Hallo talk-de-Liste, ich komme gerade von der "State of the Map"-Konferenz in Limerick zurueck und erzaehle hier kurz, wie es war. Es soll kein Blogeintrag werden, daher verkneife ich mir, ueber die Bahn, die Luftfahrt, die irischen Strassen oder die Qualitaet des Tees im Hotel zu sprechen und erzaehle nur mal so von ein paar Vortraegen, die ich bemerkenswert fand.
Frueher oder spaeter wird es alle Vortraege mit Folien+Video+Ton im Netz geben. Am Samstag eroeffnete Robert Barr mit einer Fabel ueber eine Strassenschilder-Firma, die finanzschwachen Staedten anbietet, kostenlos alle Strassen ordentlich zu beschildern - erst nach Unterschreiben des Vertrags stellt die Stadt fest, dass die Schilder fuer den Normalbuerger unlesbar sind, wenn er nicht die exklusive Spezialbrille kauft, die von derselben Firma herausgegeben wird. Die Firma verspricht der Stadt einen Anteil am Gewinn aus dem Brillenverkauf, und alle sind gluecklich (bis auf den Normalbuerger). John McKerrell von Multimap (gehoert jetzt zu Microsoft) erzaehlte, wie sie verschiedene Crowdsource-Daten in ihr Kartenangebot einbinden - Wikipedia, Flickr, und auch testweise OSM, aber da sind sich die Multimap-Anwaelte nicht sicher, ob das mit der Lizenz geht, und daher ist das nicht oeffenlich. Ed Freyfogle von der Immobilienplattform "Nestoria" (gibt es bald auch in .de) war da etwas unbesorgter; sein Problem mit OSM war eher, dass einige Sachen nicht ganz leicht zu nutzen sind ("gib mir alle U-Bahn-Stationen in Deutschland" - fuer den Perl- oder PostGIS-Hacker eventuell einfach machbar, aber nicht fuer den unbedarften Nutzer). Er sagte, dass seine Firma auch gern mit Geld nachhilft, wenn jemand OSM auf dem Weg zu besserer Nutzbarkeit weiterbringen will. (Ich persoenlich finde die Nutzbarkeit gegenueber den Endnutzern eigentlich weniger wichtig als die Nutzbarkeit gegenueber den Mappern, aber das kommt halt drauf an, wen man fragt.) Dair Grant sorgte mit seinem Vortrag fuer etwas Ernuechterung. Vor etwa einem halben Jahr hatte er mal eine Untersuchung in der Naehe seines Wohnortes gemacht und war dabei auf rund 80 Fehler in TeleAtlas-Daten gestossen (die bei OSM besser waren). Nun ist er umgezogen und hat das gleiche mal in einer etwa gleich grossen und oberflaechlich auch "vollstandig" aussehenden Gegend in Edinburg gemacht und fand bei OpenStreetMap etwa doppelt so viele Fehler wie im TeleAtlas-Material seines alten Wohnortes. Er fand das zwar nicht schlimm, aber natuerlich piekst einen sowas schon ein bisschen. (Sollten wir in Deutschland auch mal machen, stichprobenartig - zufaellig einen Bereich auswaehlen und ganz gruendlich OSM und TeleAtlas und Realitaet vergleichen. Leider ein zu langweiliges Thema fuer den Wettbewerb, fuerchte ich...) Peter Miller arbeitet fuer die Firma ITO, die Verkehrsanalysen und -Projekte fuer Transportunternehmen macht. Er hat alle ueberrascht mit einem Tool, mit dem man vieles von dem vorwegnehmen kann, was API 0.6 bringen soll: Bestimmte Gebiete "subscriben" und - derzeit nur woechentlich, spaeter aber taeglich - Informaionen dazu sehen, wer wann was wo darin veraendert hat. Man muss sich bei dem Service anmelden und die Rechtecke spezifizieren, die man will, und danach kann man verschiedene Feeds bekommen und Analysen zusammenklicken. Sieht sehr vielversprechend aus; derzeit nur .uk im Datenbestand, aber bis Ende des Monats die Welt. (http://www.itoworld.com/ -> "OSM Mapper".) Jani Patoallio von Wikitravel hat erzaehlt, wie sie OSM-Daten nutzen, um ihre On-Demand-Buecher zu drucken. Das Pfiffige dabei ist, dass sie eine automatische Verknuepfung aus dem Text- in den Kartenteil gebaut haben (wenn im Text-Listing "Hotel Ernst" vorkommt, sucht deren Programm das passende Hotel im OSM-Ausschnitt und macht einen Nummernmarker hin). Sebastian Schmitz hat den Euch allen schon bekannten openrouteservice.org vorgestellt, und die Leute koennen es kaum erwarten, dass es das fuer .uk auch gibt ;-) Ich habe in meinem Vortrag ein bisschen ueber moegliche Risiken fabuliert, denen OSM in der Zukunft ausgesetzt sein koennte: Was, wenn die "Boesen" uns inflitrieren und verklagen, wenn sich die rechtliche Situation aendert, wenn unsere Server alle am Anschlag ist, wenn die Community sich auseinanderlebt undsoweiter. Ich habe mich aber auf das Aufwerfen laestiger Fragen beschraenkt, die Antworten mussten die Leute schon selber finden ;) Am Sonntag kam dann die Begruessungsrede von Steve Coast - am Samstag frueh war der noch aus den USA unterwegs. Nicht viel neues, ausser, dass er halt massiv in den USA "evangelizing" betreibt und dass seine Firma einen Style-Editor fuer Mapnik gemacht hat (wann/wie der "rauskommt" ist aber noch unklar). Steve sagte unter anderem auch: Wenn ihr ueberlegt, einen neuen Renderer, Editor oder Router fuer OpenStreetMap zu schreiben, dann denkt doch lieber mal darueber nach, wie ihr das existierende verbessern koennt. - Das entspricht nicht meiner Meinung, ich finde, jeder darf seinen eigenen OSM-Editor schreiben, wenn er will. Ed Parsons, Kartenchef von Google, versuchte, die Wogen ein bisschen zu glaetten: Map Maker sei kein Angriff auf OSM, sondern mehr eine Verzweiflungstat - Google *wuerde* ja Daten von Island, Zypern oder der Karibik kaufen, wenn ihnen jemand welcher verkaufte - aber es gebe ja keine, also der Map Maker. Die Software dahinter ist mehr oder weniger das gleiche, was Google seit langem intern zur Datenerhebung z.B. in Indien oder Burma einsetzt. Google lasse sich derzeit von den Nutzern alle Rechte abtreten, aber nur so habe Google spaeter auch die Moeglichkeit, eine "offene" Lizenz zu waehlen, die ihnen geeignet erscheint. Er halte es durchaus fuer moeglich, dass die Daten irgendwann "frei" werden, und sie wollen OSM auch weiterhin unterstuetzen. - Er erzaehlte, dass auch Google viel Stress mit Zypern hat. Fuer die Luftbilder der Gebiete, die fuer Map Maker freigeschaltet sind, hat Google extra die Lizenz aufgestockt - normalerweise haben sie nur eine Anzeigelizenz, und fuer diese Gebiete haben sie jetzt auch eine Abdigitalisier-Lizenz. Auf den Vorschlag, man koennte doch diese Abdigitalisier-Lizenz dann an OSM weitergeben als "nette Geste" antwortete er aber, das dass nicht so ohne weiteres moeglich sei. Also mein persoenliches Fazit: Nett, dass Es (wieder) da war, es zeigt immerhin, dass sie uns dafuer ernst genug nehmen, aber ob es viel mehr bedeutet, weiss ich nicht. Andy Allan berichtete von der Cycle Map (seine treuesten User sind die Deutschen, wie es scheint). Die Daten, die er durch die Gegend schaufelt, sind betraechtlich - besonders, weil die Tiles wohl immer noch auf seinem Heim-PC errechnet und dann in die USA auf den Server kopiert werden muessen. (Und das, obwohl er inzwischen Technikchef von Cloudmade ist.) Ben Clayton von HP erzaehlte ueber "Pervasive Computing", das ist eine schmuckvolle Ausrede fuer die Entwicklung von Computerspielen auf mobilen Geraeten (sag ich mal so ganz platt). Sie haben eine Software gemacht, mit der man ortsabhaengige Spiele definieren kann, die dann auf sowas wie einem N95 oder N810 laufen. Ein Beispiel dafuer ist z.B. "Escape from the Tower", es spielt im Londoner Tower, und wenn man mit dem Geraet in die Naehe bestimmter Punkte kommt, laufen kleine Filmchen ab, auf denen beruehmte Ex-Gefangene ihre Flucht schildern. Die "Beef Eaters" hatten dann kleine Bluetooth-Sender in der Tasche, und wenn ma ihnen zu nahe kam, war man "gefangen". Deren Spiel-Konstruktions-Software kann wohl auch OSM-Daten nutzen, und man kann auch Spiele herstellen, die nicht ein einen speziellen Ort gebunden sind, sondern beim Spiel-Start automatisch z.B. eine nahegelegene Kneipe, eine nahegelegene Kirche und eine vielbefahrene Strasse (o.ae.) anhand der OSM-Tags als Spielorte auswaehlen. Klang alles sehr spannend fuer mich (ich mag Spiele), eventuell kann man das auch staerker mit OSM verknuepfen: www.mscapers.org (Einige Vortraege, darunter den von Torsten Rahn ueber Marble, hab ich verpasst, weil ich parallel einen Relations-Workshop abgehalten habe.) Ziemlich interessant, wenn auch etwas lang, war auch der Vortrag von Mikel Maron ueber Indien. Er hat zusammen mit Schuyler Erle und finanziert von ein paar interessierten Organisationen in Indien eine einmonatige Indien-Rundreise gemacht und dabei in 7 Staedten jeweils OSM-Einfuehrungen und Mapping Parties abgehalten. Einerseits gab es da eine Menge interessanter kultureller Einsichten (zum Beispiel die, dass OSM zuweilen weit mehr ist als nur "du kannst eine Karte selbermachen" - OSM ist in etwas konservativeren Gesellschaften auch ein "du kannst *ueberhaupt* was selbermachen"). Andererseits auch spannend, dass man sowas tatsaechlich finanziert bekommt - also wenn irgendeiner von Euch irgendwelche Verbindungen in ein Land hat, in dem bislang wenig OSM gemacht wird, stellt doch auch mal sowas auf die Beine. Schuyler und Mikel sind wohl ueberall als grosse Experten gefeiert worden und mussten immer erst langwierig erklaeren, dass sie nur "ganz normale Mapper" sind. Ausserdem gab es eine Menge "lightning talks" und eine Menge "State of ..."-Talks ueber bestimmte Laender, allen voran natuerlich Jochens 10-Minuten-Turbo-Talk ueber unsere grandiosen Erfolge in .de - von den vier Weinflaschen, die Ivan aus Spanien mitgebracht hatte, ging am Ende auch eine an "die Deutschen" fuer ihre herausragende Leistung. Wir haben sie stellvertretend fuer Euch ausgetrunken ;-) insgesamt waren glaube ich so ca. 10 Leute aus Deutschland und 2 aus Oesterreich da, bei einer Gesamtteilnehmerzahl von rund 120. Soviel mal dazu. Es wurde die Devise ausgegeben, alle Fotos und sonstiges Zeug, das man ins Netz hochlaedt, mit "SOTM08" zu taggen, also evtl. werden ihr bei den einschlaegigen Web2.0-Seiten fuendig. Bye Frederik -- Frederik Ramm ## eMail [EMAIL PROTECTED] ## N49°00'09" E008°23'33" _______________________________________________ Talk-de mailing list Talk-de@openstreetmap.org http://lists.openstreetmap.org/cgi-bin/mailman/listinfo/talk-de