Re: Förderation und Offene Infrastruktur (Re: FSFE-Matrix-Server)
Am Donnerstag, den 10.10.2019, 22:17 +0200 schrieb Ilu: > > Es gibt keine freie Hardware, weder im Handy noch auf dem Desktop > noch sonst irgendwo. Wenn Du so argumentierst, ist tatsächlich alles > sinnlos. Mir ging es lediglich darum, daß die Hardware beim Gros der Smartphones und Tablets noch *deutlich* unfreier ist, als sie das bei der Mehrzahl etwa der PC-kompatiblen Systeme je war... Viele Grüße, Kristian ___ FSFE-de mailing list FSFE-de@lists.fsfe.org https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt. Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct
Re: Förderation und Offene Infrastruktur (Re: FSFE-Matrix-Server)
Es gibt keine freie Hardware, weder im Handy noch auf dem Desktop noch sonst irgendwo. Wenn Du so argumentierst, ist tatsächlich alles sinnlos. Am 10.10.19 um 21:42 schrieb Kristian Rink: Moin, danke für die Gedanken. Derzeit sehe ich indes nicht, wo Deine Weltsicht optimistischer ist als meine: Am Donnerstag, den 10.10.2019, 18:44 +0200 schrieb Ilu: gezwungen werden, obwohl sie das nicht wollen. Letztens ein ganzes Barcamp voller Sozialarbeiter, die an Whatsapp verzweifeln - keiner will das nutzen (es ist auch strafbar!), aber anders sind die Klienten ncht zu erreichen. Das Problem ist allen bewußt, aber es gibt kein Geld und kein Personal für Lösungen. Richtig. An Leuten, die grundsätzlich Freie Software nutzen *wöllten*, herrscht auch in meinem Umfeld kein Mangel. Aber am Ende ist es hier wie bei Deinem Umfeld: Es gelingt nicht. Jeder hat irgendein Stück proprietärer Software, auf das zu verzichten unmöglich ist. Im schlimmsten Fall zieht das Kreise: Funktioniert etwa ein Tool wie WhatsApp auf einem Android-Gerät ohne Google-Apps / Play Services? Gerade in dem Bereich kann die Lösung nur vom Staat kommen. Es fehlen freie, kostenlose Serverdienste. In SH bewegt sich etwas, solange wir die derzeitige Regierung behalten, aber es geht nicht schnell genug. Freie *und* kostenlose Serverdienste sind je nach Perspektive eine Erfindung der werbe- und trackinggetriebenen Industrie oder eine Illusion und leider etwas, dem die SoftwareLibre-Community aus meiner Sicht durch unsauberen Umgang mit den Begrifflichkeiten ("gratis" vs. "libre", wir kennen das ja) eher Vorschub leistet. Siehe f-droid: Kern- Argument sollte sein, daß die Apps "Frei" (Libre) sind, aber im Endeffekt erscheint in jedem zweiten Bericht f-droid als ein App-Store voller Software, die "frei" (gratis) und zudem tracking-frei ist. Das, was Du meinst, sind Server bzw. ist Infrastruktur die bereitzustellen oder zumindest zu unterstützen der Staat als seine Aufgabe betrachten sollte. Wäre ich sofort dafür - aber Du hast ja zu Recht festgestellt: Zu langsam, zu wenig. Gerade das Handy bietet Möglichkeiten. Free your Android war richtig, aber für den Einzelnen ist das zu kompliziert - Reparatur- Cafes zB müßten sowas als Service mit anbieten. Oder Secondhand- Shops. Und dann? Dann hast Du Android-Devices. Ob Android "Libre" ist, darüber kann man, glaube ich, trefflich streiten, ebenso über die Frage, ob ein Android ohne Google-Dienste auch nur annähernd die Leistungsfähigkeit wie mit ebendiesen bieten kann. Am Ende des Tages bleibt Hardware, auf die nur mit viel Aufwand (und explizit gegen Sicherheitsmechanismen des Herstellers) teils recht wackelige, teils massiv mit unfreien Blobs beladene Alternativ-Software aufgespielt werden kann, immer unter dem Risiko, das Gerät eventuell so zu beschädigen, daß es teilweise oder vollständig irreparabel unbrauchbar wird. Und selbst wenn Du diese Hürde erfolgreich genommen hast, hast Du unter dem Android noch ein Baseband-System, das komplett proprietäre Blackbox und gänzlich außerhalb Deines Einflussbereichs ist. Mobilgeräte, die sich ausschließlich mit Software Libre betreiben lassen, sehe ich derzeit nicht, zumindest nicht in größerer Verbreitung. Am Ende kann ich an der Oberfläche etwas mit "Freier Software" herumspielen, was aber nicht wirkungsvoller oder nachhaltiger ist als ein cooler Linux-Desktop, auf dem letztlich Google- oder Microsoft-Webanwendungen in Chrome laufen. :/ Viele Grüße, Kristian ___ FSFE-de mailing list FSFE-de@lists.fsfe.org https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt. Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct
Re: Förderation und Offene Infrastruktur (Re: FSFE-Matrix-Server)
