[2015-07-21 16:31] Francesc Hervada-Sala <franc...@text-engine.de>
> 
> Deinen Satz über das 'Problem von SSL' habe ich nicht richtig 
> verstanden. Vielleicht kannst du das mal ausführen (was ist genau damit 
> gemeint und wie würde das durch 'trust profiles' gelöst werden), würde 
> mich interessieren.

SSL geht von globalen Vertrauenshierarchien aus. Es gibt eine
Reihe bekannter Wurzeln solcher Vertrauensbaeume, bei denen
angenommen wird, dass *man* ihnen grundsaetzlich vertrauen
kann. Diese Wurzeln sind z.B. in den Webbrowsern hinterlegt.
Das sorgt dafuer, dass beim Ansurfen von Websites via https,
zumeist gruene Informationsbalken (fuer ``alles sicher und in
Ordnung'') erscheinen. Surft man aber z.B. meine Website auf
einem frisch ausgelieferten Browser an, dann erscheint eine
Warnung, dass die Website potenziell unsicher sei. Das liegt
daran, dass die Wurzel des Vertrauensbaumes, in dem mein
SSL-Zertifikat verortet ist, nicht vom Browserhersteller
als grundsaetzlich vertrauenswuerdig eingebaut worden ist.
Dabei spricht einiges fuer die Einschaetzung, dass CAcert
vertrauenswuerdiger ist als manche der mit den Browsern
ausgelieferten Root-Zertifikaten. Wenn ich will, dass meine
Website diese fuer Normalmenschen unverstaendliche Warnmeldung
nicht mehr zeigt, dann werde ich mir ein teures Zertifikat
von einem der Unternehmen mit den standardmaessig eingebauten
Root-Zertifikaten kaufen muessen. Damit wird aber kein
zusaetzliches Vertrauen, nur Geld gescheffelt.

Ich behaupte, dass, wenn sich die normalen Leute informieren
wuerde, wuerden sie CAcert eher vertrauen als irgendeiner
``Hinterhoffirma'' in einem unbekannten Land. Tatsaechlich
bekommen sie durch das SSL-Modell ueber den Webbrowser aber
vermittelt, dass sie einer Website mit einem teuren Zertifikat
von einer seltsamen Firma mehr vertrauen koennen als einer
Website mit einem Zertifikat von CAcert. Diese Bewertung des
Vertrauens wird global vorgegeben oder es wird zumindest stark
dazu motiviert, sie anzunehmen.

Letztlich laeuft es darauf hinaus, dass das hierarchischen
Vertrauensmodell von SSL die tatsaechliche Realitaet des
Vertrauens ungenuegend abbildet. Individuelles Vertrauen laesst
sich nicht per vorgegebener Hierarchien beschreiben, denn es ist
ein Graph, also ein Netz, bei dem das Vertrauen fuer einzelne
Knoten unterschiedlich ist, wenn man von unterschiedlichen
Knoten ausgeht. Gleichzeitig gibt es in dem Graphen so etwas wie
Delegation, indem ich der Fachmeinung eines Freundes in einem
bestimmten Fachgebiet vertraue. Bei anderen Themen wuerde ich
auf ihn aber nicht hoeren, dafuer der Meinung anderer Freunde
folgen. Und bei manchen Themen wuerde ich ganz fuer mich selbst
und immer wieder neu entscheiden wollen, ob ich vertraue oder
nicht.

In deiner Beschreibung der ``trust profiles'' sehe ich
Parallelen zu obigen Ueberlegungen zum Vertrauen. Auch bei dir
geht es um einen allgemeinen Graphen statt um Hierarchien/
Baeume. Auch du hast eine Delegation des Vertrauens an Andere
(z.B. Verlage, moeglich waeren auch Freunde oder Regierungen),
diese Delegation soll aber bewusst und direkt anwendbar sein
und muss nicht dauerhaft bzw. fuer jeden Fall zutreffen.

Am Entscheidendsten ist in diesen Ueberlegungen, dass jede
Art von Vertrauen vom Idividuum ausgehen muss, und nicht
global vorgegeben sein darf. (Dabei habe ich z.B. kein
Problem damit, wenn jemand sein Vertrauen in allen Bereichen
an den Staat delegieren wuerde oder fuer alle Websiten an
den Browserhersteller, und damit eine aehnliche Situation
schafft wie die in der wir momentan leben. Der grosse
Unterschied dabei ist, dass diese Entscheidung eine
individuelle und jederzeit widerrufbare ist.)


Ich hoffe, meine Erklaerungen sind verstaendlich.


meillo

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