Hallo,

Sebastian Hohmann wrote:
> Aber es kann ja irgendwie nicht sein, dass man 
> bei Tags die sehr weit verbreitet sind, nicht genau weiß was sie bedeuten.

Das ist keinesfalls so selbstverständlich, wie Du mit dem "es kann ja 
irgendwie nicht sein" ausdrückst. Wenn Du mal ganz banale Dinge Deines 
alltäglichen Lebens betrachtest, dann weisst Du das wenigste genau; in 
den allermeisten Fällen hilft auch, etwas vage zu wissen oder einfach zu 
sagen: "Hab ich bisher immer so gemacht, hat gut funktioniert, mach ich 
weiter so." - Wird Dir zum Beispiel auch bei Sprache so gehen, die ist 
ja doch nun recht weit verbreitet, und dennoch koennen viele Leute 
selbst Worte aus ihrem aktiven Wortschatz nicht richtig präzise 
definieren. Bricht deshalb die menschliche Kommunikation zusammen? Nein.

> Das Wiki-Prinzip mag ja funktionieren, aber auch dafür braucht es klare 
> Regeln.  Denn es kann niemand etwas korrigieren, von dem er nicht weiß
> wie man es 'richtig' macht.

Die Annahme, dass es immer genau ein "richtig" geben müsse, ist meiner 
Ansicht nach Grund für sehr viel Elend auf der Welt.

> befindlichen Tags so zu definieren und zu dokumentieren, dass man sie 
> nachträglich auch eindeutig automatisiert interpretieren kann.

Es ist sicherlich wünschenswert, Tags eindeutig automatisch 
interepretieren zu können. Aber dieses Ziel ist nicht absolut und hat 
nicht die höchste Priorität; man muss immer fragen, welcher Preis dafür 
zu zahlen ist und ob das Projekt sich diesen Preis leisten kann und will.

Es ist keineswegs so, dass Tags, die sich nicht "eindeutig", sondern nur 
"mit hoher Wahrscheinlichkeit und Heuristik" automatisch interpretieren 
lassen, wertlos sind - lediglich der Aufwand ist höher.

> Man 
> kann also nicht daraus ablesen, wie oft z.B. ein highway=cycleway mit 
> der Bedeutung 'benutzungspflichtiger Radweg' und wie oft mit der 
> Bedeutung 'irgendein Weg auf der hauptsächlich zum Radfahren benutzt 
> wird' vorkommt.

Ich weiss, dass sich daran viele Gemüter erhitzen, aber "in the grand 
scheme of things", wie der Engländer sagen würde, ist es kein Thema von 
überragender Wichtigkeit.

> Ein weiteres Problem, das aber auch mit Entscheidungen zu tun hat, ist 
> die Frage nach 'offiziellen' oder 'empfohlenen' Tags, also letztlich den 
> Map Features. Auch hier gibt es Unklarheiten, wie diese ausgewählt 
> werden oder wer letztlich zu entscheiden hat was in die Map Features kommt.

Das ist genauso wie "wer letztlich zu entscheiden hat, was auf der 
OpenStreetMap-Seite in der Wikipedia steht".

> Das ist alles schön und gut, aber es gibt folgende Probleme:
> - Es machen zuwenig bei Abstimmungen mit um wenigstens etwas 
> repräsentativ zu sein.

Jede Art von "verbindlicher" Abstimmung ist in einem Projekt mit 
exponentiellem Nutzerwachstum völlig ungeeignet. Selbst wenn wir heute 
eine Abstimmung durchführen würden, an der sich 100% der Nutzer 
beteiligen, so wären diese 100% in einem Jahr schon deutlich in der 
Minderheit. Wir (die heutigen Nutzer) könnten maximal eine Autorität für 
uns selbst sein, aber nicht für die Nutzer von übermorgen.

> - Es ist nicht klar definiert, wann ein Proposal angenommen ist (und was 
> das bedeutet, siehe vorheriger Punkt).

Eben weil der Proposal-Prozess keine formelle Bedeutung hat, ist es auch 
nicht schlimm, dass das nicht klar definiert ist.

> Bleibt noch die Frage wie schon existierende Features verändert werden 
> können. Angenommen man wollte einen Tag genauer oder etwas anders 
> definieren (nachträglich natürlich nur im Notfall, um Unklarheiten 
> auszuräumen). Wie soll man das machen? 

Der Kern der Sache ist doch, dass man niemandem vorschreiben kann, bei 
einer Änderung mitzuziehen. So gern Du das vielleicht willst, Du kannst 
die Mapper in Grossbritannien nicht zwingen, mitzumachen. Also ist das 
ganze Beharren auf Formalia doch witzlos ("aber ich bin im RECHT, so wie 
ich es mache ist es RICHTIG, ich habe mich an alle REGELN gehalten, mein 
PROPOSAL wurde angenommen, und nun musst DU auch mitmachen" - "nö, muss 
ich nicht").

Wenn es nicht gelingt, die Menschen im Projekt von Deiner Idee zu 
ueberzeugen, dann nuetzt Dir jede formale Prozedur nichts. Umgekehrt 
verbietet Dir auch niemand, Deine Idee umzusetzen...

> Und was ist wenn die Diskussion zur Ausarbeitung eines neuen Vorschlags 
> oder auch insbesondere nachträglicher Veränderung eines Tags zu keinem 
> Schluss kommt, weil die Leute vehement ihren jeweiligen Standpunkt 
> vertreten? Sollte es dann nicht jemanden geben, der einfach mal 
> entscheiden kann?

Nein, dann sollten einfach alle Varianten so lange nebeneinander leben, 
bis sich eine durchsetzt (oder bis in einem Jahr sowieso beide an die 
Vorgehensweise der Chinesen angepasst werden, die bis dahin die 
überwältigende Mehrheit der Mapper stellen ;-)

> Stolpersteine für die eindeutige Definition von Tags liegen häufig auch 
> in der Internationalität des Projekts. Selbst innerhalb von Deutschland 
> gibt es schon heftige Diskussionen über die Bedeutung von Tags, da 
> dürfte es noch um einiges schwieriger sein, sich weltweit auf eine 
> Lösung zu einigen.

Richtig, daher muss man den Zwang zur Einigung vermeiden, wo immer er 
vermeidbar ist.

> Letztlich wäre es aber wichtig überhaupt mal zu 
> einer Entscheidung zu gelangen. Sei es mit nationalen Regeln, die 
> notfalls dann für die weltweite Benutzung erst umgewandelt werden 
> müssten.

Oder mit regionalen Regeln. Oder mit Regeln, die man sich selber macht. 
Die Praxis sorgt dann schon dafür, dass diese Regeln mit der Zeit ein 
brauchbares Ganzes ergeben.

> bei Dingen 
> die eigentlich klar definiert werden könnten wie Zugangsbeschränkungen 
> sollte man ein Fahrrad aber schon von einem Auto unterscheiden können.

Ich denke, bei sowas wie "bicycle=yes" und "motorcar=no" gibt es relativ 
wenig Deutungs-Unterschiede. Schwierig wird es, wenn die Mapper in einem 
Land halt sagen, "bei uns heisst highway=grunglborz implizit, dass keine 
Fahrräder erlaubt sind...". Aber da würd ich auch sagen: Macht's wie ihr 
wollt, dokumentiert irgendwo, was ihr macht. Irgendwann wird einer das 
alles schön in eine auswertbare Form bringen, und man kann es 
automatisch korrekt in seinen Router einlesen.

Bye
Frederik

-- 
Frederik Ramm  ##  eMail frede...@remote.org  ##  N49°00'09" E008°23'33"

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