On Thu, 09 Oct 2003 17:43:53 +0200
Matthias Hannich <[EMAIL PROTECTED]> wrote:
> > 
> > Beispiel Atommülllagerung: Soll die Anti-Atomkraft-Bewegung der
> > Atomwirtschaft konstruktiv bei der Entwicklung von Atommülllagern
> > behilflich sein, die nicht ganz so unsicher wie heutige Lager sind?
> 
> Die Anti-Atomkraft-Bewegung setzt sich ja nicht nur aus einem Haufen 
> "Weg mit den AKWs"-Rufern zusammen, sondern auch aus Leuten, die 
> durchaus versuchen Konzepte zu entwickeln, was man nun mit dem ganzen 
> Müll machen soll, wenn man die AKWs denn abschaltet und was mit dem Müll 
> aus den AKWs kommt.
> Nur stumpfes "Eure Entlagerung gefällt uns nicht." kommt da nicht.

Eine inhaltliche Kritik beinhaltet meist automatisch, was besser (oder weniger 
schlimm) gemacht werden könnte:
   Wenn ich (zum Beispiel) kritisiere, dass die Dichte von Castor-Behältern 
(Aufpralltests, Hitzetests usw.) nur mit fabrikneuen Behältern durchgeführt werden, 
nicht aber mit Behältern, die seit Jahren radioaktiver Strahlung, Hitze, 
Luftfeuchtigkeit, Temperaturschwankungen usw. ausgesetzt waren, dann beinhaltet diese 
Kritik natürlich neben der Kritik an der Leichtfertigkeit von Atomindustrie und Staat 
auch naheliegende Schlussfolgerungen, was anders zu machen wäre.
   Falsch wäre es jetzt imo, die Forderung "Atomausstieg" gegen die Forderung 
"ausführlichere Tests" auszutauschen.


> Wenn ich mich hinstelle und davon rede, dass das ja ganz schlecht auch 
> für die Umwelt ist, dann werde ich nicht mich auf meinen Stuhl setzen 
> und sagen, "So, entweder ihr schaltet nicht sofort alles ab oder ich sag 
> gar nichts mehr.".

Es geht nicht darum, gar nichts mehr zu sagen. Es geht eher um die Frage Kooperation 
oder Konfrontation.
   Das heisst zum Beispiel: Wenn ich mit jemandem kooperiere, sage ich ihm einfach, 
was m. E. falsch läuft. Wenn ich mich konfrontativ verhalte, liest die andere Person 
meine Kritik in der Zeitung.


> > Ich tendiere dazu, meine Überzeugung zu vertreten und mich nicht auf
> > taktische Gratwanderungen einzulassen; taktische Gratwanderungen
> > führen allzu schnell in den Abgrund.
> 
> Und ohne taktisches Denken schießen sich die Treusten allzuoft ins 
> Abseits. Man kann nicht zu jedem Zeitpunkt alles sagen was man denkt 
> (denn ich bin ja überzeugt davon, ich denke es schließlich!) ohne dass 
> man Gefahr läuft, sich entgültig den Todesstoß in einer Diskussion oder 
> in seiner Laufbahn zu geben. Damit verhindert man dann letztendlich, 
> dass man überhaupt noch einen Einfluss auf bestimmte Entscheidungen 
> haben kann.

Ich glaube eher, du gewinnst ein enormes Maß an Glaubwürdigkeit. Und hast damit schon 
mal sämtlichen VertreterInnen der großen Parteien, der Gewerkschaften und Konzerne 
eine Menge voraus.


> ich meine halt nicht nur Handeln "aus 
> Überzeugung" sondern auch aus einer Überlegung heraus, wie man möglichst 
> viel erreicht *und* seine Überzeugungen vertreten kann. Das muss nicht 
> zwangsweise in endlosen Kompromissen enden.

Ok. Vielleicht meinen wir etwas sehr Ähnliches und finden nur nicht die gemeinsame 
Sprache.


> > Die technischen Grundlagen für TC sind afaik spätestens seit RSA
> > vorhanden, sie lassen sich nicht mehr verhindern. "TC verhindern"
> > heisst für mich, eine nennenswerte Verbreitung von TC, eine
> > nennenswerte Verbreitung von primär für TC geeigneten Formaten und
> > Systemen zu verhindern.
> 
> Das habe ich mir ja schon gedacht, wobei dies für mich nicht 
> "Technologie verhindern" ist. Ich stimme Deinen Zielen vollkommen zu bei 
> der derzeitigen TC-Entwicklungsphase.

s. o.: teilweise inkompatible Sprache ;-)



> Weg von den A-Bomben: Wenn Du Dich bei TC hinstellst und sagst es ist 
> böse und Du willst das nicht haben, wird Dir eine Firma sagen "aber wir 
> finden das ganz toll, deshalb wollen wir das, weil wir meinen damit ganz 
> tolle Dinge tun zu können" und schon hast Du verloren.
> Stellst Du Dich aber hin und sagst Du magst es nicht, weil es eben die 
> und die Dinge machen könnte, die ganz wahrscheinlich sind und Du 
> Alternativen aufzeigst, wie Du bestimmte Dinge auch ohne TC machen 
> kannst, dann bist Du einen Schritt weiter.

Ok. - Verglichen mit Atomkraft hieße das: Ich sage nicht: "So und so macht ihr 
halbwegs sichere Atomkraft." Aber ich sage: "So und so macht ihr brauchbar Energie."


> Radikale Positionen können helfen, richtig. Man sollte aber mit radikal 
> dann auch vor allem radikale Diskussionen und radikale Argumentation 
> meine und nicht nur radikale Forderungen.

Ok. Radikale Forderungen sind für sich genommen sehr witzlos.


> > Na, die ursprünglichen Atomkraftpläne (etwa 70-80% Atomstrom) konnten
> > nie durchgesetzt werden, inzwischen ist ein mittelfristiger
> > Komplettausstieg von der Regierung beschlossen. Das ist kein
> > sofortiger Ausstieg und keine Revolution, aber doch ein gutes
> > Ergebnis im Vergleich z. B. zu Frankreich.
> 
> Und glaubst Du, dass dies etwas mit der Bevölkerung zu tun hat und deren 
> verbreiteter Ansicht?

Ja.
   ("Ansicht" würde ich durch "Ansicht bzw. Engagement" austauschen.)


> b) Wenn ich gegen etwas "lauthals protestiere" bringe ich damit zum 
> Ausdruck, dass ich deren Ansicht aufs tiefste nicht teile. Und dann 
> boykottiere ich es auch komplett und finde alternative Wege, denn ohne 
> diese Alternativen zu haben, bräuchte ich ja im Prinzip auch gar nicht 
> lauthals brüllen.

Alternativen lassen sich nicht immer alleine oder als kleine Minderheit durchsetzen 
und leben.
   Wenn alle Geschäfte, Kantinen, Mensae und Gaststätten nur genmanipulierte 
Lebensmittel anbieten würden, wie sollte ich sie dann konsequent boykottieren?
   Der Boykott in diesem (noch: hypothetischen) Beispiel wäre kaum möglich, obwohl es 
Alternativen gäbe. Aber eben gesellschaftliche Alternativen, nicht individuelle 
Alternativen.


Schöne Grüße


Holger

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