Hallo Geza, danke für deine ehrliche Kritik! Ich versuche dir mal meinen ganz persönlichen Eindruck zu schildern (ich spreche also jetzt nicht für die FSFE). Mich nimmt diese Situation auch ziemlich mit, weil ich mir insgesamt eine andere Entwicklung gewünscht hätte. Auch ich habe mich zunächst gefreut, als ich z.B. gehört habe, dass Richard Stallman bei Libreplanet spricht. Ich hatte den Eindruck, dass es vielleicht so ähnlich läuft wie bei Linus Torvalds, der sich eine Auszeit genommen hat, sich mit seinem Verhalten beschäftigt hat und dann mit veränderter Haltung zurückgekommen ist. Soweit ich das weiß hat das gut funktioniert, aber ich kenne nicht alle Details darüber wie es jetzt läuft.
Bei RMS ist es anders gelaufen. Er fällt seit Jahren immer wieder durch schlechtes Verhalten auf. Damit meine ich nicht die Dinge, die immer wieder bei Heise oder bei Golem genannt werden. Da fehlt oft tatsächlich zumindest der Kontext (wobei es auch der Kontext nicht problemfrei macht). Aber es gibt es noch anderes problematisches Verhalten. Es schadet z.B. unserer Bewegung wenn man auf Veranstaltungen zu Freier Software, sich auch zu völlig anderen Themen äußert, die Menschen vor den Kopf stoßen. Aber auch wenn man das alles ausblendet, bleiben noch problematische Dinge. Z.B., dass RMS auch immer wieder genervt und aggressiv auftritt wenn Menschen versehentlich den falschen Begriff verwenden. Und ja, ich habe auch schon persönlich das genaue Gegenteil erlebt, wo er sehr gutmütig reagiert hat, aber das gleicht sich ja nicht aus. Und sowas verschreckt auch gerade Leute, die neu zu unserer Bewegung kommen, die noch nicht alles wissen, aber begeistert von der Sache sind und dazulernen wollen. Das ist ein Problem wenn die Gefahr laufen, für einen Fehler angeschrien zu werden. Es ist auch ein Problem, wenn Menschen, die ihm bei etwas helfen, völlig ignoriert werden und man in der Interaktion den Eindruck hat, dass man als Mensch gar keinen Bedeutung hat, sondern es nur darum geht, dass er halt gerade einen Wecker oder einen Stift oder was auch immer braucht und nichts anderes zählt. Und manche dieser Verhaltensweisen kann man ihm erklären und dann ändert sich manchmal was. Aber das bleibt immer sehr begrenzt und in ähnlich gelagerten Fällen ändert sich das Verhalten nicht. Und ja, ich neige dazu sowas zu entschuldigen, weil er halt so auf die Sache fokussiert ist und vielleicht ohne eine gewisse Starrsinnigkeit diese ganze Bewegung nicht entstanden wäre. Und ja, ich kenne auch andere Seiten von ihm, wo er extrem liebenswürdig ist und Gastgebern freundlich gegenübertritt und ihnen Geschenke mitbringt. Aber auch da hebt halt das gute Verhalten nicht das schlechte auf, vor allem nicht, weil es sich auf verschiedene Personen bezieht. Das alles schadet uns schon seit langem, weil es Leute von unserer Community abschreckt. Aber selbst wenn man auch das noch alles ausblendet, gibt es noch mehr Probleme. Unterstellen wir mal, dass sämtliche Aussagen von RMS, die andere Menschen problematisch fanden, nur Missverständnisse waren. Bei mir persönlich ist das so, dass wenn mir jemand sagt "Du, das was du grad gesagt hast, ärgert mich" oder sowas in der Richtung, dann ist meine erste Reaktion "Oh, das tut mir leid." Und dann versucht man das in Zukunft zu vermeiden. Man kann ja oft Sachen auch weniger konfrontativ sagen und man muss auch nicht jeden Gedanken immer mit jedem Menschen teilen. Man kann auch mal nichts sagen (auch wenn es schwer fällt - ich kenne