Hallo Liste, also Kristians pessimistisches Fazit teile ich überhaupt nicht. Linux auf dem Desktop hat in meiner Familie 50% Marktanteil. Ich treffe überall Leute, die freie Software nutzen wollen, aber nicht können - zB Psychologen und Ärzte, die über die Kassen-Telematik in Windows gezwungen werden, obwohl sie das nicht wollen. Letztens ein ganzes Barcamp voller Sozialarbeiter, die an Whatsapp verzweifeln - keiner will das nutzen (es ist auch strafbar!), aber anders sind die Klienten ncht zu erreichen. Das Problem ist allen bewußt, aber es gibt kein Geld und kein Personal für Lösungen. Gerade in dem Bereich kann die Lösung nur vom Staat kommen. Es fehlen freie, kostenlose Serverdienste. In SH bewegt sich etwas, solange wir die derzeitige Regierung behalten, aber es geht nicht schnell genug. Auf dem Barcamp wurde eine Stiftung diskutiert. An sowas bastel ich schon lange, aber es fehlt das hinreichend idealistische Personal und das Geld (bei 0% Zinsen haben Stiftungen keinen Pfennig, diese Zinspolitik ist ein Desaster für den Wohltätigkeitsmarkt). Gerade das Handy bietet Möglichkeiten. Free your Android war richtig, aber für den Einzelnen ist das zu kompliziert - Reparatur-Cafes zB müßten sowas als Service mit anbieten. Oder Secondhand-Shops. Sorgen macht mir die Jugend. Wenn Linux als Spiele-Plattform ein klein bisschen besser wäre ... aber auch da tut sich was. Gruß Ilu Am 10.10.19 um 08:04 schrieb Kristian Rink: Hallo Roland, halle; vorab: Ich finde die Diskussion gut (danke dafür), sehe aber auch, daß das zeitlich im Moment entgleitet, deswegen nur noch kurz ein Punkt zu einem Thema, das für mich zentral ist: Am Mittwoch, den 09.10.2019, 23:11 +0200 schrieb Roland Hummel: Auf Grundlage meiner Aussagen würde ich folgendes Fazit ziehen: Deine Lösung hat sich mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abgefunden. Das verstehe ich und vielleicht bin ich "in 5 Jahren" auch soweit. Bis dahin behalte ich mir vor, noch zu "unvernünftig" zu sein, um mich diesen Rahmenbedingungen zu ergeben. Bezüglich Abfinden mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, lass es mich so formulieren: Einerseits: Nein. Ich versuche seit Mitte der 1990er, Menschen von Freier Software, von Linux und dergleichen zu überzeugen, bin immer noch hier, versuche das immer noch. Wäre das anders, wäre mir diese Diskussion wohl mittlerweile schnuppe. ;) Andererseits aber: Wenn ich (sicher sehr subjektiv) die letzten drei, vier Jahre überblicke, dann ist mein Fazit nicht sehr erfreulich: - Im privaten Bereich sehe ich bei Menschen, wie Laptops, PCs oder "kompatible" Geräte (die man einigermaßen leicht mit Freier Software versehen konnte) zunehmend ersetzt werden durch hochproprietäre Mobilgeräte, die sich derzeit in fast keinem Fall "vollständig Frei" nutzen lassen. - Desktop Linux hat es nie in den Mainstream geschafft. Und die Leute, die heute "Desktop Linux" nutzen, nutzen dort drin ganz selbstverständlich einen Browser wie Chrome, in dem sie Google-Apps oder Office 365 verwenden. - Auch nach Snowden bleiben hier alternative, dezentrale Messenger eine Randerscheinung. "Fun fact": Mein letzter aktiver XMPP-Kontakt hat sich von dem Kanal verabschiedet, nachdem sein XMPP-Hoster nach der DSGVO den Server abgeschaltet hat. Die Leute nutzen nach wie vor WhatsApp, und in meiner Wahrnehmung im engeren Umfeld sind es in den letzten Jahren (durch Leute, die dann doch "jetzt auch" Smartphones von ihren Anbietern bekommen haben) in kleinen Schritten eher mehr als weniger geworden. - In den Firmen im Umfeld ist derzeit mindestens jede zweite in einem Projekt, ihre eigene Infrastruktur herunterzufahren und in irgendeine Cloud zu migrieren. Wiederkehrende drei Gründe: Unbeherrschbare Komplexität durch rechtliche Anforderungen, konkret DSGVO; endlich Möglichkeit der Konzentration auf die eigenen Kernaufgaben (vorrangig Software-Entwicklung) unter Auslagerung von Infrastrukturdiensten mit klar definierbarer Schnittstelle; Reduzieren der Kosten für IT-Betrieb vor Ort. Wie gesagt: Vielleicht ist das sehr subjektiv, vielleicht Zufall und nicht verallgemeinerbar. Aus meiner speziellen Brille im Moment sehe ich indes wenig bis keinen Grund zu Zufriedenheit mit der Richtung, in die sich das "Werben" für Freie Software und Freie Infrastruktur entwickelt. Derzeit scheinen die Dinge in nahezu *allen* Bereichen in exakt die andere Richtung zu gehen - und an dem Punkt frage ich mich, ob wir vielleicht überdenken sollten, ob unsere Ideen, Ansätze, Lösungsvorschläge noch geeignet sind, unsere Ziele zu erreichen. Und vielleicht *braucht* es dafür eine Akzeptanz des Status Quo, eine Akzeptanz des Umstands, daß WhatsApp, Google, Apple, ..., like it or not, nun mal massiv die Art und Weise geprägt haben, wie eine sehr breite Masse Technologie wahrnimmt und erwartet - und dass vermutlich nur der Versuch, diese Tools schlechtzureden und auf lernfähige und -willige Nutzer zu hoffen, vielleicht nicht funktioniert...? ;) Viele
Re: Förderation und Offene Infrastruktur (Re: FSFE-Matrix-Server)
Hallo Roland, halle; vorab: Ich finde die Diskussion gut (danke dafür), sehe aber auch, daß das zeitlich im Moment entgleitet, deswegen nur noch kurz ein Punkt zu einem Thema, das für mich zentral ist: Am Mittwoch, den 09.10.2019, 23:11 +0200 schrieb Roland Hummel: > Auf Grundlage meiner Aussagen würde ich folgendes Fazit ziehen: Deine > Lösung hat sich mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen > abgefunden. > Das verstehe ich und vielleicht bin ich "in 5 Jahren" auch soweit. > Bis dahin behalte ich mir vor, noch zu "unvernünftig" zu sein, um > mich diesen Rahmenbedingungen zu ergeben. Bezüglich Abfinden mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, lass es mich so formulieren: Einerseits: Nein. Ich versuche seit Mitte der 1990er, Menschen von Freier Software, von Linux und dergleichen zu überzeugen, bin immer noch hier, versuche das immer noch. Wäre das anders, wäre mir diese Diskussion wohl mittlerweile schnuppe. ;) Andererseits aber: Wenn ich (sicher sehr subjektiv) die letzten drei, vier Jahre überblicke, dann ist mein Fazit nicht sehr erfreulich: - Im privaten Bereich sehe ich bei Menschen, wie Laptops, PCs oder "kompatible" Geräte (die man einigermaßen leicht mit Freier Software versehen konnte) zunehmend ersetzt werden durch hochproprietäre Mobilgeräte, die sich derzeit in fast keinem Fall "vollständig Frei" nutzen lassen. - Desktop Linux hat es nie in den Mainstream geschafft. Und die Leute, die heute "Desktop Linux" nutzen, nutzen dort drin ganz selbstverständlich einen Browser wie Chrome, in dem sie Google-Apps oder Office 365 verwenden. - Auch nach Snowden bleiben hier alternative, dezentrale Messenger eine Randerscheinung. "Fun fact": Mein letzter aktiver XMPP-Kontakt hat sich von dem Kanal verabschiedet, nachdem sein XMPP-Hoster nach der DSGVO den Server abgeschaltet hat. Die Leute nutzen nach wie vor WhatsApp, und in meiner Wahrnehmung im engeren Umfeld sind es in den letzten Jahren (durch Leute, die dann doch "jetzt auch" Smartphones von ihren Anbietern bekommen haben) in kleinen Schritten eher mehr als weniger geworden. - In den Firmen im Umfeld ist derzeit mindestens jede zweite in einem Projekt, ihre eigene Infrastruktur herunterzufahren und in irgendeine Cloud zu migrieren. Wiederkehrende drei Gründe: Unbeherrschbare Komplexität durch rechtliche Anforderungen, konkret DSGVO; endlich Möglichkeit der Konzentration auf die eigenen Kernaufgaben (vorrangig Software-Entwicklung) unter Auslagerung von Infrastrukturdiensten mit klar definierbarer Schnittstelle; Reduzieren der Kosten für IT-Betrieb vor Ort. Wie gesagt: Vielleicht ist das sehr subjektiv, vielleicht Zufall und nicht verallgemeinerbar. Aus meiner speziellen Brille im Moment sehe ich indes wenig bis keinen Grund zu Zufriedenheit mit der Richtung, in die sich das "Werben" für Freie Software und Freie Infrastruktur entwickelt. Derzeit scheinen die Dinge in nahezu *allen* Bereichen in exakt die andere Richtung zu gehen - und an dem Punkt frage ich mich, ob wir vielleicht überdenken sollten, ob unsere Ideen, Ansätze, Lösungsvorschläge noch geeignet sind, unsere Ziele zu erreichen. Und vielleicht *braucht* es dafür eine Akzeptanz des Status Quo, eine Akzeptanz des Umstands, daß WhatsApp, Google, Apple, ..., like it or not, nun mal massiv die Art und Weise geprägt haben, wie eine sehr breite Masse Technologie wahrnimmt und erwartet - und dass vermutlich nur der Versuch, diese Tools schlechtzureden und auf lernfähige und -willige Nutzer zu hoffen, vielleicht nicht funktioniert...? ;) Viele Grüße, Kristian ___ FSFE-de mailing list FSFE-de@lists.fsfe.org https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt. Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct