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taz - 13.06.2012

Nobelpreisträgerin Ostrom gestorben

Die Pionierin der Allmende

Die Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom inspirierte mit ihren 
Forschungen Wissenschaftler weltweit. Die 78-Jährige starb nun in Bloomington 

Von Heike Holdinghausen

BERLIN taz | Weltweit inspiriert die Forschung von Elinor Ostrom Menschen, die 
ganz unterschiedliche Probleme lösen wollen. Wie lassen sich Fischgründe so 
nutzen, dass sie Fischer auch übermorgen ernähren? Können Bürger einer Stadt 
gemeinsam ihre Wasserversorgung organisieren? Wie findet sich ein gerechter 
Ausgleich der Interessen von Urhebern und Nutzern im Netz?

Wie, so die Grundsatzfrage, lässt sich der ewige Konflikt zwischen den 
Ansprüchen des Einzelnen und der Gesellschaft in einer Welt knapper Ressourcen 
ausbalancieren?

Dem Staat allein traute die Politologin Ostrom das ebenso wenig zu wie dem 
Markt, auf dem private Eigentümer ihre Ressourcen schützen. Sie dachte einen 
dritten Weg, den einer gemeinsamen Verwaltung von Ressourcen, nach gemeinsam 
festgelegten Regeln, die stetig fortentwickelt, verändert und überwacht werden.

In "Die Verfassung der Allmende", ihrem 1999 auf Deutsch erschienen Hauptwerk, 
legte sie ihre Theorie von "Commons" dar, von gemeinschaftlich genutzten und 
verwalteten Gütern. Es ist Ostroms Verdienst, die "Allmende" von dem Attribut 
"tragisch" befreit zu haben, das nach dem berühmten Aufsatz - "Die Tragik der 
Allmende" des Ökologen Garrett Hardin - fest an dieser klebte. Wenn etwas allen 
gehört, so Hardin, wird es rücksichtslos ausgebeutet.

Ostrom hingegen entdeckte die Rationalität und Disziplin, mit der Menschen 
Gemeingüter nutzen können. Zusammen mit dem Ökonomen Oliver E. Williamson 
erhielt sie für ihre Arbeit 2009 den Wirtschaftsnobelpreis.

Geboren in Kalifornien und aufgewachsen während der Weltwirtschaftskrise, 
studierte Ostrom Politikwissenschaften. 1965 ging sie als Dozentin an die Uni 
von Indiana in Bloomington, erlangte schließlich eine Professur und blieb. Auf 
ihren Reisen erforschte sie Regeln und Grundlagen von "Commons". Dass sich 
unter diesem Begriff weltweit Menschen sammelten, die ein selbstbestimmtes 
Leben "jenseits von Staat und Markt" führen wollen, hat die bis zuletzt 
Lehrende aktiv miterlebt und begleitet. Am Dienstag starb Elinor Ostrom in 
Bloomington.

Artikel zum Thema
Grenzen des Wachstums: Die Untragik der Allmende
http://www.taz.de/!85517/
Interview Gemeingüter-Expertin: "Gebrauch ja, Missbrauch nein"
http://www.taz.de/!49406/


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http://www.klimaretter.info/forschung/hintergrund/11348

Klimaretter.info - 13.06.2012

Vertrauen in die Menschen

Nicht viele Wissenschaftler schaffen es, weit über die Grenzen ihrer eigenen 
Disziplin hinauszuwirken. Der US-amerikanischen Politikwissenschaftlerin Elinor 
Ostrom aber ist das gelungen. Mit ihrer Analyse der Gemeingüter gibt sie 
Menschen das Vertrauen zurück, an ihre eigene Gestaltungsmacht zu glauben

Ein Nachruf von Daniel Boese und Eva Mahnke

"Eine Modell-Gesellschaft? Top-Down? Nein!" Es fehlte nicht viel und Elinor 
Ostrom hätte auf die Frage, wie ihre ideale Gesellschaft aussieht, 
aufgeschrien. "Das ist eine gefährliche Idee." Zuletzt wie etwa auf dem "Rework 
the World"-Gipfel 2010 in Schweden [1] war die Mahnung vor einfachen Lösungen 
ihre zentrale Botschaft. Ein einziges Klima-Abkommen, eine einzige Regierung 
auf nationaler Ebene ohne Mitsprache von Städten und Regionen, das sei zu kurz 
gedacht. Es brauche viele verschiedene Ebenen, auf denen Menschen 
zusammenarbeiten - von einzelnen Gruppen über die Gemeinde, die Region bis hin 
zu Staat und internationaler Ebene.

Die Wissenschaftlerin Elinor Ostrom konnte begeistern, über die Grenzen ihrer 
eigenen Disziplin und selbst die Grenzen der Wissenschaft hinaus. Zum Beispiel 
war es 2010 in Schweden schwer zu sagen, wer mehr beeindruckt war: Die vielen 
jungen Aktivisten im Publikum, die die Frau sahen, deren Studien der 
Umweltbewegung ein Fundament verleihen. Oder Elinor Ostrom selbst, die von den 
vielen Beispielen für Kampagnen und Aktionen der zahlreich angereisten 
Aktivisten so begeistert war: "Ich überlege schon, wie wir diese Geschichten in 
unserem Institut in Bloomington weitergeben können", kündigte Ostrom an.

