibri Verlag, im Herbst 2010 »Heimatkunde: Ostwestfalen« in der Edition Cadeau bei Hoffmann & Campe. Zuletzt hat er am 19.06.2008 in der FUB aus seinem Buch »Der letzte linke Student« gelesen Donnerstag, 4.11. ANDREAS KALLERT: Von Stundenzetteln, Tauschringen und Äquivalenzökonomie Fetischisiertes Denken als Verkehrung der wirklichen Welt. Im: Balthasar, Balthasargässchen 1, Beginn: 20:00, Eintritt frei Die Vorstellung einer gerechten Gesellschaft, in der jede Arbeit als gleichwertig gilt, hält sich seit mehr als 200 Jahren in der politischen Ökonomie. Dies führt von den frühen Stundenzettler_innen und den utopische Sozialisten_innen (u. a. Robert Owens, John Francis Bray, Thomas Hodgskin, Pierre Joseph Proudhon) über die städtischen Tauschringe der Gegenwart bis hin zum so genannten »Sozialismus des 21. Jahrhunderts« (u. a. Sylvio Gesell, Arno Peters, Heinz Dieterich). Allen gemeinsam ist, dass sie den ungerechten Tausch im Kapitalismus bemängeln und durch den äquivalenten ersetzen wollen. Im äquivalenten Tausch bemisst sich der Wert einer Ware allein an der Arbeitszeit, die für ihre Produktion aufgewendet wurde. Hierbei knüpfen äquivalenzökonomische Theorien an die politischen Ökonomien von Adam Smith, David Ricardo und: Karl Marx an. Marx Kritik der politischen Ökonomie wird dabei kurzerhand zur Arbeitswerttheorie umfunktioniert, um das Idyll einfacher Warenproduktion heraufzubeschwören. Der Warenwert wird verabsolutiert und als transhistorische Form des Reichtums betrachtet. Solche Vorstellungen tendieren jedoch zu einer Verkehrung von Bewusstsein und Wirklichkeit, die Marx treffend als Fetischismus analysiert hat. Der Vortrag wird anhand der oben genannten Entwürfe alternativen Wirtschaftens in die Marxsche Fetischismus-Theorie einführen. Die Formen »Wert«, »Ware« und »Arbeit« sollen einer grundlegenden Kritik unterzogen werden. Ebenso soll die Gesellschaftlichkeit dieser Kategorien herausgearbeitet werden. Sie bringen den Fetischismus erst hervor, »der den Arbeitsprodukten anklebt, sobald sie als Waren produziert werden, und der daher von der Warenproduktion unzertrennlich ist.« (Karl Marx, Das Kapital I). Andreas Kallert hat Politikwissenschaften in Bamberg studiert. Donnerstag, 11.11. LUIS VON BERNUS: Was ist Maskulinismus? Im: Balthasar, Balthasargässchen 1, Beginn: 20:00, Eintritt frei Ungefähr seit dem Jahrtausendwechsel entwickelt sich in Deutschland eine soziale Bewegung, die sich selbst als »Maskul(in)ismus« bezeichnet. In den letzten zwei Jahren wurde ihr immer mehr mediale Aufmerksamkeit zuteil. U. a. widmete der Stern maskulistischen Thesen eine Titelgeschichte. Das Ministerium für Familie, Jugend, Frauen und Senioren hat mittlerweile ein Referat, dessen Aufgabe es ist, geschlechtsspezifische Benachteiligungen von Jungen im Bildungssystem entgegenzuwirken und Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen haben ein »Grünes Männermanifest« herausgegeben. Funktionäre von Vereinen wie MANNdat werden inzwischen immer wieder von überregionalen Zeitungen interviewt; die Friedrich-Ebert-Stiftung hat dieser Gruppierung eine Expertise gewidmet. Wer aber sind nun diese Maskul(in)isten? Ist Maskul(in)ismus nur ein anti-feministischer Backlash oder gibt es tatsächlich soziale und kulturelle Benachteiligung, die nur oder überwiegend Männer betreffen? Gibt es »Opfer« auf beiden »Seiten«? Haben es Männer immer noch besser als Frauen? Und wenn ja: Bedeutet das, dass Benachteiligungen, die vorwiegend oder ausschließlich Männer betreffen, nicht beseitigt werden müssen Luis von Bernus studiert Soziologie in Bamberg. Freitag, 12.11. SEBASTIAN KALICHA: Anarchismus heute Im: Balthasar, Balthasargässchen 1, Beginn: 20:00, Eintritt frei So wie der Anarchismus den Nationalstaat und seine Grenzen als Werkzeuge von Herrschaft ablehnt, so ist auch die anarchistische Bewegung eine weltweite und grenzenlose. Sebastian Kalicha wird auf der Basis seiner aktuellen Veröffentlichung »Von Jakarta bis Johannesburg Anarchismus weltweit« die globale anarchistische Bewegung vorstellen. »Von Jakarta bis Johannesburg« ist eine Sammlung von Interviews, die mit Anarchist_innen aus sechs Kontinenten geführt wurden, um einen Einblick in die gegenwärtige anarchistische Bewegung zu geben. Erörtert werden die Geschichten lokaler Bewegungen, die Aktivitäten in unterschiedlichen politischen Kontexten sowie die Hoffnungen, die sich an libertäre Ideen knüpfen. Sebastian Kalicha ist Autor und Mitherausgeber der gewaltfrei-anarchistischen Monatszeitschrift Graswurzelrevolution. Er ist aktiv an unterschiedlichen Projekten zu gewaltfreiem Widerstand und Anarchismus beteiligt. Zuletzt erschienen: Sebastian Kalicha/Gabriel Kuhn (Hg.): »Von Jakarta bis Johannesburg Anarchismus weltweit« (Unrast Verlag 2010) und Sebastian Kalicha (Hg.): »Barrieren durchbrechen! Israel/Palästina: Gewaltfreiheit, Kriegsdienstverweigerung, Anarchismus« (Verlag Graswurzelrevolution 2008). Donnerstag, 18.11. Minimal Konsens In der: Uni Mensa, Austraße, Beginn: 22:00, Eintritt: 3 Euro Mit: SCHWARZ-WEISS feat. Ginstagscrew Donnerstag, 25.11. LARS QUADFASEL: Gottes Spektakel Zur Kritik von Religion und Religionskritik Im: Balthasar, Balthasargässchen 1, Beginn: 20:00, Eintritt frei Kritik der Religion hat es im Spätkapitalismus mit einem Paradox zu tun: Die Kirchen, einst Herrn über Könige und Kaiser, sind zum Hilfsinstitut für Seelenhygiene herabgestürzt. Ihre Dome wurden zu Touristenattraktionen, ihre Prediger zu Showmastern, ihr Papst zum österlichen Grußaugust. Und doch scheint Gott sich als sentimentales Andenken an frommere Tage pudelwohl zu fühlen. Widerlegt, erledigt und entmachtet, hat sich die Religion mit ihrem Sturz nicht bloß arrangiert, sondern daraus neue Kraft geschöpft. Als bloße Privatangelegenheit darf sie sich ungehemmt in Fragen des Fickens, des Sterbens und der Kindererziehung austoben. Spätestens seit dem weltweiten Erfolg der islamischen Glaubensoffensive gelten auch im Westen »religiöse Gefühle« wieder als schützenswertes Gut. Hauptsache, es wird geglaubt, und sei es an Djihad, Scharia und Frauenhass. Wer sein Herz nicht für eingeborene Kulte entdeckt, lässt sich buddhistisch erleuchten und jubelt einem abgesetzten tibetanischen Feudalherrn zu. Aus dem zwanghaften Drang, an irgendetwas zu glauben, spricht freilich nichts als der Wunsch nach einem Halt, egal woran: das Verlangen nach unbedingter Autorität. Adorno nannte derartige Pseudoreligiosität, die von Blasphemie kaum zu unterscheiden ist, den »ungeglaubten Glauben«. Dessen Bedeutung verfehlen positivistische Religionskritiker wie Christopher Hitchens oder Richard Dawkins, die den Heiligen Schriften Fehler nachweisen und so Religion auf Priestertrug reduzieren. Sie kritisieren nicht die Unwahrheit der Religion, sondern deren Wahrheitsanspruch. Genau das also, was der Materialismus zu retten hätte vor ungläubigen Pfaffen wie vor gläubigen Atheisten. Lars Quadfasel ist assoziiert in der Hamburger Studienbibliothek und schreibt u. a. für konkret, Jungle World und das Bremer Extrablatt. Seine Aufsätze zu »Buffy the Vampire Slayer« erscheinen demnächst im Sammelband »Horror als Alltag« im Verbrecher Verlag. Donnerstag, 02.12. Joscha Falck Gedanken zum heimlichen Lehrplan der universitären Lehrerbildung Im: Balthasar, Balthasargässchen 1, Beginn: 20:00, Eintritt frei Die Studierendenproteste im vergangenen Winter bezüglich der Überfrachtung der Lehramtsstudiengänge haben eindrucksvoll gezeigt, dass der Unmut groß ist. Lehramt zu studieren so heißt es , sei kaum mehr zu schaffen, ganz zu schweigen davon, nebenher noch anderen Dingen nachzugehen. Viele Studierende klagen noch mehr haben sich eingerichtet, die Logik des Sachzwangs geschluckt und leiden im Stillen. Ihnen wurde vor Augen geführt, wie ohnmächtig sie gegenüber einer herrschenden Struktur sind. Grund genug, einmal zu fragen, an welchen Stellschrauben fernab von Studiengebühren und Modulhandbüchern gedreht werden kann. In einer erfahrungsbezogenen Kritik der Lehrer_innenbildung geraten dann v. a. Beziehungen, Kommunikationsstrukturen und Zwischenmenschliches in den Fokus. Zur Diskussion soll das Elend in der Lehrer_innenfabrik gestellt werden. Im Vortrag wird nicht (nur) kritisiert, dass Lehrer unzureichend ausgebildet werden, sondern dass gerade diese Form der Ausbildung in ihren Wirkungen ein Teil der Katastrophe ist. So gesehen erscheinen Reformzwänge und studentischer Protest in einem anderen Licht. Was brauchen Lehramtsstudierende und haben sie diese Bedürfnisse in den bisherigen Formen des Protests möglicherweise falsch artikuliert? Daraus ergibt sich nicht nur eine Perspektive, wie Studierende in Zukunft ihre Stimme erheben können. Joscha Falck studiert seit 2006 an der Uni Bamberg zuerst Sozialpädagogik, dann Lehramt an Hauptschulen (Fächer Deutsch, Geschichte/Soziakunde/Sport). Neben der Arbeit im Lehramtstreff ist er als Erstsemester-Tutor und Hilfskraft am Lehrstuhl für Schulpädagogik tätig. Außerhalb der Uni engagiert er sich als Mitglied der Redaktion des pädagogischen Online Magazins »Auswege Perspektiven für den Erziehungsalltag« und ist Vorstandsmitglied der GEW Ansbach. Donnerstag, 09.12. TILMAN KALLENBACH: Buffy matters Kulturindustrie aus (linker) Fanperspektive Im: Balthasar, Balthasargässchen 1, Beginn: 20:00, Eintritt frei Buffy Anne Summers und ihre Freund_innen haben es tagtäglich mit den Schrecken zu tun, die gemeinhin für den Horror des Heranwachsens gehalten werden. Sie bleiben aber auch danach weiterhin existent und sind keineswegs weniger ärgerlich. Buffy kämpft gegen jenes allgegenwärtige Böse, dass uns alle davon abhält, das zu tun, was uns das Liebste wäre. Und sie kämpft gegen die allgegenwärtige Ignoranz und Gleichgültigkeit diesem bösen Ganzen gegenüber. Das ist ungefähr die Rahmenerzählung von »Buffy the Vampire Slayer«, einer amerikanischen Fernsehserie der 1990er Jahren. Als Fox-Serie trifft auf Buffy aber insbesondere das zu, was Horkheimer und Adorno als »Kulturindustrie« brandmarken, jene »Apologie der Gesellschaft«, von der sie in der »Dialektik der Aufklärung« schreiben: »Vergnügtsein heißt Einverstandensein.« Anhand von Buffy soll im Vortrag die Kulturindustriethese diskutiert und die Frage aufgeworfen werden, ob und inwieweit es Utopie oder gar Kritik innerhalb kulturindustrieller Bedingungen geben kann. Tilman Kallenbach studiert Soziologie und Pädagogik in Bamberg und kennt Buffy nur im englischen Original. Donnerstag, 16.12. MINA AHADI: Islamkritik vs. westlichen Kulturrelativismus Im: Balthasar, Balthasargässchen 1, Beginn: 20:00, Eintritt frei Mina Ahadi versteht sich als Atheistin. Religionen betrachtet sie als »Instrumente der Unterdrückung«. Sie kämpft für die Rechte von Frauen und gegen die Todesstrafe, insbesondere diejenige durch Steinigung. In ihrem Vortrag wird sie sich v. a. der Kritik am Islam widmen. Sie wird dabei die strukturelle Benachteiligung von Frauen in islamischen Ländern aufzeigen. In den vergangenen Jahren hat sich im westlichen Diskurs über islamische Kultur und muslimische Gesellschaften ein Argumentationsmuster etabliert, das Frauenunterdrückung und ihre Instrumente (Burka, Beschneidung, muslimisches Eherecht usw.) mit Verweis auf die eurozentristische bzw. postkoloniale Perspektive, aus der eine Kritik hieran notwendigerweise erfolgt, immunisieren möchte. Eine solche Kritik-an-der-Kritik nimmt allerdings nicht nur eine unzulässige Homogenisierung vor, der zufolge alle in der islamischen Welt lebenden Menschen mit einer islamischen Identität zusammenfielen. Sie spielt außerdem den Machthaber_innen in die Hände, die diese Identität konstruieren. Und sie unterschlägt die vielgestaltige Opposition gegen muslimisches Patriarchat und religiös legitimierte Herrschaft, die sich im »islamischem Kulturkreis« selbst artikuliert. Mina Ahadi ist exil-iranische Aktivistin. Sie setzt sich für Menschenrechte und negative Religionsfreiheit ein. Sie ist Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime und des International Committee Against Execution (I.C.A.E) und lebt seit 1996 in Deutschland. 2001 gründete sie das Interantionale Komitee gegen Steinigung. Daneben ist sie Mitglied des Politbüros und ZKs der Arbeiterkommunistischen Partei des Iran. 2007 wurde sie von der britischen National Secular Society mit dem mit Irwin Prize for Secularist of the Year ausgezeichnet. Donnerstag, 13.01. CHRISTIAN HELLER: Meine Daten in meiner Festung. Kleine Kritik der Privatsphäre. Im: Balthasar, Balthasargässchen 1, Beginn: 20:00, Eintritt frei »Meine Daten gehören mir« und »Schutz der eigenen vier Wände«: Privatsphäre gilt dem bürgerlichen Subjekt als hohes Gut und als Existenz-Bedingung. Erst in ihr soll sich das freie Individuum, das Eigene der Persönlichkeit herausbilden. Dabei ist der Freiheits-Wert des Privaten uneindeutig: Als Mauer zwischen dem Einzelnem und der Gesellschaft bietet es beiden gleichermaßen Schutz davor, sich mit dem jeweils Anderen auseinander zu setzen. Emanzipation führt oft nicht in einen Schutz des Privaten hinein, sondern aus dessen Isolation heraus. Zugleich beansprucht »informationelle Selbstbestimmung« mit derselben Härte einen Eigentumsanspruch auf Informationsmuster wie die Rechteverwertungsindustrien ihn gegen »Raubkopierer« prozessieren. Die Auflösung des Menschen im Digital-Zeitalter in frei umherschwebende und rekontextualisierbare Informationen nennt der Apologet der Privatsphäre einen Angriff auf dessen Würde und Souveränität. Christian Heller, Jahrgang 1984, hat in Berlin einige Semester Filmwissenschaft und Philosophie studiert, bevor er sich publizistisch auf den technischen Wandel gesellschaftlicher Formen und Werte und digitale Identitätspolitik verlegte. Donnerstag, 20.01. GERD DEMBOWSKI;: Fußball vs. Riot-Folk. Mehr als eine Lesung. Im: Balthasar, Balthasargässchen 1, Beginn: 20:00, Eintritt frei Gerd Dembowski aus Berlin und Cairo, IL, liest nicht nur Fortschreibungen seines Buches »Fußball vs. Countrymusik«, das 2007 zum Fußballbuch des Jahres nominiert wurde. Das könnte ja jeder An seinen berüchtigten Abenden puzzelt er seine Texte in ein liebevolles Chaos aus Kinderinstrumenten und eigenem Country- und Folkgesang. Dabei packt er zusammen, was nicht zusammen gehört: Fußball und Riot-Folk. Aber nicht nur: