Hi;

danke für die Gedanken.

Am 06.04.19 um 10:30 schrieb Christian Imhorst:

Ist denn das, was dich umtreibt, dann SaaSS?


Jein. Die Antwort ist zweigeteilt. Einerseits: Klares "Ja", SaaS gehört auf diese Liste. Und SaaS ist ein "Problem", in mancherlei Hinsicht, aber SaaS ist beherrschbar. Weil: Zumindest in meinem Dunstkreis sind Leute, die SaaS nutzen, immer noch solche, die sich im Klaren sind über die Frage, was "Software" und "Software-Hosting" ist, und für die SaaS-Optionen interessant sind, weil sie entweder helfen, Hosting und Betrieb von Software wirtschaftlich beherrschbar zu bekommen oder, solches überhaupt erst zu ermöglichen.

Wir nutzen professionell auch an einigen Punkten SaaS. Warum? Weil wir, im Raum Dresden, seit mindestens einem Jahr eine weitere Stelle für Operations/Systems Engineering besetzen müssten, der Markt derzeit faktisch leer und Selbstbetrieb spätestens mit den Dokumentations-Anforderungen der DSGVO zumindest für Kleinunternehmen und kleine Mittelständler durchaus ein Stück aufwendiger geworden ist, sprich mehr qualifizierte Ressourcen als vorher braucht.

Dann ist es gut, Software wie NextCloud oder Redmine zu haben, die prinzipiell FLOSS oder zumindest Open Source ist, aber der "offene Quelltext" ist hier nicht entscheidend. Entscheidend ist im Zweifelsfall: Die Anwendungen sind komplex, fallen im Zweifelsfall entweder dann um, wenn die eine Person im Unternehmen, die sie beherrscht, Urlaub hat oder krank ist, oder fallen in einer Art und Weise um, in der Reparatur schwer bis nicht möglich ist. Meine Historie an Own/NextCloud-Updates, die aus unerklärlichen, nicht recherchierbaren Gründen "schiefgegangen" sind und in einer Neuinstallation (und mehrstündigen Downtime) endeten, ist leider länger, als ich mir das wünschen würde.

Auf meine Idee, dieses Problemes Herr zu werden, hab ich für mich das Etikett "LibreSaaS"[1] geklebt, und das ist der Weg, den wir zurzeit versuchen, mit unserem lokalen RZ-Dienstleister umzusetzen, zunächst für uns und idealerweise mittelfristig auch für andere Kunden. Ich sehe durchaus, daß SaaS in der gegenwärtigen Arbeitsmarkt-Lage und auch vor dem Hintergrund von Aspekten wie Spezialisierung in allen Gebieten (die es auch außerhalb der IT gibt) ein langfristig valides Modell ist. SaaS hat halt den Vorteil, daß ich etwa personelle Ressourcen für Infrastrukturbetrieb anteilig bezahle, also nicht zwei Administratoren vor-, qualifiziert und bei Laune halten zu müssen, die sich den Großteil der Zeit bei mir langweilen und irgendwann abhanden kommen, weil es anderenorts interessantere Aufgaben gib. Erwartungshaltung wäre, daß ich es nurmehr "ethisch" vernünftig ordne und mit den richtigen Anforderungen herangehe: Muss ich auf biologisch und nachhaltig angebaute Zutaten verzichten, wenn ich nicht selbst koche, sondern mir im Restaurant Nahrung von einem Experten zubereiten lassen muss? ;)


Das ist für mich aber der einfachere Fall. Der problematischere sind Services wie beispielsweise AutoDesk BIM360[2]. Dort sieht die Sache anders aus: Diese werden überhaupt nicht als "Software" wahrgenommen. Dort ist *klar*, daß das nichts ist, was man lokal installiert und selbst betreibt. Dort ist Software nur Mittel zum Zweck, aber im Kern eher irrelevant. Solche Dienste werden bei einer guten Zahl der beteiligten Kunden auch nicht von einer herkömmlichen IT-Abteilung (= Leuten, die Workstations und Infrastruktur bereitstellen und pflegen), sondern von einer eher fachlich gelagerten Abteilung, auf die man derzeit gern Label wie "Digitalisierungsabteilungen" klebt und die die Aufgabe haben, den Markt zu beobachten, Lösungen zu beurteilen und zu werten und eine gute mittel- bis langfristige Strategie zu entwerfen, wie die Dinge, die man am Markt vorgefunden hat, zusammenpassen können. Dort ist Selbstbetrieb von Software nur in Ausnahmefällen überhaupt auf dem Schirm. Dort haben wir alle Arten von Lock-In-Effekten von halbwegs geschlossenen Kommunikationsplattformen bis hin zu Bindung der Daten an bestimmte Werkzeuge für Anzeige und Bearbeitung - oder eben schlicht den Umstand, daß alles auf zentralen Servern (im Falle von AutoDesk BIM360 denen von Amazon) läuft. Diese Wahrnehmung (Service = "Funktion", nicht Software) geht weiter bei Dingen wie Trello oder Github.

Vielleicht ist das ein domänenspezifisches Problem - aber auch dann fehlen mir wirklich Ideen, dem zu begegnen. Der einzige denkbare Ansatz, den ich dort hätte, wäre: $Jemand, der in diesen Dingen sensibilisiert ist, versucht, solch einen Dienst (der dann sicherlich auch Geld kosten wird) aufzubauen in einer Art und Weise, die mit FLOSS-Ansätzen irgendwie verträglich ist. Aber das sehe ich zurzeit überhaupt nicht. Ich sehe eben nur, daß das langfristig für FLOSS durchaus zu einem echten Problem werden kann...

Viele Grüße,
Kristian

[1]https://dm.zimmer428.net/2018/11/libresaas-revisited/
[2]https://www.autodesk.com/bim-360/
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