Hi Ilu,

31.01.2022 19:18:17 Ilu <i...@fsfe.org>:

> Wie sollen die Befürworter von FOSS unter diesen Umständen eine 
> gesellschaftlich relevante Diskussion führen, wenn ihr Freiheitsbegriff für 
> fast die gesamte Bevölkerung zu kurz greift?

Was meinst du mit, dass der Freiheitsbegriff zu kurz greift?

Um bei Social Media zu bleiben: Ich vermute, dass viele Nutzer es als 
Freiheitsgewinn empfinden, dass Twitter oder Facebook etc. ihnen unkompliziert 
eine Plattform zur Verfügung stellen, auf der sie ihre Gedanken ausdrücken und 
sich anderen Mitteilen können. Minderheiten können sich auf diesen Plattformen 
leichter sichtbarer machen, sie erhalten eine Stimme, die ansonsten nicht 
gehört wird und können gesellschaftliche Debatten anstoßen, wie z.B. #MeToo. 
Das ist die gute Seite und ich bin begeistert, dass FOSS ein Treiber dieser 
gesellschaftlichen Veränderung ist, die mit proprietärer Software so mMn nicht 
möglich geworden wäre, da man solche Plattformen im dieser Größe nur mit Open 
Source bauen kann.

Aber die unfreie, schlechte Seite ist das destruktive Geschäftsmodell hinter 
den sozialen Medien: Es wird daran gemessen, ob die einzelnen Menschen ihr 
Verhalten ändern, ihre individualisierten Feeds werden dahingehend vom 
Algorithmus modifiziert und optimiert, um ihr Engagement mit Hilfe 
emotionalisierter Reize zu steigern, die süchtig machen, damit sie möglichst 
lange auf der Plattform bleiben. Schlecht daran ist also, dass sich Menschen  
in ihrer Blase radikalisieren, was die demokratische Gesellschaft untergräbt.

Social Media-Konzerne bauen zwar auf Open Source auf, die unfreien adaptiven 
Algorithmen laufen ausschließlich auf eigenen Rechnern, in der eigenen Cloud. 
Sie sind closed und können nicht von der Allgemeinheit überprüft werden. Wie 
diese Algorithmen funktionieren wird aber vermutlich zukünftig entscheidend für 
den demokratischen Zusammenhalt von Gesellschaften sein, weswegen sie offen und 
frei zugänglich sein müssen.

GAFAM wird die Algorithmen ohne politischen Druck nicht freiwillig offen legen, 
um ihre Geschäftsmodelle nicht zu gefährden. So wird das ganze Gequatsche über 
'Gemeinschaft', 'Offenheit' und 'Zusammenarbeit' von GAFAM und den Open 
Source-Entwickler:innen, die für GAFAM arbeiten, hohl und falsch.

Hier, finde ich, könnte ein gesellschaftlich relevanter Einstieg für die 
FOSS-Community in die Diskussion stattfinden. Oder aber unsere FOSS-Bewegung 
für Offenheit und Transparenz des Quellcodes, der unser Leben bestimmt, ist 
völlig gescheitert.

Viele Grüße
Christian

_______________________________________________
FSFE-de mailing list
FSFE-de@lists.fsfe.org
https://lists.fsfe.org/mailman/listinfo/fsfe-de

Diese Mailingliste wird durch den Verhaltenskodex der FSFE abgedeckt.
Alle Teilnehmer werden gebeten, sich gegenseitig vorbildlich zu
behandeln: https://fsfe.org/about/codeofconduct

Antwort per Email an