Auch aus seinem gerade entstehenden Road-Roman über eine Hobo-Reise durch die USA trägt er vor. Entwaffnende Kurzgeschichten und amüsant-politische Satire, die mit schonungslos persönlichen Eingängen immer den Weg in ein »großes« gesellschaftliches Thema weisen. Antitainment vom Feinsten. Hören Sie infame Verleumdungen und herzvolle Liebeserklärungen ein literarischer Drahtseilakt zwischen FIFA-Kongress und besetztem Haus. So wurden Sie noch nie belesen. Erscheinen Sie deshalb möglichst zahlreich, am besten manisch. Gerd Dembowski (37) lebt in Berlin als Sozialwissenschaftler, freier Autor und Kurator von Ausstellungen wie »Tatort Stadion«, ist Mitglied bei BAFF sowie der AG Fandialog von DFB und DFL. Er hat soeben das Buch »Der Ball ist bunt. Fußball, Migration und die Vielfalt der Identitäten in Deutschland« bei Brandes & Apsel mitherausgegeben. Zuletzt hat er am 8.6.2010 in der FUB zum Thema »Wie weich ist der deutsche Nationalismus im Fußball?« gesprochen Donnerstag, 27.01. PHILIPP EICHHORN: Nationalbolschewismus Zum dialektischen Verhältnis von Nationalismus und Sozialismus Im: Balthasar, Balthasargässchen 1, Beginn: 20:00, Eintritt frei Nationalbolschewismus wird gegenwärtig vor allem als Schimpfwort gebraucht, mit dem oft aus dem antideutschen Lager nationalistische, protektionistische oder ans »Volk« gerichtete Aussagen linker Gruppierung bedacht werden, die vermeintlich Marx bzw. den Sozialismus nicht verstanden haben. Allerdings fungiert der Begriff »Nationalbolschewismus« auch als Selbstbezeichnung einer politischen Gruppierung, für die schon seit Jahrzehnten der Sozialismus nicht ohne den Nationalismus verwirklicht werden kann und vice versa. Darunter der »linke« Flügel der NSDAP um die Strasser-Brüder, die Nationalbolschewistische Partei Russlands oder der Kampfbund deutscher Sozialisten. Aber ist die Dialektik von Nationalismus und Bolschewismus wirklich nur die Spielwiese für Querfrontler_innen, Wölfe im Schafspelz und NS-Nerds? Waren und sind die nationalistischen Tendenzen in der Linken wirklich nur populistisches Instrument und Ausdruck falsch verstandener Emanzipation? Und lassen sich Nationalismus und Sozialismus überhaupt voneinander trennen? Der Vortrag gibt eine Einführung in die nationalbolschewistische Szene und ihre Ideen, das Verhältnis der Linken zum Nationalismus und stellt am Ende die Frage, ob ein kosmopolitischer Sozialismus überhaupt möglich ist. Philipp Eichhorn ist FUB-Referent, Pirat_innenkinoaktivist und Autor bei Testcard Zuletzt hat er am 17.6.2010 in der FUB zum Thema »Post Porn Politics. Wie sieht der emanzipative Porno aus?« gesprochen Donnerstag, 03.02. INGO ELBE: Gesellschaftskritik als »proletarische Weltanschauung«? Arbeiterklasse und Revolution in der Marxschen Theorie Im: Balthasar, Balthasargässchen 1, Beginn: 20:00, Eintritt frei Karl Marx, der Theoretiker des »historisch unvermeidlichen Sieges der proletarischen Revolution«, die Kritik der politischen Ökonomie als »wissenschaftlicher Ausdruck proletarischen Klassenbewusstseins« so haben es der klassische Marxismus und seine bürgerlichen Kritiker_innen tradiert. Tatsächlich verarbeitet Marx vor allem in seinen frühen Schriften traditionelle geschichtsphilosophische und politökonomische Motive zu einem revolutionstheoretischen Modell, das im wesentlichen die Verelendung und historische Mission des Proletariats sowie eine Evolution der Produktivkräfte als notwendige und hinreichende Bedingungen für die Bildung revolutionärer Subjektivität und gelingender Umwälzung des Kapitalismus unterstellt. Der Vortrag soll demgegenüber zeigen, dass sämtliche dieser revolutionstheoretischen Vorstellungen und Kriterien von Marx ausgearbeiteter Ökonomiekritik systematisch widerlegt werden. Damit wird Marx als Kritiker auch des proletarischen Klassenbewusstseins erkennbar, als Kritiker geschichtsphilosophischer und politökonomischer Denkformen, der in seiner desillusionierenden Haltung gegenüber der Arbeiterbewegung das »polizeilich Erlaubte und logisch Unerlaubte« ihrer Sozialismusvorstellungen nachweist. Ingo Elbe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Oldenburg, Lehrbeauftragter an der TU Braunschweig und Mitglied des Arbeitskreises rote ruhr-uni. Zuletzt veröffentlicht: »Marx im Westen. Die neue Marx-Lektüre in der Bundesrepublik seit 1965«, 2. Aufl., Berlin 2010 und (als Mitherausgeber): »Eigentum, Gesellschaftsvertrag, Staat. Begründungskonstellationen der Moderne«, Münster 2009 sowie »Kritik der politischen Philosophie«, Münster 2010. Online-Texte unter www.rote-ruhr-uni.com Zuletzt hat er am 05.02.2010 in der FUB zum Thema »Der bürgerliche Staat in der neomarxistischen Theorie« gesprochen Freitag, 04.02. DMYTRI KLEINER: The Telekommunist Manifesto Im: Balthasar, Balthasargässchen 1, Beginn: 20:00, Eintritt frei In the preface to »A Contribution to the Critique of Political Economy«, Marx and Engels argue that »at a certain stage of their development, the material productive forces of society come in conflict with the existing relations of production.« What is possible in the information age is in direct conflict with what is permissible. Publishers, film producers and the telecommunication industry conspire with lawmakers to bottle up and sabotage free networks, to forbid information from circulating outside of their control. The corporations in the recording industry continue to forcibly maintain their position as mediators between artists and fans, while fans and artists merge closer together and explore new ways of interacting. Competing software makers, like arms manufacturers, play both sides in this conflict: providing the tools to impose control, and the tools to evade it. The non-hierarchical relations made possible by a peer network such as the internet are contradictory with Capitalisms need for enclosure and control. Its a battle to the death, either the internet as we know it must go, or Capitalism as we know it must go. Will Capital throw us back into a network dark-ages inspired by CompuServ, Mobile Telephones and Cable TV rather than allow peer communications to bring about a new society? Yes. If they can. The Telekommunist Manifesto is an exploration of class conflict and property, born in the realization of the primacy of economic capacity in social struggles. Dmytri Kleiner is a software developer working on practical and symbolic projects investigating the political economy of the Internet and the ideal of workers self-organisation of production as a form of class struggle. He is author of the Telekommunist Manifesto, wich will be published this year by the Institute for Network Cultures and a founder of the Telekommunisten Collective, which provides internet and telephone services, as well as undertakes artistic projects which aim to explore the way communications technologies have social relations embedded within it. Dmytri and Telekommunisten seek to develop the concept of Venture Communism, a model for building and allocating Capital that is critically needed to accomplish what Capitalism can not: the further development of free culture and free networks. The lecture