das von mir). Bei RMS war die Antwort aber zu oft "Das, was ich gesagt habe war richtig, weil." oder "Es gibt keinen Grund sich aufzuregen, weil meine Behauptung aus diesen Gründen stimmt." Das mag alles sein, aber das ist selbst bei extrem positiver Auslegung zumindest ein äußert schlechter Kommunikationsstil. Und wenn ich dann mit den gleichen problematischen Aussagen Leute immer wieder vor den Kopf stoße und das zudem noch grundlos ist, weil es mit meiner Aufgabe, Freie Software voranzubringen, nichts zu tun hat, dann stellt sich irgendwann die Frage, ob das noch vereinbar ist. Wenn ich so eine Öffentlichkeit habe, muss ich halt manche Ideen für mich behalten, auch weil ich sonst der Sache schade. Oder wenn ich diese Dinge unbedingt sagen möchte, dann sollte ich diese Führungsposition vielleicht abgeben, um nicht der Sache zu schaden. Und da sind jetzt schon sehr viele Dinge sehr wohlwollend ausgelegt. Irgendwann kommt aber auch der Punkt, wo man sich fragen muss, ob jemand, der immer wieder Aussagen macht, die andere verletzen, sich das nicht doch auch zu eigen macht. Egal ob es so gemeint ist. Beispiel (bewusst nichts, was RMS vorgeworfen wird): Wenn jemand immer wieder rassistische Formulierungen oder Wörter verwendet, auch nachdem er darauf hingewiesen wird, macht sich derjenige nicht zumindest irgendwann diese rassistischen Aussagen zu eigen, selbst wenn es nicht so gemeint ist? Genau so ist es hier leider auch. Wie gesagt, das war jetzt alles vor dem Hintergrund einer wohlwollenden Auslegung und einer isolierten Betrachtung der verschiedenen Probleme. Praktisch wirken diese Probleme aber zusammen und schrecken Menschen, die bei uns mitwirken wollen, ab. Das kann nicht das Ziel sein. Und wenn dann die Bekanntgabe der Rückkehr keinerlei Selbstreflexion zeigt, sondern nur "manche werden froh sein, manche nicht, wer weiß, aber so ist es halt. Ich habe nicht vor wieder zurückzutreten", dann ist spätestens da Schluss. So kann man nicht mit Menschen umgehen. Deswegen stehe ich auch mit Überzeugung hinter dem Statement der FSFE. Wir haben uns das nicht leicht gemacht, weil es kein leichtes Thema ist. Aber irgendwann ist einfach der Punkt erreicht, wo man sich eingestehen muss, dass es egal ist, aus welchem Grund jemand andere Menschen verletzt. Wenn das mal passiert, ok, das ist menschlich, aber wenn es immer und immer wieder passiert, dann ist es egal, ob diese Person das nicht besser kann oder nicht besser will. Man ist dann schlicht ungeeignet für eine solche Führungsrolle, egal was die sonstigen Verdienste sind. Das wiegt sich nicht auf. Und es tut mir im Herzen weh, dass es kein anderes Ergebnis gegeben hat. Ich hätte mir gewünscht, dass es eine gemeinsame Zukunft geben kann, aber dazu hätte RMS sein Verhalten auch ändern müssen. Spätestens am jetzigen Punkt muss man schlicht aufzeigen, dass dieses Verhalten, egal was die Gründe dahinter sind, nicht akzeptabel ist, und das wirkt sich dann eben auch auf Organisationen aus, die das stützen. Das hat aber keine direkte Auswirkung auf Menschen, die sich bei uns beteiligen wollen und der FSF auch Geld oder personelle Unterstützung geben wollen. Wir machen ja keine Gesinnungsprüfungen. Es steht jeder Person frei, beliebige Organisationen zu unterstützen. Happy hacking! Florian _______________________________________________ FSFE-de mailing list FSFE-de@lists.fsfe.org https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt. Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct