Re: [Neo] Versal-Eszett rulz!

2010-02-26 Diskussionsfäden Florian Janßen
Am 26.02.2010 14:49, schrieb Dennis Heidsiek:
 
 
 
 Ulf Bro ſchrieb am 26.02.2010 09:14 Uhr:
 Vor allem – und das ist das Wichtigste! – ist es eine vollkommene
 Neuschöpfung, die keinerlei Wurzel in Geschichte oder Tradition hat.

 
 Dem (auch sonst lesenswerten!) Wikipedia-Artikel¹ zum ẞ zufolge gibt es
 den Vorschlag seit 1879, ›keinerlei‹ scheint mit da eine zu harte
 Formulierung zu sein.

Dazu kommt, dass gedruckte Dokumente noch recht neu sind, selbst die
Geburtsurkunde von meinem Vater ist ein noch ein Vordruck, der von Hand
ausgefüllt wurde. In der Handschrift ist der Übergang zwischen zwei
Buchstaben, Ligaturen und einem daraus entstandenem Buchstaben fließend.
Die Ligaturen aus ſs, sz und auch der Buchstabe ß sind sehr alt und
haben durchaus Tradition.

Durch das ẞ habe ich endlich die Chance meinen Nachnamen auch in
Majuskelschrift zu schreiben, ohne dass er sich verändert, so bleibt
auch in der Majuskelschrift die Schreibweise erhalten. Je nach Region
ist Jan[s/ss/ß/hs/sz]en ein häufiger Nachname in zahlreichen Varianten.

Zum ›ß‹ in meinem Nachnamen:
Mein Nachnahme ist ursprünglich mit ›ſs‹ geschrieben worden. In der
Handschrift sieht das oft wie ein Buchstabe aus.
Mein Opa hat Sütterlin gelernt und geschrieben, dabei ist jedoch das
›ſs‹ mit dem ›hs‹ zu verwechseln, da man von Hand leicht einen Kringel
statt eines Hakens macht. Das ›ß‹ gibt es auch im Sütterlin, ist da aber
eindeutig eine Ligatur aus ›s‹ und ›z‹ und hatte nichts in unserem
Familiennamen verloren.

Als Fraktur durch die NSDAP verboten wurde gab die offizielle Vorgabe
vom Sütterlin ›ſs‹ nach Antiqua das ›hs‹ vor, was natürlich falsch ist.
Als er zur Marine kam hat man ihm gesagt, dass er seinen eigenen Namen
falsch – nämlich mit bösen Judenlettern – schreibt, und schwupps stand
erstmals auf einem Dokument unser Familienname mit ›hs‹ in Druckschrift da.

Als mein Vater dann in den 70ern heiratete, hat man auf dem Standesamt
gesagt Hoppla, so schreibst du dich gar nicht, das ist falsch [richtig!]
das ist jetzt ein ß [leider daneben].

Und so musste nicht nur meine Mutter eine neue Unterschrift üben,
sondern auch mein Vater.

Ich habe mir überlegt im Falle einer Hochzeit beim Standesamt auf ſs zu
pochen, einerseits um durch die Schreibweise mit ›ss‹ die Probleme im
Ausland zu vermeiden (wer hat sonst schon mal den US-Beamten erklärt
müssen, warum der Name auf dem Visa nicht mit dem Namen auf dem Ausweis
übereinstimmt?), andererseits um die Tradition aufrecht zu halten, dass
jede Generation den Namen anders schreiben musste :)


Gruß Florian Janſsen ;)



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Re: [Neo] Versal-Eszett rulz!

2010-02-26 Diskussionsfäden Ulf Bro
 Ulf Bro ſchrieb am 26.02.2010 09:14 Uhr:
  Vor allem – und das ist das Wichtigste! – ist es eine vollkommene 
  Neuschöpfung, die keinerlei Wurzel in Geschichte oder Tradition hat.
 
 
 Dem (auch sonst lesenswerten!) Wikipedia-Artikel¹ zum ẞ zufolge gibt es 
 den Vorschlag seit 1879, ›keinerlei‹ scheint mit da eine zu harte 
 Formulierung zu sein.
 
  keinerlei Funktion hat,

Siehst du! Den Vorschlag gibt es lange, den Buchstaben aber nicht.

Nochmal. Diesmal nehmen wir es in Teelöffeln.

Das Es-Zett (S-Z) ist eine Ligatur, welches so viel heißt wie eine
Zusammenschreibung von zwei Buchstaben, die anderenfalls getrennt
gewesen wären, in diesem Fall S und Z.

Diese Schreibweise kennt man aus anderen europäischen Sprachen, wo sz
dazu benutzt wird, ein alternatives S anzubieten, genau wie man auf
Deutsch sch und auf Englisch sh und auf Türkisch ş benutzt, um ein
bestimmtes Phonem schriftlich zu repräsentieren. In diesem Sinne
entsteht Es-Zett als scharfes S.

Die Buchstabenfolge sſ ist in einigen handschriftlichen Traditionen
die Form, zwei auf einander folgenden S'en zu schreiben, die aber
getrennt auftreten. Die Buchstabenfolge ſs ist in einigen
handschriftlichen Traditionen und den daraus abgeleiteten typografischen
Varianten die Schreibweise für ss, also zwei s'en hinter einander, die
als Einheit auftreten. In diesem Sinne entsteht Es-Zett als Doppel-S
entsprechend der früher gültigen Schreibweise Faß oder muß.

So hat der Buchstabe ß (kleines Ess-Zett) also zwei verschiedene
Ligaturen repräsentiert, nämlich sz als Bezeichnung für ein scharfes S
(ein bisschen wie sad auf Arabisch), und ss als Bezeichnung für
Doppel-S.

In der letzten Rechtschreibreform hat man sozusagen bestimmt, dass ß
nur sz repräsentieren soll. Demgemäß ist die Großschrift folgerichtig
WERDERSTRASZE.

Eine Ligatur von ſs sieht aus wie ß.

Eine Ligatur von ſz sieht aus wie ß.

Eine Ligatur von SZ kann verschiedentlich aussehen, keineswegs aber
wie ẞ. Es hat eine Ligatur von SZ (großes S, großes Z) in der
Geschichte nie gegeben.

Eine Ligatur von SS kann verschiedene Aussehen haben, keineswegs aber
wie ẞ. Es hat eine Ligatur von SS (großes S, großes S) in der
Geschichte nie gegeben.

Wie ich schon sagte: Großes SZ hat es nie gegeben. Es gibt da keine
Tradition für. Jetzt hat man aber endlich eins gemacht und jetzt darf
man es benutzen.

 Vielleicht nicht für Dich; aber durchaus für die vielen Personen, bei 
 denen das ß im Familiennamen vorkommt.
 
 Und es steht Dir doch sowieso vollkommen frei, das ẞ nicht zu nutzen!

Was in Familiennamen vorkommt und nicht vorkommt, erlebe ich jeden Tag
in meiner Arbeit in der Arztpraxis. Es gibt da 15 Mitglieder derselben
Familie, die alle zum Nachnamen das Gleiche heißen:

El Asrouti (suchen unter A)
Al Asrouti
El-Asrouti (mit Bindestrich, suchen unter E)
El Osrouti
El Ousrouti

und so weiter. Alles Namen, die von deutschen Beamten bei der
Einwanderung aus dem Arabischen beliebig transliteriert wurden.

Auf die Varianten von Schmidt, Schmitt usw. müssen wir nicht weiter
eingehen. Die sind auf die gleiche Weise entstanden.

Wenn also einer argumentiert, dass er Janßen heißen muss… dann…
verzichte ich auf weitere Kommentare außer dass -sen eine dänische
Endung ist, also typischerweise aus dem zweisprachigen Bundesland
Schleswig stammt, wo dies tatsächlich immer ßen ausgesprochen wird,
auch dann, wenn man Jansen schreibt, sodass hier zur Verdeutlichung
von einem sz und nicht von einem ss auszugehen ist. Die Großschrift
wäre ohne die neuartige Ligatur demnach folgerichtig JANSZEN. Da dieses
aber aussieht als ob man ein sch… Pole wäre, ist die Schreibweise JANẞEN
allein aus diesen Gründen durchaus zu vertreten. Womit die Notwendigkeit
des neuen Buchstaben plötzlich in anderem Licht erscheint. (Der Pole
hätte in diesem Falle zudem das Problem gehabt, dass er dann Janschen
hieße, aber egal, hier gibt es ja gar keinen Polen).



Versuchen wir, das Ganze wieder herunter auf eine sachliche Ebene zu
führen:

Wir erkennen also, dass man auf Deutsch folgende s'en hat:

- normales S (geschrieben S, es sei denn, diese Schreibweise würde zu
einer Aussprache wie gestimmtes S verleiten, in diesen Fällen schreibt
man ß, normales S hat also zwei Schreibweisen)

- gestimmtes S (geschrieben S, man hofft dass die Leute wissen, wann sie
dieses so aussprechen müssen. Kennzeichnen kann man es nicht, gestimmtes
S hat also keine eigene Schreibweise)

- sch (geschrieben sch, manchmal aber auch s wie in Spaten. Man
hofft, dass die Leute aus Hamburg und Dänemark sich irgendwann darauf
einstellen, dort heißt es immer noch ßpaten und ßtein, sch hat
also zwei Schreibweisen)

Es ist schwierig, eine Logik hierin zu erkennen. Ganz besonders für
Leute wie mich mit Migrationshintergrund.



Die große Revolution besteht also jetzt darin, dass die deutsche Sprache
neuerdings mit dem Großen EsZett bereichert worden ist, eine neuartige
Ligatur von Kleinbuchstaben in Großschrift statt einer Ligatur großer
Buchstaben in Großschrift.


Re: [Neo] Versal-Eszett rulz!

2010-02-26 Diskussionsfäden Carsten Ace Dahlmann
Hi!

Am Fri, 26 Feb 2010 17:18:00 +0100
schrieb Ulf Bro:

 Das Es-Zett (S-Z) ist eine Ligatur, welches so viel heißt wie eine
 Zusammenschreibung von zwei Buchstaben, die anderenfalls getrennt
 gewesen wären, in diesem Fall S und Z.

Das kann man so nicht verallgemeinern. Ich empfehle zur Lektüre:

http://www.signographie.de/cms/front_content.php?idart=43
(und ggf.)
http://www.signographie.de/cms/front_content.php?idart=270

 In der letzten Rechtschreibreform hat man sozusagen bestimmt, dass ß
 nur sz repräsentieren soll. Demgemäß ist die Großschrift
 folgerichtig WERDERSTRASZE.

Das stimmt auch nicht (mehr). Das war mal. Inzwischen ist leider
offiziell ß - SS. Ist zu hoffen, dass es irgendwann auf ß - ẞ
korrigiert wird.

 JANSZEN. Da dieses aber aussieht als ob man ein sch… Pole wäre, ist

Dazu fällt mir kaum was ein – außer vielleicht der Hinweis, dass du
diese deinige Aussage nie mehr aus dem Netz herausbekommen wirst.

 - sch (geschrieben sch, manchmal aber auch s wie in Spaten.
 Man hofft, dass die Leute aus Hamburg und Dänemark sich irgendwann
 darauf einstellen, dort heißt es immer noch ßpaten und ßtein,
 sch hat also zwei Schreibweisen)

Das hat etwas mit der Entwicklung des Deutschen und mit
Sprachvarietäten zu tun. Siehe
http://www.stefanjacob.de/Geschichte/Unterseiten/Sprachgeschichte.php?Multi=4
und am besten auch siehe: eine Einführung in die
Sprachwissenschaft/-geschichte.

 Es ist schwierig, eine Logik hierin zu erkennen. Ganz besonders für
 Leute wie mich mit Migrationshintergrund.

Und das hat etwas damit zu tun – sei mir nicht böse, aber –, dass du
anscheinend keinerlei Ahnung von Sprachgeschichte und
Sprachwissenschaften hast. Sonst wärst du dahingehend auch etwas
toleranter. S.o.

LG,
Ace
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http://www.dahlmann.net/?Informatives/Gekonntes_E-Mailen


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Re: [Neo] Versal-Eszett rulz!

2010-02-26 Diskussionsfäden Dennis Heidsiek

Hallo allerseits,


Ulf Bro ſchrieb am 26.02.2010 17:18 Uhr:

Siehst du! Den Vorschlag gibt es lange, den Buchstaben aber nicht.


Seitdem es den Vorschlag eines ẞ gibt, gibt es auch unterschiedliche 
Ansätze dafür, wie eine passende Glyphe ausſehen sollte – genau wie es 
beim ß ja auch vier verschiedene (mehr oder weniger verbreitete) 
›typische‹ Glyphformen¹ gibt.



In der letzten Rechtschreibreform hat man sozusagen bestimmt, dass ß nur sz 
repräsentieren soll. Demgemäß ist die Großschrift folgerichtig WERDERSTRASZE.
   


Stimmt, genau so hat man es in der /alten/ Rechschreibung (bis 1996) 
gehalten – gemäß den neuen Regeln (also seit der Rechtschreibreform 
1996) soll man hingegen stets ß zu SS kapitalisieren, was eine 
eindeutige Verschlechterung darstellt.² Kein Wunder, dass nach dieser 
Verschlechterung der Ruf nach einem ẞ wieder stärker geworden ist …



Was in Familiennamen vorkommt und nicht vorkommt, erlebe ich jeden Tag in 
meiner Arbeit in der Arztpraxis. Es gibt da 15 Mitglieder derselben
Familie, […] und so weiter. Alles Namen, die von deutschen Beamten bei der 
Einwanderung aus dem Arabischen beliebig transliteriert wurden.
   


