Hallo Liste,

also Kristians pessimistisches Fazit teile ich überhaupt nicht. Linux auf dem Desktop hat in meiner Familie 50% Marktanteil. Ich treffe überall Leute, die freie Software nutzen wollen, aber nicht können - zB Psychologen und Ärzte, die über die Kassen-Telematik in Windows gezwungen werden, obwohl sie das nicht wollen. Letztens ein ganzes Barcamp voller Sozialarbeiter, die an Whatsapp verzweifeln - keiner will das nutzen (es ist auch strafbar!), aber anders sind die Klienten ncht zu erreichen. Das Problem ist allen bewußt, aber es gibt kein Geld und kein Personal für Lösungen.

Gerade in dem Bereich kann die Lösung nur vom Staat kommen. Es fehlen freie, kostenlose Serverdienste. In SH bewegt sich etwas, solange wir die derzeitige Regierung behalten, aber es geht nicht schnell genug. Auf dem Barcamp wurde eine Stiftung diskutiert. An sowas bastel ich schon lange, aber es fehlt das hinreichend idealistische Personal und das Geld (bei 0% Zinsen haben Stiftungen keinen Pfennig, diese Zinspolitik ist ein Desaster für den Wohltätigkeitsmarkt).

Gerade das Handy bietet Möglichkeiten. Free your Android war richtig, aber für den Einzelnen ist das zu kompliziert - Reparatur-Cafes zB müßten sowas als Service mit anbieten. Oder Secondhand-Shops.

Sorgen macht mir die Jugend. Wenn Linux als Spiele-Plattform ein klein bisschen besser wäre ... aber auch da tut sich was.

Gruß
Ilu

Am 10.10.19 um 08:04 schrieb Kristian Rink:
Hallo Roland, halle;

vorab: Ich finde die Diskussion gut (danke dafür), sehe aber auch, daß
das zeitlich im Moment entgleitet, deswegen nur noch kurz ein Punkt zu
einem Thema, das für mich zentral ist:


Am Mittwoch, den 09.10.2019, 23:11 +0200 schrieb Roland Hummel:

Auf Grundlage meiner Aussagen würde ich folgendes Fazit ziehen: Deine
Lösung hat sich mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
abgefunden.
Das verstehe ich und vielleicht bin ich "in 5 Jahren" auch soweit.
Bis dahin behalte ich mir vor, noch zu "unvernünftig" zu sein, um
mich diesen Rahmenbedingungen zu ergeben.


Bezüglich Abfinden mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, lass es
mich so formulieren:



Einerseits: Nein. Ich versuche seit Mitte der 1990er, Menschen von
Freier Software, von Linux und dergleichen zu überzeugen, bin immer
noch hier, versuche das immer noch. Wäre das anders, wäre mir diese
Diskussion wohl mittlerweile schnuppe. ;)



Andererseits aber: Wenn ich (sicher sehr subjektiv) die letzten drei,
vier Jahre überblicke, dann ist mein Fazit nicht sehr erfreulich:

- Im privaten Bereich sehe ich bei Menschen, wie Laptops, PCs oder
"kompatible" Geräte (die man einigermaßen leicht mit Freier Software
versehen konnte) zunehmend ersetzt werden durch hochproprietäre
Mobilgeräte, die sich derzeit in fast keinem Fall "vollständig Frei"
nutzen lassen.

- Desktop Linux hat es nie in den Mainstream geschafft. Und die Leute,
die heute "Desktop Linux" nutzen, nutzen dort drin ganz
selbstverständlich einen Browser wie Chrome, in dem sie Google-Apps
oder Office 365 verwenden.

- Auch nach Snowden bleiben hier alternative, dezentrale Messenger eine
Randerscheinung. "Fun fact": Mein letzter aktiver XMPP-Kontakt hat sich
von dem Kanal verabschiedet, nachdem sein XMPP-Hoster nach der DSGVO
den Server abgeschaltet hat. Die Leute nutzen nach wie vor WhatsApp,
und in meiner Wahrnehmung im engeren Umfeld sind es in den letzten
Jahren (durch Leute, die dann doch "jetzt auch" Smartphones von ihren
Anbietern bekommen haben) in kleinen Schritten eher mehr als weniger
geworden.

- In den Firmen im Umfeld ist derzeit mindestens jede zweite in einem
Projekt, ihre eigene Infrastruktur herunterzufahren und in irgendeine
Cloud zu migrieren. Wiederkehrende drei Gründe: Unbeherrschbare
Komplexität durch rechtliche Anforderungen, konkret DSGVO; endlich
Möglichkeit der Konzentration auf die eigenen Kernaufgaben (vorrangig
Software-Entwicklung) unter Auslagerung von Infrastrukturdiensten mit
klar definierbarer Schnittstelle; Reduzieren der Kosten für IT-Betrieb
vor Ort.


Wie gesagt: Vielleicht ist das sehr subjektiv, vielleicht Zufall und
nicht verallgemeinerbar. Aus meiner speziellen Brille im Moment sehe
ich indes wenig bis keinen Grund zu Zufriedenheit mit der Richtung, in
die sich das "Werben" für Freie Software und Freie Infrastruktur
entwickelt. Derzeit scheinen die Dinge in nahezu *allen* Bereichen in
exakt die andere Richtung zu gehen - und an dem Punkt frage ich mich,
ob wir vielleicht überdenken sollten, ob unsere Ideen, Ansätze,
Lösungsvorschläge noch geeignet sind, unsere Ziele zu erreichen. Und
vielleicht *braucht* es dafür eine Akzeptanz des Status Quo, eine
Akzeptanz des Umstands, daß WhatsApp, Google, Apple, ..., like it or
not, nun mal massiv die Art und Weise geprägt haben, wie eine sehr
breite Masse Technologie wahrnimmt und erwartet - und dass vermutlich
nur der Versuch, diese Tools schlechtzureden und auf lernfähige und
-willige Nutzer zu hoffen, vielleicht nicht funktioniert...? ;)

Viele Grüße,
Kristian

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