Erst 2009 war Ostrom - von Haus aus eigentlich Politikwissenschaftlerin - als 
erste Frau überhaupt mit dem Nobelpreis für Ökonomie ausgezeichnet worden. Die 
Ehrung gilt ihrem Lebenswerk: der Auseinandersetzung mit der Bewirtschaftung 
knapper Ressourcen. Bereits seit den 30er Jahren hat Ostrom wie kaum jemand 
anderes die Frage umgetrieben, wie menschliches Wirtschaften organisiert werden 
kann, ohne hierbei die natürlichen Lebensgrundlagen zu zerstören. Um 
ausgemergelte Böden sorgte sie sich hierbei ebenso wie um ausgebeutete 
Fischgründe, knappe Bewässerungsressourcen und abgeholzte Wälder. Und kämpfte 
dabei jahrzehntelang gegen ein wirkmächtiges Paradigma der 
Sozialwissenschaften: die sogenannte "Tragik der Allmende" und dem damit 
einhergehenden Ruf nach dem mächtigen Arm des Staates.

1968 hatte der Biologe Garret Hardin einen gleichnamigen Aufsatz im 
Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht und hiermit das Denken ganzer 
Wissenschaftlergenerationen geprägt. Hardin beschrieb das Phänomen einer frei 
zugänglichen Weide, auf der alle Mitglieder eines Dorfes ihre Schafe treiben 
dürfen. Der Mensch sei so gestrickt, so Hardin, dass jeder der Bauern versucht, 
einen größtmöglichen Vorteil aus der Situation zu ziehen. Für ihn ist es von 
Vorteil, noch ein Schaf, und noch eines, und noch eines, auf die Weide zu 
treiben. Weil nun aber jeder der Bauern so handle, sei die Weide am Ende 
übernutzt - und keinem der schlauen Bauern nützt die Weide noch etwas. Das 
nannte Hardin "tragisch", vor allem deshalb, weil der Eigennutz der Menschen - 
zwangsläufig - zur Übernutzung und damit Zerstörung jeder Ressource führen 
müsse.

Ostrom aber widersprach der gängigen Denktradition vehement: "Anstatt 
anzunehmen, dass die Menschen, die ein Gemeingut teilen, unrettbar in einer 
Falle gefangen sind, aus der sie nicht entfliehen können, will ich zeigen, dass 
die Fähigkeit der Menschen, sich aus dieser Dilemma-Situation zu befreien 
erheblich von den Umständen abhängt", beschrieb die Ressourcenökonomin ihr 
Programm: Jahrzehntelang reiste sie deshalb um die Welt, um Hardin zu 
widerlegen. Entstanden ist hieraus eine umfangreiche Fallsammlung erfolgreicher 
menschlicher Kooperation. Ostrom hat die Grundprinzipien dieses Erfolgs 
analysiert: Zum Beispiel müsse es klare Regeln für die Verwendung von Wasser, 
Holz oder Boden geben, diese müssten überwacht und gegebenenfalls auch 
sanktioniert werden können. Vor allem aber müssen sich die Betroffenen an der 
Aushandlung der Regeln beteiligen können. Und zwar alle.

Damit hat die Wissenschaftlerin zum einen - sowohl theoretisch als auch 
praktisch unterfüttert - immer wieder darauf hingewiesen, dass Menschen nicht 
zwangsläufig blind agierende Egoisten sind, sondern Wesen mit der Fähigkeit zu 
Kommunikation und Verhandlung - und gab den Menschen damit auch den Mut zurück, 
an ihre eigene Gestaltungskraft zu glauben. Zum anderen regte sie sie auf der 
ganzen Welt an, darüber nachzudenken, wem die natürlichen Ressourcen gehören 
und wer wie über sie verfügen darf. In den vergangenen Jahren haben die 
Debatten um die Allgemeingüter wieder Hochkonjunktur, ob es hierbei um 
Umweltressourcen, geistiges Eigentum oder den öffentlichen Raum handelt. Neben 
der Wissenschaft diskutiert vor allem auch die Zivilgesellschaft intensiv 
Ostroms Ideen.

Natürlich geriet Ostrom im vergangenen Jahrzehnt auch die Erdatmosphäre als 
eine der größten globalen Ressourcen und das Problem des Klimawandels in den 
Blick. Vor dem Hintergrund ihres Wissens um die lokale Gestaltungsmacht und 
ihrer Enttäuschung von den internationalen Klimaverhandlungen warnte sie im 
Interview mit klimaretter.info [1] eindringlich: "Auf dieser höchsten Ebene 
sehe ich keine großen Bemühungen und keine Chance. Dort haben wir harte 
Auseinandersetzungen. Selbst wenn es ein Abkommen geben würde: Um es 
umzusetzen, braucht es jede Menge kreative und vorstellungsreiche Ideen auf der 
untersten Ebene. Dort müssen wir Druck machen und alles tun, was wir können." 
Ihre wichtigste Botschaft: "Es geht dabei nicht um 'Yes we can' sondern um 'Ja, 
wir müssen'."

Und auch im Vorfeld des Umweltgipfels im brasilianischen Rio de Janeiro 
beschwor Ostrom die Weltgemeinschaft noch einmal, nicht wie gebannt auf den 
Abschluss gewichtiger Abkommen zu warten [3]. "Stillstand in Rio wäre eine 
Katastrophe, aber ein einziges internationales Abkommen wäre ein schwerer 
Fehler. Jahrzehnte von Forschung zeigen, dass eine Vielzahl von Abkommen und 
politischen Initiativen von Städten, Regionen, Nationen und internationalen 
Abkommen mit höherer Wahrscheinlichkeit funktionieren, als einzelne breite 
Verträge."

Im Text verwendete Links:

[1] http://www.klimaretter.info/wirtschaft/hintergrund/6128 
[2] http://www.danielboese.de/wordpress/?p=242

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