Das ist allerdings ein übles Beispiel, aber wie Du selbst geschrieben 
hast: Solche Fehler kamen in der Geschichte leider häufiger vor, wie man 
ja auch an Florians E-Mail über seinen Nachnamen geradezu exemplarisch 
sehen kann.



- sch (geschrieben sch, manchmal aber auch s wie in Spaten. Man hofft, dass die Leute aus Hamburg und 
Dänemark sich irgendwann darauf einstellen, dort heißt es immer noch ßpaten und ßtein, sch hat also zwei 
Schreibweisen)
   


Nein, da bin ich ganz anderer Ansicht: Das ist einfach nur guter alter 
Hamburger Dialekt (»ßpitzer ßtein«),³ den der platt/norddeusche Teil 
meines Herzen äußerst sympathisch findet – und ich hätte nichts dagegen, 
wenn der südliche Teil des deutschen Sprachraumes dies übernehmen würde :).



Es ist schwierig, eine Logik hierin zu erkennen. Ganz besonders für Leute wie mich mit 
Migrationshintergrund.
   


Das ist allerdings wahr; aber Deutsch ist halt keine konstruierte, 
sondern eine gewachsene Sprache, die im Laufe der Zeit (und der 
unterschiedlichen Einflüsse, der sie dabei unterworfen war) mehrere 
unlogische Eigenarten angesammelt hat. Wobei sie da aber beileibe nicht 
die einzige ist.



Da wir hier aber nicht die deutsche Sprache modifizieren, sondern 
Tastaturbelegungen erfinden, genügt es festzustellen, dass was immer der 
Verbraucher an unnötige Zeichen wünscht, unsere Pflicht ist es, diese 
bereitzustellen, und daher kann es keine Zweifel geben, dass das große EsZett 
jederzeit erreichbar sein muss.


Stimmt, dass hast Du gut zusammengefasst.


Shift-ß steht wohl hier nicht zur Diskussion?
   


Ganz Genau :).


Viele Grüße,
Dennis-ſ


¹  http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9F#Buchstabenform
² http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9F#Gro.C3.9Fschreibweise
³ http://de.wikipedia.org/wiki/Hamburger_Dialekt



Re: [Neo] Versal-Eszett rulz!

2010-02-26 Diskussionsfäden Florian Janßen
Am 26.02.2010 20:41, schrieb Christian Kluge:
 Eigentlich müsste es Jansſen heißen, denn ich vermutete mal, das „-sen“
 hier die skandinavische Namensendung „Sohn des“ ist und in einigen Duden
 steht auch, dass dies dann so geschrieben wird.

Ja, das gleiche habe ich mich auch schon gefragt. Die nordischen Länder
kennen das wirklich anders rum, z.B. Olsſon.

Andererseits gibt es in den Niederlanden häufiger die Schreibweise mit
sz und am Niederrhein ist(war) das ß sehr häufig was ja auch auf der
Ursprung von ſs oder ſʒ deutet. Die Niederlande haben anscheinend die
gleichen Regeln wie wir fürs ſ, andere Länder weichen davon ab.
Wenn ich tippen müsste würde ich auf Schreibweisen nach Aussprache
tippen, bei uns wird das s in Jan[s]en scharf und eher Janß-en als
jans-sen ausgesprochen.

Wann und warum sich das nun wirklich gedreht hat weiß ich nicht O_o

Gruß Florian



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[Neo] Versal-Eszett rulz! (was: Re: Bitte abstim men: Die Wahlen zum Neo2-Freeze sind eröffnet!)

2010-02-25 Diskussionsfäden Dennis Heidsiek

Hallo allerseits,


Christian Kluge ſchrieb am 25.02.2010 15:47 Uhr:

Florian Janßen schrieb am 25.02.2010 15:41:

Florian JANẞEN
(Yeah! U1E9E rulz)

Natürlich tut es das ;-).


Einen Buchstaben (ẞ), der von einem Buchstaben (ß) abgeleitet wurde, der 
aus einer Ligatur des langen s „ſ“ (also entweder ſs oder ſʒ) entstanden 
und somit quasi ein ſ-Enkel ist, muss man einfach lieb haben – 
vollkommen egal wie merkwürdig sich dieser Satz für die Schweizer auch 
anfühlen mag ;).



Viele Grüße,
Dennis-ſ