will be given in English. Donnerstag, 10.02. SANDRO HOLZHEIMER: Demokratie und Politik Im: Balthasar, Balthasargässchen 1, Beginn: 20:00, Eintritt frei Wenn das liberale Modell der Demokratie das Lob der Verständigung unter freien Bürger_innen spricht, wenn Berufspolitiker_innen das Wohl der Demokratie mit der »inneren Einigkeit« der Gesellschaft über Fragen ihres »Zusammenhalts« gleichsetzen und wenn, wie kürzlich in der causa Sarrazin, sich diese Einigkeit unmittelbar einstellt, dann steht damit im Grund das Eigene der Demokratie auf dem Spiel, das nicht im zivilen Einvernehmen, sondern in einem »Unvernehmen« (Jacques Rancière), nicht im Konsens, sondern im Streit zu suchen ist. Der Vortrag wird zunächst an einigen Stationen der Philosophiegeschichte die abendländische Reflexion nachzeichnen, um zu klären, warum die Demokratie von Platon über die Aufklärung bis in die Moderne ein philosophisches Skandalon darstellt. Davon ausgehend wird anhand neuerer philosophischer Aufwertungen dieser Anstößigkeit der Demokratie, die mit den Namen Jacques Rancière und Claude Lefort verbunden sind, versucht, das Eigene der Demokratie und vor allem auch einer demokratischen politischen Praxis nachzuvollziehen. Sandro Holzheimer promoviert an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und ist dort zurzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft. Donnerstag, 17.02. FRANK APUNKT SCHNEIDER Indie-Hände-gespuckt Zur Kritik der Kultur der Unabhängigkeit Im: Balthasar, Balthasargässchen 1, Beginn: 20:00, Eintritt frei Unabhängige Labels die so genannten »Indies« spielten eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Popmusik, wie die Entdeckung von Elvis durch Sun Records in Memphis belegt. Im Unterschied zu den so genannten »Majors« waren und sind »Indies« mittelständische Unternehmen, die Nischenmärkte bedienen. Im Zuge der Entstehung einer Popgegenkultur in den späten 1970ern entstand allerdings eine neue Form des »Independentlabels«, das seine Unabhängigkeit und das Prinzip der Selbstorganisation (z.B. der Vertriebsstrukturen) als politisches Statement und als Bestandteil einer ohnehin politisch ausgerichteten Subkultur verstand. Für einen kurzen Moment ließ sich ästhetische Dissidenz mit politischer Kritik in eins setzen. Die Do-It-Yourself-Ästhetik von Punk und Post Punk haben zu einer weltweiten Explosion an »unabhängig« und »alternativ« produzierter Musik beigetragen. In den 1980ern entstand hieraus »Indie« als eigenes Musikgenre und »Unkommerzialität« als (unklar definierter, eher subjektiv gefühlter) Wert. Im Zuge dieser Entwicklung legte sich die »Indie«-Szene jedoch auch eine krypto-bürgerliche Ideologie der »unabhängigen Musik« zu, der Medien als Surrogat des Politischen dienen. Dies hat in fataler Weise zur Entpolitisierung des Popuntergrunds beigetragen und bürgerliche Werte und Tugenden anstelle von (linkem) Bewusstsein gesetzt hat. Warum das verhängnisvoll ist und wie gut »Indie« in die gegenwärtigen (deutschen) Verhältnisse passt, wird der Vortrag erläutern. Frank Apunkt Schneider ist unfreier Künstler und selbsternannter Poptheoretiker. Er schreibt u. a. für Testcard, monochrom, Skug, Zonic, Bad Alchemy und Intro. Er lebt zurzeit als deutscher Außenposten der Kulturbewegung monochrom (www.monochrom.at) in Bamberg. Im Ventil-Verlag hat er das Buch »Als die Welt noch unterging. Von Punk zu NDW« veröffentlicht. Zuletzt hat er am 03.12.2009 in der FUB zum Thema »Die Diktatur des man. Von der Schwierigkeit, in linken deutschen Medien geschlechtsneutral zu sprechen« gesprochen